Die Nauheimer Ortschronik I 

Zeitraum: 1945 – 1970

 von Hermann Reitz, Bürgermeister a.D., Nauheim

Inhalt:

Ortschronik der 1960er Jahre
Ortschronik der 1970er Jahre

Ortschronik der 1980er Jahre
Ortschronik der 1990er Jahre
Ortschronik der 2000er Jahre

Kriegsgeschehnisse in und um Nauheim.

Der 2 .Weltkrieg hinterließ, wie überall, auch in Nauheim seine Spuren. Schon im Jahre 1940 erlebte Nauheim, jedoch ohne größeren Schaden, die ersten Brand- und Sprengbombenangriffe durch alliierte Bomber. So in der Nacht des 23. August und in der Nacht des  9. November.

Das Ziel von Bombenangriffen war Nauheim jedoch nicht direkt. Doch in den Folgejahren mussten die Nauheimer noch Bombenangriffe auf Rüsselsheim in der Nacht zum 30. August 1941, sowie in der Nacht zum 21. Dezember 1943 auf Trebur erleben. Der 20 Minuten dauernde große Angriff alliierter Bomber auf Königstädten geschah in der Nacht vom 12. auf 13. August 1944. Die Wucht des Angriffes war so stark, dass man in Nauheim glaubte, das Ende sei gekommen. Bomben in der Nauheimer Gemarkung fielen meistens in den Wald, sodass noch acht Tage nach dem Angriff der Wald brannte.

Direkte Bombenangriffe auf Nauheim geschahen am 19.September 1942, als in Ortsnähe einige Minen und Stabbrandbomben niedergingen. Schaden jedoch wurde im bewohnten Ortsteil nicht angerichtet. Damals zählte man alleine bei diesem Bombenabwurf 28 Blindgänger. Städte und Gemeinden in der unmittelbaren Umgebung wurden noch 1944 wiederholt angegriffen. Erwähnt seien hier die Angriffe auf Groß-Gerau-Rüsselsheim-Mainz-Darmstadt, wobei auch einige abgeschossene Feindbomber in Nauheims Gemarkung niedergingen. Es war die im Raum Rüsselsheim stationierte 21. Flakdivision, die mit ihren 76 Geschützen vor den alliierten Bombern schützen sollte und die Feindmaschinen zum Absturz brachte.

Besonders schwer war der Angriff auf Frankfurt in der Nacht des 21. März 1944. 1000 Bomber werden an diesem Tag in England mit der tödlichen Fracht beladen. Darunter auch erstmals der neue Lancaster- Bomber, der in der Lage ist eine 12000 Pfund schwere Mine ( 6 Tonnen) in Feindesland zu bringen. Es war 21:40 Uhr als über Frankfurt der Befehl zum Angriff gegeben wurde und insgesamt, außer der 6 Tonnen Mine, noch 42 Minen à 500 kg, 122 Spreng-bomben à 1.000 kg, 1.100 kleinere Sprengbomben, 12.000 Flüssig-keitsbomben und 120.000 Stabbrandbomben auf die Stadt niederprasselten. Die Luftab-wehr rund um Frankfurt feuerte auf die Angreifer aus 4.000 – 5.000 Flakgeschützen, deren Feuer aber zu niedrig lag und die Feindmaschinen nicht erreichen konnte. In dieser Nacht starben in Frankfurt 4.822 Menschen.

Ein weiterer, sehr schlimmer, Angriff amerikanischer Bomber ereignete sich am Samstag, dem 13. Januar 1945, auf die Gemeinde Bischofsheim. Aus einer Höhe von  sieben bis acht Kilometer prasselten aus 143 Bomberschächten die totbringende Fracht hernieder. So detonierten 294 Tonnen Sprengstoff  in den Bahnanlagen, auf den Straßen, und den Feldern, die ganze Straßenzüge unter sich begruben. Sie zerfetzten dabei Menschen, die sich ängstlich in die Bunker flüchteten. Bei diesem Luftangriff kamen 104 oder 158 Menschen ums Leben. Die Angaben zu der Anzahl der Opfer sind widersprüchlich.

Eine Zeitzeugin berichtet:

„Schnell in den Keller! Kaum waren wir dort begann das Inferno. Bombenkrachen, Flakfeuer, die Erde bebte. Zusammengekauert hockte die ganze Familie auf dem Kellerboden. Jeden Augenblick dachten wir, das Haus stürzt über uns zusammen. Auf einen Schlag konnten wir alle ausgelöscht sein.“

Im amerikanischen Zielgebiets-Informationsblatt vom 5. März 1944  heißt es:

Das Ziel liegt eine Meile südlich des Mains, drei Meilen östlich von der Stelle, wo er in den Rhein mündet. Die auffälligsten Orientierungsmarken sind natürlich die beiden Flüsse, besonders der Zusammenfluss.

