„Alles dem Erdboden gleichmachen“

Geschichte – Bei einem Rundgang beim Tag des offenen Denkmals wird deutlich, wie radikal frühere Generationen waren

Führung: Hans Joachim Brugger zeigte am Sonntag „unbequeme Denkmäler“, wozu er auch das Alte Rathaus (hinten) zählt.                                                                                                                Foto: Rainer Beutel

 

Einblicke in eine Zeit mit vielen politischen Kontroversen hat am Sonntag der Tag des offenen Denkmals in Nauheim geliefert. Museumsvereinsvorstandsmitglied Hans Joachim Brugger erinnerte bei einem Rundgang durch Alt-Nauheim an Bestrebungen in den siebziger Jahren, das Alte Rathaus abzureißen.

Mehrere Stationen hatte sich der Museumsverein am Sonntag für den Tag des offenen Denkmals ausgesucht. Wie in anderen Kommunen auch, ging es um „unbequeme Denkmäler“. Das Alte Rathaus sei dieser Klassifizierung früher sehr nahe gekommen, betonte Organisator Hans Joachim Brugger, bevor er das Fachwerkhaus von 1755 als „Schatz von Nauheim“ bezeichnete.

Richtig unbequem ist kein Denkmal

Brugger differenzierte vorab, dass es in Nauheim keine Denkmäler gebe, die auf eine schreckliche Vergangenheit hindeuteten und daher als „unbequem“ eingestuft werden könnten. Am ehemaligen Sitz des Bürgermeisters am Heinrich-Kaul-Platz begann die Tour, bei der morgens knapp 30 Teilnehmer gezählt wurden (mittags gab es eine zweite). Unter ihnen waren, wie Brugger feststellte, auch viele Zeitzeugen, die den Streit um das Alte Rathaus selbst noch miterlebt hatten.

Bis 1959 sei es „Nauheimer Regierungssitz“ gewesen, sieben Jahre zuvor sei es in die Denkmalliste aufgenommen worden, erinnerte Brugger. 1974 habe der Konflikt um das Gebäude dann an Schärfe zugenommen. Abreißen, sanieren, verkaufen? Die Gemeindeväter hätten anfangs nicht gewusst, was sie mit dem Haus anfangen sollten. Immerhin sei dem Gebäude durch ein Gutachten gute Bausubstanz bescheinigt worden.

1976 sei der alte Ortsmittelpunkt dann allerdings als schmucklos und alles andere als geschichtlich bedeutend eingestuft worden. Prompt begann ein Streit mit der Denkmalschutzbehörde, nachdem die Gemeinde einen Antrag auf Abriss gestellt hatte. 1978 stimmte dann auch die Gemeindevertretung mit überwältigender Mehrheit für den Abbruch. Schon zuvor gab es eine Resolution der Bürger mit 406 Unterschriften, die sich dafür ausgesprochen hatten, alles dem Erdboden gleich zu machen.

Die Wende kam 1981, als die SPD ein Altstadtfest arrangierte und ein Gefach beispielhaft sanierte. Die Bürger sollten sehen, dass das Haus wegen seiner mittlerweile doch angegriffenen Bausubstanz nicht nur Mühe bereitete, sondern dass es auch hübsch aussehen konnte. Ein Jahr später schmetterte das Darmstädter Verwaltungsgericht eine Klage der Gemeinde gegen die Denkmalauflagen ab.

Als die damalige Landesregierung ein Dorferneuerungsprogramm auflegte und erkleckliche Zuschüsse winkten, drehte sich das Blatt – vorangetrieben auch von der damals absoluten Mehrheit der SPD und gegen den Widerstand der CDU. Die Sanierung wurde beschlossen, zwischen 1984 und 1986 wurde sie für damals 908 000 Mark realisiert.

Die unbeliebte Büste der Germania

„Nun haben wir ein Kleinod“, sprach Brugger vielen aus der Seele, bevor er im ehemaligen Rathaushof mit Bildern den 1,6 Tonnen schweren Sockel samt Büste der Germania zeigte. 1899 vom Kriegerverein auf dem heutigen Friedrich-Ebert-Platz errichtet, friste es mittlerweile sein Dasein auf dem Friedhof, informierte er. „1946 schämte man sich.“ Damals wurde die Germania vom Ebert-Platz entfernt. In jüngster Zeit habe es Bestrebungen gegeben, sie wieder dort hin zu stellen. Die Idee habe sich jedoch zerschlagen.

