50 Jahre St. Jakobus d.Ä. in Nauheim

Eine zweite Kirche für Nauheim: Die katholische Gemeinde entsteht

Auf die vielen Vertriebenen geht zurück, die sich in der Nachkriegszeit in Nauheim niederließen, dass nach der Reformation 1517 wieder katholische Gottesdienste in der Gemeinde stattfinden. Die Zahl der Katholiken in dem zuvor vorwiegend protestantischen Nauheim wuchs in den Nachkriegsjahren schnell auf 1153 (1951) an. Im Jahre 1925 bekannten sich lediglich 51 Nauheimer zum katholischen Glauben. Dieser drastisch erscheinende Anstieg wird durch das ebenfalls im Gemeindearchiv vorliegende Ergebnis der Volks- und Berufszählung aus dem Jahre 1950 relativiert. Demnach müssten in Nauheim vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges und bis zum 1.September 1939 sogar schon 208 Bürger katholischen Glaubens gewesen sein.

Ohne ein eigenes Gotteshaus fand die katholische Gemeinde, die sich bis 1989 auf 3029 Seelen vergrößerte, in der evangelischen Kirche Unterschlupf. Was später von Pfarrer Jakob Hofmann, dem Verfasser der "Chronik von Nauheim", als ein "Zeichen echter Brüderlichkeit" gewertet wurde, fand am
23. März 1947 seinen Anfang mit der ersten katholischen Messe in der 1753 erbauten evangelischen Kirche Nauheims. Wenig später, am 2. Juli 1947, zog Dechant Johann Höfner, der katholische Geistliche, in das evangelische Pfarrhaus ein und hielt von da an regelmäßig in Nauheim die Heilige Messe. Die Nutzungsrechte von Pfarrhaus und Kirche wurden vertraglich geregelt. Die erste Firmung in der evangelischen Kirche fand im Jahre 1950 statt, aus diesem Anlaß kam auch der Bischof Dr. Albert Stohr in die Musikgemeinde.

In dieser Zeit müssen sich Dechant Höfner und die Mitglieder des späteren Kirchenstiftungsrates bereits mit dem Gedanken getragen haben,eine eigene Kirche zu bauen. Unter der Regie des Kirchenstiftungsrates, der aus Josef Dörfler, Anton Hartl, Fritz Jütte, Otto Pohler und Karl Sander bestand, wurde am 31. März 1952 im damaligen Neubaugebiet "Unter der Muschel" von der Diözese Mainz Baugelände für Pfarrhaus und Kirche erworben. Der Bauplatz hatte eine Fläche von 2056 Quadratmetern und wurde Eigentum der katholischen Kirche Groß-Gerau, Lokalkaplanei Nauheim. Nach Groß-Gerau mußten die Nauheimer Katholiken seit jeher, um die Messe zu besuchen. Die Katholische Kirche zahlte damals 1,72 Mark für den Quadratmeter, zuzüglich eine Abschlagszahlung von 401,50 Mark für die auf dem Gelände stehenden Obstbäume. In einem Bittschreiben an die politische Gemeinde erbat der Kirchenstiftungsrat einen finanziellen Zuschuss zum Kirchenbau. Zunächst wurde das Pfarrhaus errichtet, das 1954 fertiggestellt wurde und von Dechant Höfner gemeinsam mit seiner Schwester und der damals 83jährigen Mutter bezogen wurde. Im Dezember des darauffolgenden Jahres genehmigten die Kirchenbehörden in Mainz schließlich auch den Plan für den Kirchenbau, entworfen vom Darmstädter Architekten Josef Leibl. Das Gotteshaus sollte 30 Meter lang und 14 Meter breit werden, 300 Sitzplätze erhalten und im Ganzen 400 Personen Platz bieten. So konnte am Ostermontag, 2. April 1956, feierlich der erste Spatenstich erfolgen. "Anno domini 1956" lautet die Inschrift des Grundsteines, der am 3. Juni seinen Platz im noch frischen Gemäuer erhielt. Anwesend waren unter anderen Bürgermeister Georg Schad, der evangelische Pfarrer Häres, der Kirchenstiftungsrat, Architekt Leibl und natürlich Dechant Höfner.