Das Zielgebiet ist etwa 1,5 Meilen lang und erstreckt sich von Nordwesten nach Südosten. Es handelt sich um einen Bahnhof; seine Rangieranlagen liegen am südöstlichen Ende. Ein wenig westlich davon, auf der Südseite des Bahnhofs, sind zwei Lokomotivschuppen. Es gibt keine Hindernisse für Tiefflieger in der unmittelbaren Umgebung des Ziels. Der Bahnhof liegt in offenem Gelände, mit Ausnahme seines nordwestlichen Endes, das an das Dorf angrenzt. Bischofsheim ist zum Zielobjekt geworden, da es einer der bedeutendsten  Verschiebebahnhöfe im süddeutschen Raum und Drehscheibe des Nachschubs für die Westfront ist, mit 3200 rangierten Waggons pro Tag und einer Auslastung von 80 %.

Das Nest, so sagen die Amerikaner, heißt: “Bischofsheim near Mainz“,  Länge: 49 Grad  59 Minuten, Breite: 8 Grad 22 Minuten: Höhe: 280 Fuß.
Die entsprechenden drei Fotos der Luftaufklärung wurden dem Angriffsbefehl beigefügt.

Durch die Bombardierung der Städte wurden auch  viele Menschen in die intakt gebliebenen Gemeinden evakuiert. Eine davon war die Familie des späteren Nauheimer Bürgermeisters Hermann Reitz, die in Mainz ausgebombt, in Nauheim 1945 eine neue Heimat fand. Seine Familie kam am 2. März 1945, mit all ihrem Hab und Gut auf einem zweirädrigen Handkarren, in Nauheim an. Sie bekam zunächst eine Bleibe bei Peter und Gretel Schupp, die in einem Holzhaus im Sägewerk Rüffer wohnten, wo auch Peter arbeitete. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Gemeinde schon eine Vielzahl französischer, polnischer, holländischer und russischer Kriegsgefangenen, darunter auch Frauen aufgenommen.

Eine Woche vor dem Einmarsch der Amerikaner, in der Woche vor Palmsonntag, errichtete man, unter Mithilfe der Kriegsgefangenen, an den Straßenausgängen noch Panzersperren, um den, den deutschen Truppen weit überlegenen Gegner, aufzuhalten.

Die Amerikaner kommen:

Dann kam der 23. März 1945. Ein sehr hektischer Tag in Nauheim. Man baute noch an den Panzersperren und der Kanonendonner der Front kam immer näher und wurde lauter. Die Nauheimer Parteibonzen der NSDAP, von denen es auch in Nauheim reichlich gab, riefen nochmals alle wehrfähigen Männer ab 15 Jahre auf, sich zum Volkssturm zu melden. Sie selbst aber suchten das Weite. Schon vorher, in der Woche vom 11. - 18. März werden durch Aufruf die sogenannte „Heimatfront“ des Kreises zu Volkssturmkompanien zusammengezogen. Bereits am Samstag, dem 17. März, marschiert der gesamte Volkssturm des mittleren und nördlichen Kreisgebietes nach Bauschheim, um beim Barrikadenbau am Brückenkopf Oppenheim eingesetzt zu werden. Etwa 1000 bis 2000 Jungen wurden damals in Bauschheim zusammengezogen. 

Über dem Kreisgebiet, so auch über Nauheim, zogen unaufhörlich feindliche Tiefflieger (Doppelrumpf-Lightnings) ihre Bahnen und schossen auf alles, was sich nur am Boden bewegte. Ebenso wurden ständig militärische Ziele im Kreis Groß-Gerau durch alliierte Bomber angegriffen.

Bei Oppenheim über den Rhein.

In  Windeseile verbreitete sich das Gerücht, die Amerikaner hätten,  bei Beginn der Nacht, bei Oppenheim den Rhein überquert. An diesem Abend kamen auch noch SS-Angehörige durch Nauheim, um alle Männer, die sich vom Volkssturm drückten, festzunehmen und wegen Kriegsdienstverweigerung vor das Militär-Schnellgericht zu stellen. Solche Drückeberger, wie die SS diese Menschen nannten, wurden meistens wegen Hochverrat auf der Stelle erschossen.

Es stimmte, die Amerikaner waren in der Nacht zum 23. März 1945, südlich von Mainz bei Oppenheim mit 6 Batallionen der 5. amerikanischen Infanteriedivision, unter dem legen-dären General Georg S. Patton, von den Deutschen Truppen fast unbehelligt, über den Rhein gesetzt. Für die Amerikaner war dies ein historischer Moment, betrachteten sie doch den Rhein als Grenze zu Deutschland. Die Gesamtverluste der Amerikaner waren acht Gefallene und 20 Verwundete.

