Lustsäule im Wald bei Groß-Gerau   

Die "Lustsäule" ist nicht das, was manche denken mögen, sondern ein Gedenkstein im Wald zwischen Groß-Gerau und Mörfelden. Dieses kulturhistorisch interessante Landschaftselement ist es wert, erwähnt zu werden. Man findet die Säule, wenn man von Groß-Gerau Richtung Mörfelden auf der B 44 nach dem Autohaus Nold und nach dem Versuchsgut rechts abbiegt. Man folgt dem Weg  Richtung Osten. Ca. 100 m nach dem Eintritt in den Wald erkennt man ein Hinweisschild "Denksäule". Der Waldschneise nach Süden folgend kommt man an eine kleine Lichtung. Dort steht auf einem zweistufigem Podest das Denkmal aus Sandstein. Es besteht aus einem kubischen Sockel, einer sich nach oben verjüngenden vierkantigen Säule und der Skulptur eines hessischen Löwens mit einem Wappenschild. Auf der Südseite der Säule ist folgender Text zu lesen:    

ZUM GEDÄCHTNIS DES LUSTLAGERS WELCHES UNSER DURCHL. HERR ERBPRINZ MIT DER GELIEBTESTEN FR. GEMAHLIN IN EINER ZAHLREICHEN FUERSTLICHEN GESELLSCHAFT IM JAHR 1782 IM MONAT AUGUST 12 TAGE LANG HÖCHST VERGNÜGT UND ZUR FREUDE DES VOLCKS AUF DIESEM FELD GEHALTEN HAT //  DIESE DENCKSÄULE SEZT DIE STATT GERAU FROLOCKEND ÜBER DIE GLÜCKSELIGKEIT UNSERER ZEITEN UND DER NACHKOMMEN // 1782.

Auf der Nordseite ist der gleiche Text in Latein eingemeißelt (mit dem Hinweis auf eine Restaurierung im Jahr 1990).

Beim "Erbpriz" handelt es sich um den späteren Landgrafen Ludwig X. —  ab 1806 Großherzog Ludwig I. (1753-1830; regierte ab 1790) und seine Gemahlin war Louise von Hessen-Darmstadt, seine Cousine (1761-1829).


Lustlager bei Groß-Gerau

Tatsächlich stand dabei weniger die Freude des Volks, als vielmehr die der Hofgesellschaft im Mittelpunkt, zu deren liebsten Unternehmungen die Jagd gehörte. Im frühen 18. Jahrhundert kam insbesondere die Parforcejagd in Mode, bei der das gehetzte Tier, meist ein Hirsch, erst nach einer stundenlangen Verfolgung zu Pferd und mit der Hundemeute erlegt wurde. Was Mensch und Material angeht, war das eine ungeheuere Verschwendung, denn die Bauern mussten der Jagdgesellschaft unter anderem als Treiber zur Hand gehen und dafür ihre eigentliche Arbeit ruhen lassen.
Zudem hetzten die Jäger das Wild oft quer über die Felder und zerstörten auf diese Weise die Ernte. Nach jahrelangen Protesten der Bevölkerung errichtete die Stadt Groß Gerau 1771 daher einen umzäunten Wildpark. Aber auch die Fürsten hatten letztlich ein Einsehen. Nach dem Tod des als "Jäger-Landgrafen" bekannten Ludwig VIII. schaffte sein Nachfolger Ludwig IX. im Jahr 1768 die kostspielige        Parforcejagd wieder ab.

Der Hessische Löwe mit Wappenschild 
auf der Spitze der Lustsäule

Das Lustlager von 1782 musste also mit weniger aufwendigen Jagdvergnügungen auskommen. Dennoch kam es die Groß-Gerauer teuer zu stehen. Die erinnerungsträchtige ,,Lustsäule" wurde auf Druck eines Rüsselsheimer Hofrats widerstrebend aus der Stadtkasse bezahlt. Außer ihr erinnert auch ein Ölgemälde von Johann Heinrich Schmidt, das im Schlossmuseum in Darmstadt hängt, an das Ereignis vor den Toren der Stadt. Das Bild in Öl auf Leinwand zeigt eine Jagdgesellschaft vom August 1782. In dessen rechter unterer Ecke sind angeblich Kriegsrat Johann Heinrich Merck, Ahnherr der Darmstädter Pharmaunternehmer, und sein noch junger Freund, Johann Wolfgang Goethe, abgebildet. Zählten die beiden wirklich zu den Gästen des Lustlagers? Man weiß es nicht so genau.


Gemälde von Johann Heinrich Schmidt: 1782 August / Lustlager unter Teilnahme von
Johann Wolfgang v. Goethe (1749-1832), Johann Heinrich Merck (1741-1791) und dem Maler Johann Heinrich Schmidt (1757-1821)
Das Originalbild befindet sich im Schloss-Museum Darmstadt