Hochwasserereignisse in Nauheim in den letzten 150 Jahren                             

Betrachtet man die letzten trockenen Jahre, kommt man kaum auf die Idee, dass es künftig in Nauheim noch Überschwemmungen und voll gelaufene Keller geben könnte. Aber, man sollte auf der Hut sein! In der Vergangenheit gab es gewaltige Hochwasserereignisse, so beispielsweise 1771 als Nauheim schwer getroffen wurde. Schon 1784 gab es wieder ein extremes Hochwasser und Rheinwasser stand hier kniehoch. Die Jahre danach gab es alle drei, vier Jahre Überschwemmungen. Es waren entweder Rheinhochwasser oder Überflutungen über den Schwarzbach mit Regenfällen aus dem Gebiet um Langen / Mörfelden. 

1882/83 erlitt Nauheim ein weiteres außergewöhnliches Hochwasser, schlimmer als das von 1784. Es war so einschneidend, dass fünf Hochwassersteine im historischen Ortsteil noch heute davon zeugen, wie hoch damals der Wasserstand war. Auch am rechten Scheunenpfosten in der Vorderstraße 13 zeigt eine Markierung den damaligen Wasserhochstand an. Schon im Sommer 1882 regnete es in ganz Deutschland ausgiebig, die Böden konnten kein Wasser mehr aufnehmen. Alle Flüsse führten Hochwasser. Am 29. Dezember 1882, mittags, brach der Damm an der neuen Schwarzbachschleuse bei Astheim. Gegen Abend kam das Rheinwasser von dort den Schwarzbach herauf und strömte über die Uferdämme auf die Felder. Mit äußerster Anstrengung wurde nun Tag und Nacht an einem Notdamm um das 1.400 Einwohner zählende Dorf Nauheim herum gearbeitet. Alles wurde durch mehrmaliges Sturmläuten zusammengerufen. Auch Königstädter wurden einberufen. Die Pferde mussten bis zur Erschöpfung Sand herbeifahren. Doch alle Mühe war vergeblich. Die Leute aus den bedrohten Ortsteilen trieben am 31. Dezember ihr Vieh in die Vorstadt. In der Neujahrsnacht fiel das Wasser wieder, infolge eines Bruchs am linksseitigen Damm des Landgrabens in Wallerstädten, wodurch es nach Leeheim und Geinsheim abgeleitet wurde.

Am 1. Januar 1883 holten viele ihr Vieh wieder zurück, um es nach sechs Stunden vor einer viel größeren Flut von neuem zu retten. Am 2. Januar brach der Landdamm am Hahnensand unterhalb Erfelden. Nun kam das Wasser des immer noch steigenden Rheins mit großer Gewalt unter den Eisenbahnbrücken hindurch über die ganze Gemarkung Nauheims. 30 cm überströmte es die Notdämme, kam in 65 Hofreiten mit Scheunen und Stallungen und drang in 25 Häuser ein.


Der einzige noch an ursprünglicher Stelle sitzende Hochwasserstein an der Flügelhecke (Seichböhl)

Es gab danach immer wieder Überschwemmungen und die unteren Wohnräume liefen voll. Diese Überflutungen sollen aber nicht einzeln aufgeführt werden. Unter der Herrschaft von Landgraf Ernst Ludwig (1668-1739) wurde der Baumeister Remy de la Fosse eingestellt, um damals bereits Hochwasserschutzmaßnahmen durchzuführen, z.B. um Rheindämme zu errichten. Aber seine Haupttätigkeit war dann doch Jagdschlösser für den jagdversessenen Fürsten zu bauen. Die 1858 eröffnete Ludwigsbahn mit ihrem Bahndamm diente nebenbei als Schutz, zumindest als zeitlich begrenztes Wasserhemmnis.  

Der untere Main war für Nauheim weniger gefährlich. Ein lückenloser eiszeitlicher Dünenzug von südwestlich Kelsterbach bis Nauheim schützte und schützt auch heute noch vor einem Mainhochwasser.