General Patton jedoch fuhr mit seinem Jeep über die erste, von den Amerikaner gebaute, Pontonbrücke, hielt in der Mitte des Flusses an, um in den Rhein zu pinkeln. Dabei soll er sich wie “Wilhelm der Eroberer“ gefühlt haben. Am anderen Ufer des Rheins stolperte er, wie berichtet wird, absichtlich, um deutsche Erde aufzunehmen.

Der Vormarsch der Amerikaner war nun nicht mehr aufzuhalten. Eine Gemeinde nach der anderen wurde von den Amerikanern eingenommen. An diesen Tagen wurden aus den verschiedensten Gemeinden noch Evakuierungen gemeldet von Menschen und Familien, die den Amerikanern nicht in die Hände fallen wollten.

In Geinsheim, wo hinter dem Ort eine deutsche Artillerieabteilung in Stellung gegangen ist, kommt es, durch Beschuss deren Stellungen, zu Kämpfen mit den Amis. Doch bereits nach kurzen und heftigen Kämpfen geben die Verteidiger, mangels fehlender Munition auf  und ergeben sich den Amerikanern. Zu Kämpfen kommt es auch in Leeheim, Wallerstädten  und der Hessenaue. Die Stadt Groß-Gerau wird von den Amerikanern mit fast 4.000 Artilleriegeschossen belegt. Im gesamten Kreisgebiet sterben in diesen Tagen durch Artillerieduelle 146 Zivilisten.

Ein besonders schlimmer Kampf ist, vor der Einnahme von Nauheim, in Trebur entbrannt. Ein entsetzliches Gemetzel  geschieht in den Straßen und Häusern .

Aus zwei umkämpften Häusern wurden 18 junge Menschen, Deutsche und Amerikaner, tot herausgetragen. Drei Tage lang trugen amerikanische Soldaten allein in Astheim 160 Leichen zusammen.

Die deutschen Kampftruppen standen unter dem Befehl  von Generalfeldmarschall Kesselring, der sein Hauptquartier in diesen Tagen in Groß-Gerau und  Generalmajor Runge, der sein Hauptquartier im “Königstädter Waldhaus“ hatte. Von einem Granatsplitter am 24. März getroffen, verstarb Runge sodann in seinem Hauptquartier.

Sechs Menschen am Kornsand ermordet.

Es war wahrscheinlich die Rachsucht des Niersteiner NSDAP-Ortsgruppenleiters Georg Ludwig Bittel, die die sechs unschuldigen Menschen in den Tod führte. Am 17. März stellte Bittel eine Liste seiner noch in Nierstein lebenden politischen Gegner zusammen, angeblich für ein Arbeitskommando am Brückenkopf. Am 18. März trieb eine „politische Staffel“ diese politischen Gegner, Ludwig Ebling, Johann und Cerry Eller, Georg Eberhard, Jakob Schuch und Nikolaus Lerch zusammen und brachte die Gefangenen über den Rhein an den Kornsand. Dort hatte der Leiter des Reichsschulungslagers der NSDAP, Schniering, das Kommando übernommen und ein aus Nierstein stammender Ordensjunker fingen die sechs Heimkehrenden, die vorher nach Darmstadt überführt und von der Gestapo am Morgen des 21. März wieder freigelassen wurden, an der Fähre ab. Nur Ludwig Ebling wurde durch einen Passagier der Fähre gerettet. Schniering inszenierte im Gasthaus an der Fähre einen Schauprozess, bei dem neben den fünf „Kommunisten“ auch der angeblich fahnenflüchtige Uhrmachermeister Rudolf Gruber zum Tode „verurteilt“ wurde. Die Gefangenen wurden zur Flakstellung getrieben, an der heute der Gedenkstein steht und von Hans Kaiser, dem gerade einmal 18 Jahre alten Adjudanten des abwesenden Kommandanten, in Sichtweite ihrer Heimat und an dem Tag als Nierstein von der amerikanischen Armee befreit wurde, erschossen. Erst 1949 wurden die Täter vor Gericht gestellt. Bittel wurde freigesprochen und Schniering erhielt eine lebenslange Freiheitsstrafe. Kaiser wurde mit 10 Jahren Gefängnis bestraft. Der flüchtige Funk wurde 1950 gefasst  und zu drei Jahren Gefängnis verurteilt.

An dem Feldweg, der im Treburer Ortsteil Kornsand, kurz vor der Fähre in Richtung Hessenau abbiegt, erinnert ein Gedenkstein an das Schicksal dieser sechs Menschen aus Rheinhessen (da sich dieses schreckliche Ereignis in den letzten Kriegstagen  im Umfeld von Nauheim ereignete, sollte es auch in der Ortschronik Erwähnung finden.)

Der Krieg ist aus - Deutschland hat kapituliert.

