Motto 2013: "Jenseits des Guten und Schönen: Unbequeme Denkmäler? "Die evangelische Kirche (erbaut 1753) in Nauheim
Seit dem hohen Mittelalter hatte Nauheim eine Friedhofskapelle außerhalb des Ortes. Sie lag auf dem „Totenhügel“ nahe der Straße nach Trebur in Höhe des heutigen Saalbaus und trug wahrscheinlich den Namen „Jakobskapelle“. Seit der Reformation erwies sie zunehmend als zu klein, denn am Predigtgottesdienst sollte die gesamte Gemeinde teilnehmen können.
Plünderungen im Dreißigjährigen Krieg beschädigten die Jakobskapelle und ließen die Gemeinde verarmen. Nur noch die notwendigsten Reparaturen konnten ausgeführt werden und alle Pläne, eine neue Kirche im Dorf zu errichten, scheiterten am Geldmangel. Es sollte noch etwa hundert Jahre dauern, bis einem dritten Anlauf Erfolg beschieden war: Der Landgraf hatte ein Einsehen und gestattete den Nauheimern, in den Dörfern der Umgebung für das Projekt Geld zu sammeln.
Am 1. Weihnachtstag des Jahres 1753 war es dann so weit: In einem gewiss festlichen Gottesdienst konnten die Nauheimer endlich die Einweihung ihrer neuen Kirche feiern. Aus Kostengründen hatte man keinen eigenen Bauplan anfertigen lassen. Der Darmstädter Baudirektor Helfrich Müller durfte auf einen schon vorliegenden Plan zurückgreifen, nämlich jenen Plan, den der landgräfliche Baumeister und Superintendent Johann Conrad Lichtenberg für die evangelische Pfarrkirche in Ginsheim entworfen hatte.
Um das Kirchengebäude in den etwas beengten Bauplatz einzupassen – hier stand vorher eine Scheune - , musste man mit kleinerem Grundriss bauen und mit einer Nord-Süd-Ausrichtung Vorlieb nehmen, die für Kirchen ungewöhnlich ist.
Lichtenbergs Entwurf ist ein gutes Beispiel einer kleinen protestantischen Pfarrkirche unserer Region im Stile des bäuerlichen Barock – eine lichte Hallenkirche mit umlaufender Empore, Blickachse auf Altar, Kanzel und Orgel und mit einem dreistöckigen verschieferten Hauben-Dachreiter auf dem steilen Zeltdach.
Die ersten vierzehn Jahre musste man ohne Orgel auskommen, bis der Mainzer Orgelbauer Anton Onimus das Instrument lieferte, dessen Rokokoprospekt bis heute den Kirchenraum beherrscht. Das Innenleben der Orgel wurde 1925 von der Firma Förster und Nicolaus in Lich völlig neu geschaffen; die Stimmung passte man dem Zeitgeschmack an.
Bei der grundlegenden Restaurierung der Kirche vor sechzig Jahren wollte man dem ursprünglichen Zustand nahe kommen – mit Erfolg. Der Innenraum der Kirche atmet seitdem wieder jenen lichten protestantisch-barocken Geist, in dem die Lieder Paul Gerhards und die Orgelwerke Johann Sebastian Bachs zu Hause sind.
Die Besucher am Tag des offenen Denkmals in der evang. KircheDer zurückhaltend-moderne Anbau mit Sakristei, Toilette und Geräteraum ermöglichte es, den Kirchenraum größer und heller zu gestalten. Vorher war Raum unter der Orgelempore durch eine Holzwand abgetrennt und beherbergte links eine Abstellkammer und rechts die Sakristei. Nach der Entfernung dieser Einbauten ist die Kirche nicht nur deutlich größer, sondern sie hat auch jenes harmonisch-geschlossene Raumbild gewonnen, das sicher auch Lichtenberg gefallen hätte.
Die jüngste Renovierung brachte eine Annäherung an die ursprüngliche Farbgebung. Neu ist die Vergoldung des umlaufenden Stuckprofils, die dem Kirchenraum eine betont festliche Note verleiht.
Mehr über unsere Kirche können Sie auf den folgenden Internetseiten erfahren, wo sie auch die Informationen finden, die in den vorliegenden Text eingeflossen sind: www.heimatmuseum-nauheim.de und www.evkirche-nauheim.de Text: Rolf Hopp