Der Hegbachsee, zur Gewinnung von Kies zum Bau der Autobahn 67 im Jahre 1964 entstanden, sollte als Regenwasserrückhaltebecken bei Hegbach und Apfelbach für einen gewissen Schutz der Gemeinde Nauheim sorgen. Aber schon 1965 lief er nach nicht nachlassendem Dauerregen das erste Mal über. Die Nauheimer Waldwiesen wurden überflutet. Die Dammkrone erhöhte man mit fünf Lagen Sandsäcken, was aber immer noch nicht reichte und die Wohnbebauung wurde nass. Das Wasser staute sich bis Mörfelden zurück, die B44 zwischen Groß-Gerau und Mörfelden war überschwemmt. Nach zwei Tagen ließen die Regenfälle nach und das Wasser zog sich langsam zurück.


Über die Überlaufschwelle wird das Hegbachseehochwasser abgeschlagen
        Fotos: Nauheim-Online

Das letzte Hochwasser, das den See überlaufen ließ, war im Januar 2003. An einigen Stellen des Hegbachseedammes drückte das Wasser durch, was an eine Verstärkung des Dammes denken ließ, aber in der Zwischenzeit wieder in Vergessenheit geriet. Zu jener Zeit trat auch der Schwarzbach über die Ufer und überdeckte die Spielwiesen um die Hochhäuser der Thomas-Mann-Straße. Die Schäden waren aber bedeutungslos.


Der Hehbachsee-Damm wurde von Feuerwehr und Landwirten mit Sandsäcken verstärkt

Im 20. Jahrhundert waren die schlimmsten Hochwasser 1955, 1965, 1970 und 1978, aber mit noch beherrschbaren Schäden.  

In den letzten Jahren wurden die Rheindämme so ertüchtigt, dass sie einem 200jährigen Hochwasser standhalten können. So kann man schlussfolgern, dass Nauheim vom Rhein her keine Gefahr mehr drohen dürfte. Für den Schwarzbachschutz dient das 2012 errichtete Pumpwerk „Rabenspitze“, das ertüchtigte Sperrtor bei Ginsheim und die dortige Pumpstation, um zu verhindern, dass sich Rheinwasser in den Schwarzbach drückt und die Ortslagen von Trebur und Nauheim überschwemmt. Der Schwarzbach dürfte auf Grund diverser Entlastungsgräben vor der bebauten Ortslage und noch genügend zu schaffenden Retensionsraum in den Königstädter Wiesen danach keine allzu große Gefahr mehr bilden.

Die neue Gefahr bilden Starkregenereignisse, wie Nauheim das letzte am 13.7.2006 erlebte. Das knapp eine Stunde dauernde Gewitter mit Platzregen, eingestuft als 50jähriges Regenereignis, sorgte für überlastete Abwasserkanäle, voll gelaufene Keller und Tiefparterre und verursachte erhebliche Schäden, weil die große Regenwasserpumpe in der Pumpstation Waldstraße nicht funktionierte. Die Feuerwehr hatte 160 Einsätze zu bewältigen. Die Folge aus diesem Unwetter war eine Vergrößerung dieser Pumpstation, Umbau und Erweiterung einiger Abwasserkanäle, hauptsächlich im Wohngebiet “Ochsengrund”, zu einem höheren Entwässerungskomfort von fünf Jahren und mehr sowie der Bau eines neuen Versickerungsbeckens.


Die riesige Pumpe (Hintergrund) in der unterirdischen Pumpstation Waldstraße war funktionslos

Der 2006 überarbeitete Generalentwässerungsplan der Gemeinde Nauheim zeigt u.a. die Aufnahmekapazität der Abwasserkanäle und deren Fließrichtung auf. Dass die Gefahr von Überschwemmungen um Nauheim herum noch nicht gebannt ist, zeigt die Überschwemmungskarte von 1998, wonach vom Schwarzbach aus der Königstädter Wald als Überschwemmungsfläche dient. Südlich von Nauheim sind es die Wiesen und Ackerflächen. Hegbach und Apfelbach entwässern in die sie durchfließenden Waldgebiete bei Hochwasser. Aber da ist auch noch einiges zu tun.


 Überschwemmungskarte Schwarzbach jenseits der BAB 67 und in Ortsnähe in den Königstädter Wald


Aktueller Schwarzbachpegel in Nauheim

Quellen: Nauheimer Chronik I, H. Hock, S. 255 ff, Nauheimer Geschichten, H. Förster, S. 85 ff.