Auch in Nauheim hatten sich am 24. März 1945 am  Bahnhof ein Offizier mit seinen Soldaten eingefunden, um den Ort  gegen den Einmarsch der Amerikaner zu verteidigen. Viele Bürger jedoch fanden sich ein und redeten dem jungen Offizier zu, den Unsinn der Verteidigung, gegen eine militärische Übermacht  doch besser zu lassen. Der Offizier ließ sich überreden, zog sich mit seinen Soldaten, von denen fast nur jeder fünfte ein Gewehr besaß, bis zum Ortsausgang zurück und ergab sich, in Höhe der jetzigen Sandbergstraße, kampflos den Amerikanern.

Dieses Einlenken des jungen deutschen Offiziers bewahrte sicherlich Nauheim vor schlimmeren Kriegsgeschehen. Doch bei Granateinschlägen durch Artilleriebeschuss, wurden in Nauheim  neun Scheunen und zwei Wohnhäuser zerstört sowie fünf Personen getötet. Das Wochenende  des 24./25. März hat den Bewohnern nahezu aller Orte im Raum Darmstadt unmittelbare Feindberührung gebracht und gleichzeitig das Kriegsende beschert. So werden auch an diesem Wochenende in Nauheim, das den Krieg bis dahin gut überstanden hatte, mehrere Brände gemeldet. Diese entstanden durch Fliegerbeschuss, der eigentlich dem Kirchturm galt, wo die Wehrmacht einen Artilleriebeobachter in Stellung gebracht hatte. Es war in der Nacht zum Palmsonntag, dem 25. März 1945, als amerikanische Soldaten entlang des Schwarzbaches von Trebur kommend in Nauheim einmarschierten.

Ein Zeitzeuge, der Chronist, berichtet:

„Am Abend zum Palmsonntag konnten wir annehmen, dass in der Nacht die Amerikaner in Nauheim einmarschieren. Wir verzogen uns in unsere Unterkunft, ein in die Erde gebauter und mit Holzstämmen überdeckter Unterstand, im Sägewerk Rüffer. Andere Nauheimer erwarteten den Einmarsch in den Kellern ihrer Häuser.

Seitens der Einwohner bestand keine Furcht mehr vor den Nazis, denn die waren ja bereits abgehauen. Vielerorts sah man weiße Fahnen aus den Häusern heraushängen. Wir taten dasselbe mit weißen Bettlaken am Eingang unseres Splittergrabens, mit einem in englischer Sprache geschriebenen Schild. “Persons in Civil and only Women and Childrens are here.“ Damit wollten wir verhindern, dass nicht am Ende doch noch eine Handgranate in den Bunker fliegt.

Plötzlich des Nachts hörten wir ein bis dahin noch nicht gehörtes lautes Schießen und Zischen, gemischt mit Motorenlärm, der nur von Panzern herrühren konnte. Gewehr und Maschinengewehrfeuer peitschten in die Holzstapel des Sägewerks .

Worauf die Amerikaner da schossen wusste ich nicht, denn in Nauheim waren keine Verteidiger mehr. Sie kamen auf leisen Sohlen, die „Amis“ mit ihren Infanteristen aus Richtung Trebur, entlang dem Schwarzbach. Plötzlich sah ich die ersten Amis, vor denen man uns soviel Angst gemacht hatte.

Sie schauten, mit Gewehren und Maschinenpistolen im Anschlag, in den Bunker, suchten scheinbar nach Nazis, denn dieses Wort habe ich verstanden, nach Soldaten und Waffen. Die Amis verschwanden wieder mit vernehmlichen „OK – Hallo, let´s go“. Die Amerikaner sind da! Es war für uns wie ein Traum, wir umarmten uns, denn wir hatten es überstanden! Doch das Gefühl der Freude wurde überschattet von der bangen Frage: „Was kommt jetzt alles auf uns zu.“

Bei der Einnahme Nauheims stießen die Amis auch auf die errichteten Panzersperren. In der Weingarten-/Ecke Hügelstraße forderten die Soldaten die Bürger auf, sofort diese Sperren zu entfernen, oder die Panzer führen durch die Häuser. Am Morgen des Palmsonntags, dem 25. April, sah ich sie, die Amis mit ihren Panzern, aus der Straße der SA kommend, (so hieß die jetzige  Wilhelm- Leuschner-Straße), in der Bahnhofstraße bei der Gaststätte „Katharina“. Sie standen dort bedrohlich in Richtung Ortsausgang. Neugierig wagte ich mich an die Panzer heran.

Es herrschte dort ein für mich unverständliches Sprachgewirr. Überhaupt ging es in der Hauptstraße recht hektisch zu. Jeeps kurvten triumphierend die Hauptstraße rauf und runter. An mir vorbei fuhren zwei Ami-Trucks, beladen mit deutschen Kriegsgefangenen und über mir flogen Bomberverbände in Richtung Frankfurt.