Weitere Stationen waren die ehemalige Gaststätte „Zum Hirsch“, wo auf Stammgast Peter Bajus angesprochen wurde, und die evangelische Kirche. Die Besonderheiten des Gotteshauses wurden von Museumsvereinsvorstandsmitglied Rolf Hopp ebenso vorgestellt wie er die Differenzen vor dem Abriss des alten Pfarrhauses zur Sprache brachte. Auch die Historie von zwei Häusern in der Vorderstraße wurde näher beleuchtet.

Quelle: Rüsselsheimer Echo vom 10.9.2013 — Autor: Rainer Beutel

Denkmal-Führungen in Nauheim und Trebur

11.09.2013 - NAUHEIM/TREBUR

(dev). Mit „unbequemen Denkmälern“ hat sich der Tag des offenen Denkmals befasst. Davon gibt es einige in beiden Gemeinden, wie die Heimatvereine deutlich machten. In Nauheim hatte es Hans Joachim Brugger übernommen, bei zwei Führungen diese „unbequemen Denkmäler“ näher zu erläutern. Unterstützt wurde er von Rolf Hopp, der über die evangelische Kirche sprach.

Tauziehen um den Erhalt

Los ging es dabei an dem Bauwerk, bei dem das Motto wohl hundertprozentig zutrifft: dem alten Rathaus. Es war bis 1959 Verwaltungssitz, wurde aber bereits 1952 unter Denkmalschutz gestellt – wie alle vor 1870 errichteten Gebäude, erklärt Brugger. Dazu gehören die evangelische Kirche und sieben Wohnhäuser in Vorderstraße und Hintergasse.

Passiert sei dann aber nichts. Nach dem Umzug stand das 1755 erbaute Gebäude leer und verkam zusehends. Dabei wurde noch 1976 in zwei Gutachten festgestellt, dass die Bausubstanz hervorragend war. Als mögliche Nutzungen wurden ein Altentreff im Erdgeschoss, Bibliothek und Ausstellungsraum für das Heimatmuseum im Obergeschoss und Wohnen oder Gruppenräume unterm Dach vorgeschlagen.

Stattdessen wurde von der Gemeinde aber ein Abrissantrag gestellt. Das Gebäude sei schmucklos und habe keine geschichtliche Bedeutung, hieß es damals. Doch das Landesamt für Denkmalschutz lehnte den Abriss ab. Von der SPD wurden im Juni 1976 Maßnahmen gegen den Verfall des alten Rathauses beantragt. Die CDU hatte mit Anträgen im Dezember 1976 und Juli 1977 an die Gemeindevertretung für einen Abriss und die Bereitstellung der Mittel für den Abbruch in den Haushalt 1978 plädiert, erklärt Brugger.

Im 17-Punkte-Programm der neuen Gemeindevertretung ab 1978 wurde der Erhalt mit aufgenommen. Weil der Abriss 1982 endgültig abgelehnt wurde, begann 1984 die Sanierung, die knapp eine Million Mark kostete und im Rahmen des Dorferneuerungsprogramms durchgeführt wurde.

Über die „Germania“, das Kriegerdenkmal von 1870/71, wurde im Hof des Rathauses informiert. Sie steht inzwischen versteckt auf dem Waldfriedhof. Eine Initiative des Heimat- und Museumsvereins, sie wieder in dass Gemeindeleben zurückzuholen,scheiterte.

Museum geöffnet

In Trebur war das Museum geöffnet und es fanden zwei Führungen über das Areal der Königspfalz statt. Die ehemaligen Schulen der Gemeinde wurden auf dem Weg zur Laurentiuskirche, der früheren Pfalzkirche, gestreift.

Das Fachwerkhaus in der Oberen Pforte 3 war ab 1578 Schulhaus und entstand aus der Marienkapelle, danach ging es an Mädchen- und Knabenschule vorbei.

Quelle: Main-Spitze vom 11.9.2013 — Autor: Detlef Volk