Die vom Kirchenstiftungsrat, Dechant Höfner und Architekt Leibl unterzeichnete Grundstein-Urkunde enthält einen kurzen Abriß über die Entstehung der katholischen Kirchengemeinde in Nauheim und begann mit folgenden Sätzen: "Im Namen der allerheiligsten Dreifaltigkeit, zu Ehren der lieben Muttergottes Maria und des heiligen Apostels Jakobus wurde am 3. Juni 1956 im 18. Jahre des glorreichen Pontifikates Papst Pius XII. im Auftrag des hochwürdigsten Bischofs von Mainz, Dr. Alber Stohr, der Grundstein für die St.?Jakobus?Kirche in Nauheim gelegt. Die Weihe vollzog H. H. Geistl. Rat Jung, Rüsselsheim, wobei H. H. Domkapitular Schwalbach, Mainz, die Predigt hielt".

Mit unzähligen Arbeitsstunden griffen die katholischen Gläubigen zur Selbsthilfe und unterstützten die mit den Bauarbeiten beauftragte Firma Hummel. Nach fünfmonatiger Bauzeit lautete im Herbst 1956, als der Rohbau fertiggestellt war, die Überschrift eines Zeitungsartikels: "Denkmal des Opfergeistes - Nauheims katholische Kirche unter Dach und Fach." Im Text heißt es weiter: "Besonders stolz ist man in Nauheim über die geleistete Selbsthilfe. Viele freiwillige Helfer haben das Gotteshaus zu einem Denkmal des Opfergeistes der ganzen Pfarrgemeinde gemacht."

Ein Wohltätigkeitskonzert zugunsten des Kirchenbaues fand am zweiten Adventssonntag 1956 in der Sporthalle statt. Der Musikverein und andere Kapellen wirkten unentgeltlich mit. Die Veranstaltung erbrachte damals einen Gewinn von 1.510,72 Mark. Immerhin war der Kirchenneubau mit 140.000 Mark veranschlagt worden. Wegen einer finanziellen Unterstützung hatte sich der Kirchenstiftungsrat bereits im Dezember 1955 an die politische Gemeinde gewendet. Im Schreiben des Stiftungsrates vom 12. Dezember 1956 heißt es: "Da die Katholiken durch ihre Schaffenskraft zweifellos schon viel zum sozialen Aufstieg der Gemeinde beigetragen haben und noch immer beitragen, so erlaubt sich der gefertigte Kirchenstiftungsrat im Namen aller Katholiken, zwecks Ermöglichung der Durchführung ihres Vorhabens die Gemeinde um ihre gütige Beihilfe zum Kirchenbau durch geneigte Gewährung eines nennenswerten Zuschusses zu bitten, wie dies auch die anderen Gemeinden tun. Dies aus dem Bewusstsein heraus, dass ja auch eine Kirche als öffentliches Heim einer großen Anzahl der Ortsbewohner dem Ortsbild eine besondere Zierde ist."

In einem Nachtrag zu seinem Schreiben schlüsselte der Kirchenstiftungsrat in einer Aufstellung vom 25. Januar 1956 seine Berechnungen für den Kirchenneubau auf. Zu diesem Zeitpunkt waren erst rund 102.000 Mark der insgesamt auf 137.545 veranschlagte Bausumme gedeckt. Von der Diözese Mainz waren 60.000 Mark zugesichert worden, der Bonifatiusverein Paderborn hatte 30.000 Mark versprochen. Aus eigenen Mitteln wollte die katholische Gemeinde 10.000 Mark aufbringen und 2.000 Mark erhoffte man sich aus Spenden während des Gottesdienstes. Weitere Ausgaben standen durch die noch nicht veranschlagte Inneneinrichtung wie Bänke, Heizung und Orgel ins Haus.

Der Gemeindevorstand fasste daraufhin in seiner Sitzung vom 15. Februar 1956 den Beschluss, der Gemeindevertretung vorzuschlagen, im Haushaltsplan 1956 eine Beihilfe von 10.000 Mark für den Kirchenneubau vorzusehen. Bei diesem Betrag blieb es jedoch nicht. In den Haushaltsberatungen für das Rechnungsjahr 1956 beschloss die Gemeindevertretung in ihrer Sitzung vom 16. April 1956 der katholischen Kirchengemeinde einen Zuschuss von nur 5.000 Mark zu zahlen. Der Mainzer Bischof Dr. Albert Stohr war es, der am 26. Mai 1957 die neue Kirche feierlich konsekrierte (weihte), die Außenweihe hatte bereits am Tag zuvor stattgefunden. Der Bischof zelebrierte ein feierliches Hochamt unter Mitwirkung des Kirchenchores und des Musikvereins. Während der Konsekration wurden im Altarstein Reliquien der Heiligen Auctus und Bonifatius eingelassen.

Quelle: Nauheimer Spurensuche, Band 1, Autoren: Hartmut Reitz und Udo Pfeifer

 
  

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