Doch aus den Panzerluken beugten sich Soldaten heraus oder saßen ringsherum auf den Panzern. Ein schwarzer GI (so nannte man die US-Soldaten) entdeckte mich und rief mich zu sich. Er fragte mich in einen gebrochenem deutsch nach meinem Namen und nannte mir auch den Seinen. Er hieß Jack. Er fragte mich nach meiner Familie, wie viele Kinder wir sind und ob ich auch Papa und Mama habe. Ich bejahte all dies. Jetzt kroch er unter die Luke des Panzers und kam  mit Geschenken für mich wieder zurück. Er gab mir Butter, Kaffee, Marmelade, Erdnussbutter, Bonbons und Schokolade. Für meinen Vater gab er mir noch extra eine Packung amerikanischer „Camel-Zigaretten“ und nochmals extra für mich zwei Päckchen „Wrigleys Chewing Gum (Kaugummi). Das war also die erste Begegnung mit den Amerikanern, vor denen man uns soviel Angst gemacht hatte.“

Die Zeit danach bis zur Währungsreform 1948.

Allmählich begann sich in Nauheim das Leben, unter amerikanischer Besatzung, wieder zu normalisieren. Die  Kampftruppen zogen weiter und die Besatzungstruppen bezogen Quartier. In der Gaststätte Waldlust in der Waldstraße schlugen die Amerikaner dann ihr Hauptquartier auf. Auch sonst mussten viele Nauheimer ihre Anwesen räumen. So wurden besonders in der Bahnhofstraße, links in Richtung Trebur, die Häuser beschlagnahmt. In diese Häuser zogen Angehörige des amerikanischen CIA ein. Auch einige Häuser rechts der Königstädter Straße in Richtung Königstädten wurden von den Amerikanern in Beschlag genommen. Gleichzeitig wurde rechts über der Bahn im Anwesen der Küferei Jordan eine  Militärküche (Mess-Hall) für die Soldaten eingerichtet, die eine zunächst nach dem Einmarsch für die Kampftruppen mit Zelten errichtete Militärküche, im Feld hinter der Hügelstraße, ablöste. Die Einheit, die damals als sogenannte Nachhut der Kampftruppen, Nauheim besetzte, war die: “6811 th. Signal Security Detachment APO 757-US-Army“.

Beschlagnahmt waren auch einge Bauernhöfe am Rathaus zum Schwarzbach hin. Da die Amerikaner, die Lebensmittel betreffend im Überfluss lebten, warfen diese oft ganze Büchsen mit Cornedbeef, Breakfastmeat, (Frühstücksfleisch) Spinat und Anderem in den Schwarzbach, die dann zur Freude der Amerikaner von  hungrigen Nauheimer Buben wieder herausgefischt wurden. Es war ein besonderes Erfolgserlebnis für die Jungs, wenn es ihnen gelang, eine solche, oft mehrere Kilo schwere, Dose mit Fleisch aus dem Schwarzbach zu angeln und diese voller Stolz zuhause bei den Eltern zum Verzehr abzuliefern.

Auf dem Nauheimer Sportplatz wurde ein aus Armeezelten bestehendes Lazarett eingerichtet. Ein “Nauheimer Bub“ wurde sogar in diesem Lazarett von amerikanischen Ärzten notoperiert. Es war dies der Sohn Günter der Wirtin Ruhlands Marie. Soweit sich noch Nazis in Nauheim aufhielten, wurden diese verhaftet und teilweise auch deportiert.

Heinrich Kaul IV wird kommisarischer Bürgermeister.

Die nun herrschende Militärverwaltung setzte im April 1945 den Sozialdemokraten Heinrich Kaul IV. kommissarisch als Bürgermeister ein. Er behielt dieses Amt bis zum  15. Juli 1945. Ihm zur Seite stellte man  zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, eine aus Antifaschisten bestehende Polizeitruppe . Sie trugen auf einer weißen Binde am rechten Oberarm die Aufschrift „ Polizei“. Unter den Ordnungshütern dieser Tage befand sich auch der später zum Bürgermeister gewählte Georg Schad.

Durch einen Aufruf der amerikanischen Verwaltung mussten die Nauheimer Bürger sofort alle in ihrem Besitz befindlichen Waffen abliefern. Wer diesem Aufruf nicht folgte, musste mit erheblichen Strafen rechnen.

Bereits am  1. April 1945 fand in der überfüllten evangelischen Kirche der erste Gottesdienst statt, und am 15. April  feierte man bereits in dieser Kirche die  erste Konfirmation nach dem Kriege. An Pfingsten des gleichen Jahres hielt Chaplain  John K. Bender, den ersten amerikanischen Gottesdienst in der evangelischen Kirche ab. Am 8. Mai 1945 war endlich der Krieg offiziell zu Ende. Deutschland hatte kapituliert. Die Bilanz des von Hitler und den Nazis angezettelten Krieges war furchtbar.

Die Folgen des Krieges.

