Pressestimmen:

 Würdiger Rahmen für die ersten Stolpersteine

Gedenken – In Nauheim werden die ersten Exemplare verlegt – Mahnende Worte und ganz viel Lob


Vollbracht: Künstler Gunter Demnig poliert die von ihm erfundenen und am Samstag in der Hintergasse 2
verlegten Stolpersteine zum Gedenken an jüdische NS-Opfer.
Foto: RAINER BEUTEL

Unter großer Anteilnahme vieler Bürger und in einem würdigen Rahmen sind am Samstagmorgen in Alt-Nauheim acht sogenannte Stolpersteine verlegt worden. Sie erinnern an jüdische Opfer in der Nazi-Zeit.

Mehr als 120 Bürger hatten sich am Samstagmorgen zunächst in der Hintergasse getroffen, um an Bürger jüdischen Glaubens zu gedenken, die von den Nazis drangsaliert, deportiert und getötet wurden. Dazu wurden dort und später auch in der Vorderstraße Stolpersteine verlegt, die an das Schicksal dieser Menschen erinnern.

Mehrere Anwesende äußerten sich überrascht, dass die vom Heimat- und Museumsverein organisierte Gedenkveranstaltung so viele Menschen bewegt hat. Auch Landrat Thomas Will und Bundestagsabgeordneter Franz Josef Jung waren gekommen. Erschienen waren auch viele Gemeindevertreter und Beigeordnete sowie Vertreter von Vereinen. Auffällig waren zahlreiche Bürger, die sonst bei offiziellen Anlässen der Gemeinde eher fehlen. Extra begrüßt wurden Vertreter des Fördervereins jüdischer Geschichte und Kultur im Kreis Groß-Gerau.

„Man will schreien, doch man bleibt stumm“

Vor der vor einigen Jahren angebrachten Gedenktafel in der Hintergasse hatten sich um 9 Uhr mehr als 120 Erwachsene und Jugendliche versammelt, um mit ihrer Anwesenheit auch das auszudrücken, was die evangelische Pfarrvikarin Stefanie Bischof in einem gemeinsamen Gebet mit dem katholischen Pfarrer Christof Mulach betonte: „Wir möchten schreien, doch der gewaltsame Tod unserer Mitmenschen macht uns stumm.“

Äußerlicher Ausdruck des Gedenkens sind nun acht gold glänzende Stolpersteine, die von dem Künstler Gunter Demnig in das Pflaster eingelassen wurden. Nauheim war bei dieser Aktion die 999. Kommune in Deutschland, am Samstag folgten noch Trebur und Riedstadt. Demnig erzählte, dass es in ganz Europa mittlerweile knapp 50 000 Stolpersteine sein müssten. Der Mann verdiene mit dieser künstlerischen Aktion aber auch sein Geld, betonen immer wieder einmal Kritiker aus Kreisen jüdischer Organisationen. Auch in Nauheim wurde darüber – hinter vorgehaltener Hand – gemunkelt.

Dennoch: Maßgeblich sei das Symbol, betonte zunächst Bürgermeister Jan Fischer. Bei jedem Schritt und Tritt würden die Menschen daran erinnert, welch schreckliches Unrecht damals geschehen sei. Fischer dankte besonders Ortschronist Karl-Heinz Pilz, dessen Recherchen über den gewaltsamen Tod jüdischer Menschen aus Nauheim dazu geführt haben, dass die Lebensläufe von Hugo und Johanna Neumann, Else Mayer und Kurt-Siegfried Neumann, Bernhard und Bertha Marx, Erika und Margot Marx überhaupt näher bekannt geworden sind. Schüler verlasen Aufzeichnungen, die ihre Schicksals beschrieben. Vor allem Nachkommen der NS-Opfer schienen davon am Samstag bewegt.

„Noch heute gefriert das Blut den Adern“

Während Fischer in der Aktion ein „deutliches Zeichen für Miteinander und Toleranz“ erkannte und dazu aufrief, das Erinnern zu nutzen, auch etwas gegen die Verfolgung von Minderheiten in anderen Ländern zu unternehmen, rüttelte die frühere Nauheimer Pfarrerin und heutige Dekanin Birgit Schlegel am Gewissen: Die besondere Form des Erinnerns mache deutlich, dass die Opfer ein Teil der Gesellschaft waren und ihnen in einer Spirale von Gewalt und Demütigung die Würde und das Leben genommen worden seien. Das reiche eigentlich schon, „um uns heute das Blut in den Adern gefrieren zu lassen“. Aber die Zeit von Antisemitismus und Ausgrenzung sei nicht vorüber. „Tun wir etwas dagegen“, forderte sie.

Die Finanzierung der Stolpersteine war möglich geworden, weil sich einige Nauheimer dazu bereit erklärt hatten, die Kosten zu übernehmen. Die Paten Ute Ernst-Hummel, Wilfried Ernst, Ute Ansahl-Reissig, Rosel Wolk, Wolfgang Fenske und Peter Pfundstein, der allein vier Stolpersteine bezahlte, erhielten Urkunden und Rosen, die sie an den Häusern in der Hintergasse 2 und in der Vorderstraße 30 niederlegten.

Umrahmt wurde die Feierstunde mit Musikstücken der Gruppe „Leichtes Blech“. Ute Ansahl-Reissig, Vorsitzende des Heimat- und Museumsverein, formulierte abschließend ein jüdisches Gebet, moderiert wurde die Veranstaltung von Museumsvereinsvorstands-Mitglied Hans Joachim Brugger.

Quelle: Rüsselsheimer Echo v. 17.11.2014. — Autor: Rainer Beutel


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