Historische Glocken aus acht Jahrhunderten
Vortrag und Ausstellung in der kath. Kirche St. Jakobus in Nauheim
am 31.8.2001
Referent und Leiter der Ausstellung: Günter Schneider, Glockensachverständiger im Bistum Mainz
Unterstützung und Recherche: Harald Hock und Richard Kaul, Heimatforscher NauheimGlocken wurden bereits im alten China im 7. Jh. v. Chr. verwendet. Von China aus verbreiteten sie sich bis in den Mittelmeerraum. Die Römer nutzten den Glockenklang als akustisches Signal zur Eröffnung von Veranstaltungen. Über die Klöster kamen Glocken vom Berg Athos, die Benediktiner nach Irland (6./7. Jh.). Glocken bestanden damals aus genietetem Kupferblech mit nicht gerade wohlklingenden Tönen.
Gegossene Glocken kamen in der Karolingerzeit auf und wurden besonders in Kirchen verwendet. Kirche und Glocke sind ein Synonym, genau wie auch zwei Symbole untrennbar zur christlichen Kirche gehören: Kreuz und Glocke. Eine Kirche bestand somit aus dem Kirchenschiff und dem Glockenturm. In dieser Zeit wurde die Bienenkorbglocke hergestellt.
Um 1400 setzte sich die Zuckerhutglocke mehr und mehr durch und behielt diese Form bis ins 19. Jh. bei. Die Gießtechnik wurde nicht nur von den Klöstern beherrscht, sondern wurde mehr und mehr von den zivilen Handwerkern übernommen. Aus ökonomischen Gründen (Transport) wurden die Glocken meist in der Nähe der Kirche gegossen, teilweise sogar auf dem Boden des Glockenturms. Diese Arbeit verrichteten sog. Wandergießer.
Die Tulpenform-Glocke wurde schon im 13. Jh. gegossen - bekannteste Vertreterin ist die „Hosianna Glocke“ im Freiburger Dom, die ca. 3 Tonnen wiegt. In der Spätgotik wurde eine noch größere Vertreterin, die „Gloriosa“ (1497) für den Erfurter Dom gegossen, die 11,7 t wiegt.
Nachguss der salischen Bienenkorb-Glocke aus Mainz
aus Formresten des 11. Jahrhunderts. Nachguss durch Glockengießerei Rincker in Sinn.
Durchmesser 42,5 cm,
Gewicht 35 kg.
Spätgotische Glocke
Gussjahr 1481
Herkunftsgebiet: Eifel, Gießer: Claus von Echternach
Schlagton es´´´
Gewicht 50 kg,
Durchmesser 42,5 cm
Glocke von 1403.
Durchmesser 31,5 cm,
Gewicht 22 kg.
Heimat dieser Glocke ist Italien. Typisch ist die hohe schlanke Rippe und die als Aufhängung verwendete „Dreifachöse", wie sie für kleine Glocken auch heute noch verwendet wird.
Die Glocke weist eine Reparaturstelle auf, sie ist einmal geschweißt worden.
Frühbarocke Glocke
Ton fis´´
Gewicht 120 kg,
Durchmesser 56 cm
Die 1960 ausgemusterte, aber intakte Glocke, steht in der kath. Filialkirche Worms-Leiselheim.
Spätbarocke Glocke
Gussjahr 1762
Ton e´´
Durchmesser 60 cm,
Gewicht ca. 130 kg
Die Glocke wurde in der Mainzer Gießhütte Johann Martin Roth für die kath. Kirche in Spiesheim / Rheinhessen gefertigt.
Eine ähnliche Glocke goss die Gießerei Roth 1734 für Nauheim.
Ton e´´, Gewicht 162 kg.
Glocke der Jahrhundertwende 1899
Glockengießerei A. Hamm Sohn in Frankenthal
Herkunftsort Gustav-Adolf-Kirche in Gustavsburg
Schlagton as´´
Gewicht 52 kg,
Durchmesser 45 cm.
Drei ähnliche Glocken wurden von Hamm 1884 für die evangelische Kirche nach Nauheim geliefert.
Stahlglocke
Gussjahr 1867
Bochumer Verein für Gussstahl,
Herkunftsort evangelische Kirche in Daun,
Ton e´´´,
Durchmesser 35 cm.
Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts versuchte man Glocken aus Stahl zu gießen. Zu den ältesten erhaltenen Klangkörpern dieser Art gehört diese Glocke. Der Schlagton ist nicht exakt und sauber, der Nachhall ist sehr kurz. Besonders nach den beiden Weltkriegen wurden Stahlglocken gefertigt, weil sie billiger sind als Glocken aus Bronze.
Glocke aus der Gießerei Hamm in Frankenthal,
Gussjahr 1906,
Schlagton c´´,
Gewicht 210 kg,
Durchmesser 73 cm.
Herkunftsort: kath. Kirche St. Gallus in Flörsheim. Sie ist heute im Gemeindezentrum ausgestellt.
Werkstück zu einer Glockengießer-Meisterprüfung.
Eifeler Glockengießerei Mark in Brockenscheid bei Daun.
Glocke Ton d´´, Nachhall bis zu 2 Minuten,
Gewicht 210 kg,
Durchmesser 65 cm,
Gießjahr 2000.
Glockenstuhl aus Eichenholz in zimmermannsmäßiger Verarbeitung mit nachspannbaren Verbindungen, gelagert auf Schwingungsdämpfungs- und Körperschallisolationselementen.
Nach Ende des Vortrags in der kath. Kirche sind die Zuhörer noch in angeregtem Gespräch
Die (bekannten) Nauheimer Glocken
A. Glocken im Turm der "Jakobs-Kapelle":
1540 wird erstmals mindestens eine Glocke in Nauheim erwähnt.
1570 kommen zwei neue Glocken dazu.
B. Seit 1592 im Turm des Rathauses:
1610 Neuguß einer zersprungenen Glocke in Mainz.
Im 30jährigen Krieg verliert Nauheim seine Glocken.
1651 eine neue Glocke aus Frankfurt.
1670 Ankauf einer zweiten Glocke (aus Mainz).
1696 Neuguß einer zersprungenen Glocke.
1701 Neuguß einer zersprungenen Glocke in Nauheim.
1719 Neuguß einer zersprungenen Glocke.
1734 Neuguß einer zersprungenen Glocke.
C. Seit 1753 im Turm der ev. Kirche:
1765 Neuguß einer zersprungenen Glocke (in Frankfurt)
1817 Neuguß einer zersprungenen Glocke (in Mainz)
1884 Umgießen der beiden alten und dazu Anschaffung
einer dritten Glocke für Nauheim aus der Glockengießerei Hamm in Frankenthal.
1924 drei neu Glocken (eine verbliebene wird umgegossen; zwei als Ersatz für die abgelieferten).
1952 zwei neue Glocken als Ersatz für die abgelieferten.
D. Die Friedhofsglocke
um 1953 eine Glocke in das Türmchen der Friedhofshalle
E. Im Turm der kath. Kirche St. Jakobus:
1963 erhält St. Jakobus drei neue Glockeh (aus Heidelberg)
2001: Neuguß einer vierten Glocke für St. Jakobus (anläßlich der 1150-Jahr-Feier Nauheims) in Heilbronn.
Die Glocke wird ca. 780 kg wiegen und ist damit die größte Nauheimer Glocke, die es je gab.
Zurück zur Hauptseite Glocken der kath. Kirche Glocken der ev. Kirche
Historische Glocken im Kreis Groß-Gerau Die größten Glocken im Kreis Groß-Gerau