3 250 000 Angehörige der Wehrmacht sind getötet worden - 300 000 Zivilisten  kamen bei Luftangriffen ums Leben - insgesamt 1 550 000 Menschen aus dem Gebiet östlich der Oder – Neiße sowie 1. 000. 000 Volksdeutsche sind verschollen.

Der Krieg hat nach Überschlagsrechnung 657 Milliarden Reichsmark gekostet. Von 16 Millionen Wohnungen in Deutschland bei Kriegsbeginn sind 5 Millionen zerstört und 3,5 Millionen beschädigt. Die Alliierten haben 131 Städte angegriffen und dabei 1,3 Millionen Tonnen Bomben abgeworfen. Der Trümmerschutt beträgt etwa 400 Millionen Kubikmeter, 7,5 Millionen Menschen sind obdachlos. Zerstört sind 40 % der Verkehrseinrichtungen,
20 % der Produktionsstätten und 50 % der Schulen.

Zwei fünftel aller Deutschen befinden sich auf dem Rückweg in ihre Heimat, oder sind auf der Flucht bzw. werden aus ihren bisherigen Wohnsitzen ausgewiesen. In den Westzonen befinden sich als ehemalige Kriegsgefangene, Internierte und Zwangsarbeiter:  1,5 Millionen Russen, 600 000 Polen, 350 000 Italiener, 200 000 Holländer, 200 000 Belgier, 100 000 Jugoslawen, 60 000 Tschechen, 10 000 Luxemburger, 10 000 Griechen, 10 000 Dänen und 10 000 Norweger.

Auch Nauheim hatte seine Opfer. 15 % der eingezogenen Soldaten sind, wie berichtet wurde, gefallen. Viele sind noch in Gefangenschaft. Hinzu kommen die

fünf Toten durch Artilleriebeschuss, sowie die durch Geschosse  zerstörten Häuser und Wohnungen. Auch an der Nauheimer Schule waren die Dächer an drei Gebäuden beschädigt, sowie alle Fensterscheiben der sechs Schulsäle vollständig zertrümmert

Besonders schwierig gestaltete sich jetzt die Versorgung der Bevölkerung. Für alles, was der Mensch nötig brauchte, gab es weiterhin die Lebensmittelkarten und Bezugscheine. Der Schwarzmarkt, auf dem man sich alles besorgen konnte, blühte. Man erschrottelte sich was man brauchte durch Kauf oder aber durch Tausch. So kostete damals auf dem Schwarzmarkt: ein Kilo Butter RM 250.-   ¼ Pfund Bohnenkaffee RM 180 .-  1 Paar Damenschuhe RM 300.- und 20 Zigaretten RM 160 .- bis 200.-.

So geschah es auch, dass überwiegend hungrige Jugendliche, aber auch Erwachsene, an den amerikanischen Küchen standen um sich die Reste ihrer Mahlzeiten zu erbetteln. An den Geschäften war Schlangenstehen üblich in der Hoffnung, das Eine oder Andere zu ergattern. Zu erwähnen ist, dass in der Woche vom 9. - 15. Juli 1945 in Hessen-Nassau eine Sonderzuteilung von 2 Kilo Zucker zum Einkochen von Früchten ausgegeben wurde.

Die Gemeindeverwaltung  mit dem  Bürgermeister hatte damals keinen leichten Stand. Es galt vor allem den Anordnungen und Aufrufen der Amerikaner, die jetzt das befreite Deutschland demokratisieren wollten, Folge zu leisten. Antifaschistische Ausschüsse, besonders zur „Befreiung vom Nationalsozialismus“, mussten 1946 gebildet werden um die Arbeit der Spruchkammern zu erleichtern. Mit der Demokratisierung hatten es die Amerikaner ziemlich eilig.

Pfarrer Daum und Fritz Förster werden kommisarich Bürgermeister.

Am 16.Juli 1945 wurde Pfarrer Friedrich Daum  als kommissarischer Bürgermeister eingesetzt, der dann Ende September 1945 von dem vom nationalsozialistischen System in Gefängnissen und Konzentrationslager eingesperrten und drangsalierten,Kommunisten Fritz Förster, ebenfalls kommissarisch von den Amerikanern eingesetzt, bis 15. Februar 1946 sein Amt inne hatte, abgelöst wurde.

Bereits in der Zeit vom 7. bis 13 April 1945 wurden von der Militärregierung Landräte in den einzelnen Kreisen eingesetzt. Im Kreis Groß-Gerau war es der Sozialdemokrat Jean Harth. Am Tag der Kapitulation, dem 8. Mai 1945, erhielt Professor Ludwig Bergsträßer den offiziellen Auftrag zur Regierungsbildung in der Region Starkenburg. Am 19. Oktober 1945 lesen wir in der „Frankfurter Rundschau“:

„Die Regierung für Groß-Hessen, die unter dem Ministerpräsidenten Dr. Karl Geiler steht, wurde am Dienstag im Landeshaus feierlich eingesetzt.

Groß-Hessen umfasste damals das gesamte Land Hessen östlich des Rheines, die Enklave von Oberhessen sowie die gesamten alten östlichen Ufer des Rheines. Der Rheinhessenanteil des Landes Hessen, westlich des Rheins, ist den Franzosen bei der Aufteilung Deutschlands in Besatzungszonen, die bereits im Juni 1945 gebildet wurden, übergeben worden.

Die Tätigkeit der Verwaltung in Nauheim erstreckte sich im Jahre 1 nach Kriegsende im besonderen auf die Versorgung der Einwohnerschaft mit Lebensmitteln, die Beseitigung von Kriegsschäden, die Beschaffung von Baumaterialien, die es, wie viele andere Güter, auch nur auf Bezugscheine gab. Zu dieser Zeit, im Juni 1945, wurden im Verordnungs- und Anzeigenblatt von der deutschen Regierung der Provinz Starkenburg folgende Erzeugerpreise festgesetzt: 1 Kilo Spargel 1. Sorte  RM 1, Spargel der 4. Sorte  RM o,33

Süßkirchen der Preisgruppe 1  pro Zentner RM 34, Erdbeeren  1 Zentner für 60 Reichsmark.

Nachdem nun die tschechoslowakische Regierung bekannt gab, dass die Bestimmungen für Deutsche keine Anwendung gegenüber Österreichern fänden, beginnen am 14. Juni die Ausweisungen der Sudetendeutschen, die zumeist zuvor bereits in Lager gebracht wurden. Diese obengenannten  Bestimmung sollte dann auch im Jahre 1946 die Gemeinde Nauheim vor die Bewältigung einer großen Aufgabe stellen.

Die Schule beginnt wieder.

Am 1.Oktober 1945 begann in Nauheim wieder die Schule, die seit dem 20. März geschlossen war. Anfangs konnte jedoch wegen der Kriegsschäden in den anderen Sälen, nur in einem Saal unterrichtet werden. Auch konnte nur ein Lehrer zum Unterricht zugelassen werden, da dieser nicht der NSDAP angehörte. Es war dies der schon 69-jährige Lehrer Johannes Merle. Wie in allen anderen Schulen Deutschlands fand auch in der Nauheimer Schule in dieser Zeit eine Schulspeisung statt.

Ein Zeitzeuge erzählt:

In den Hungerjahren 1945/46 wurden von den USA Lebensmittel für die deutschen Schulkinder gespendet. Die Schulspeisung wurde eingeführt. In Nauheim wurde durch drei Frauen in der Waschküche der Lehrerwohnung im Kupferkessel eine nahrhafte Fleischsuppe gekocht. Zur Abwechslung gab es auch Kakao mit Keksen. In der großen Pause traten die Kinder mit ihren Essbechern zum Frühstück an“.

(aus der Festschrift „400 Jahre Schule in Nauheim“1993)

Am 5. Oktober desselben Jahres findet in Wenningen an der Deister die erste Gesamtkonferenz der deutschen Sozialdemokraten seit Ende der Weimarer Republik statt. Maßgebende Persönlichkeiten dabei waren Kurt Schuhmacher und Erich Ollenhauer. Am 14. November 1945 beginnt in Nürnberg  der Kriegsverbrecherprozess. Am 14. Dezember 1945 findet in Bad Godesberg die „Reichskonferenz“ der CDU mit deren Gründung statt.

SPD- Ortsverein  und Arbeiterwohlfahrt in Nauheim wieder gegründet.

Am 27 .November desgleichen Jahres wurde der SPD Ortsverein  Nauheim bei Teilnahme von 27 Genossen wieder gegründet. Erster Vorsitzender wurde damals Fritz Daum, später langjähriger 1. Beigeordneter und Ehrenbürger der Gemeinde Nauheim. Einen Monat später gründete sich in Nauheim, in Ausführung eines Beschlusses der SPD Generalversammlung, die Arbeiterwohlfahrt Nauheim. Zum 1. Vorsitzenden wurde damals August Wedel gewählt.

Die ersten freien Wahlen in Hessen und Nauheim.

Gleich im Januar 1946 finden in Deutschland die ersten freien Wahlen statt.  In Hessen wurde damals am 20. Januar gewählt. Ergebnis: SPD = 485000, CDU = 341000, KPD= 61000, Liberaldemokraten= 25000 und sonstige Parteien = 174000 Stimmen. Am gleichen Tage finden auch in Hessen die ersten freien  Kommunalwahlen statt. In Nauheim waren insgesamt 1553 Bürger wahlberechtigt. 62 Bürgern wurde damals, aufgrund ihrer Nazivergangenheit, das Wahlrecht verwehrt. Im Nauheimer Gemeinderat waren sieben Sitze zu vergeben. Davon erhielten: SPD mit 959 Stimmen = 5 Sitze, die CDU erhielt mit 454 Stimmen = 2 Sitze. Die KPD, die 124 Stimmen erhielt, bekam im 1. freigewählten Parlament keinen Sitz. Somit setzte sich der erste Gemeinderat in Nauheim wie folgt zusammen: SPD:              Heinrich Kaul, Friedrich Daum, Georg Schad, Philipp Poth IV und

Georg Diehl VII. CDU: Michael Stork und Georg Lochmann.

Kommunalpolitisch bedeutete dies, dass nunmehr Heinrich Kaul IV., der 1933 sein Bürgermeisteramt aufgeben musste, wieder ehrenamtlicher Bürgermeister wurde und den kommissarisch eingesetzten Bürgermeister Fritz Förster ablöste. Beigeordneter wurde damals Georg Schad.

Die Einrichtung von Spruchkammern.

Am 5. März 1946 richtete der Länderrat der US-Zone Spruchkammern ein. Vor ihnen sollten sich die ehemaligen Nazis verantworten. Grundlage der Untersuchung war ein 131 Fragen umfassender Fragebogen über die politische Vergangenheit. Das prozessuale Vorgehen lag dabei in deutschen Händen. Die Angeklagten wurde in vier Kategorien eingestuft : Hauptschuldige, Aktivisten, Nutznießer und Mitläufer. So musste auch in Nauheim ein “antifaschistischer Ausschuss  zur Befreiung vom Nationalsozialismus“ gebildet werden. Diese Ausschüsse sollten die Arbeit der Spruchkammern wesentlich erleichtern.

Die Besatzungstruppen verlassen Nauheim.

Im Laufe des Juni 1946 verließen die Amerikaner als Besatzungstruppen Nauheim. Sie wurden jetzt in Groß-Gerau,  rund um den Wasserturm, stationiert. Das Hotel Adler wurde zur Armeeküche (Messhall), die sich vorher im Anwesen der Küferei Jordan in Nauheim, gleich hinter der Bahnschranke rechts in Richtung Groß-Gerau, befand. Nauheim war nun frei  von Besatzern.

Die ersten Heimatvertriebenen kommen an.

Am 14. Juni 1946, abends um 23 Uhr, kam als erster Vertriebener aus dem Sudetenland Alfred Hoyer in Nauheim an. Gemeinsam mit der Familie Hoyer war es die Familie Franz Sandner, die als erste Neubürger in Nauheim ankamen. Alfred Hoyer, als auch Marie Sandner, waren im Auftrage von Bürgermeister Kaul überall unterwegs in dem Bemühen, Graslitzer und Schönbacher Blasinstrumentenmacher für eine Umsiedlung nach Nauheim zu gewinnen. Gemeinsam mit Bürgermeister Kaul waren sie durch Vorsprachen bei übergeordneten Regierungsstellen bemüht, die Vorraussetzungen für die Aufnahme weiterer Flüchtlinge, die im Dezember d.J. ankommen sollten, in Nauheim zu schaffen. Bedeutungsvoll dabei ist die Handlungsweise der damals Verantwortlichen, die unbürokratisch, unter großen eigenen Opfern, die Eingliederung dieser Menschen, die ja Hab und Gut verloren hatten, in Nauheim betrieben und ihnen damit eine zweite Heimat schafften.

Es war schon bemerkenswert, was diese Beiden schafften, wenn man dabei die Nauheimer Situation in der unmittelbaren Nachkriegszeit bedenkt. Es war der Wunsch und das hartnäckiche Bestreben, einen ganzen Industriezweig, aus der Gegend von Graslitz- Schönbach- Klingenthal- Silberbach und anderen Gemeinden, nämlich die Musikindustrie, nach Nauheim zu bekommen und hier anzusiedeln. Der Bürgermeister selbst reiste damals zu Sammellagern von Heimatvertriebenen, besonders in Bad Orb und Regensburg, um Musikinstrumentenbauer für Nauheim zu gewinnen. Dies jedoch war wiederum bei der alteingesessenen Bevölkerung gar nicht gerne gesehen, weil die Zahl der Neubürger dadurch in Nauheim ständig stieg. Niemand hätte sich seinerzeit vorstellen können, dass die Handlungsweise des Bürgermeisters in späteren Jahren der Gemeinde Nauheim, durch die  Ansiedlung der Musikindustrie, Weltgeltung verschaffte.

Am Ende des Jahres 1946 traf sodann das Gros der Flüchtlinge von 565 Personen in Nauheim ein. Bürgermeister Kaul wandte sich bereits am  10. November an die Nauheimer Einwohnerschaft und bat Wohnraum für diese Menschen bereitzustellen. Die Nauheimer Parteien unterstützten diesen Aufruf des Bürgermeisters. Festzuhalten gilt es hier noch, dass  sich 1947 in Groß-Gerau die Nauheimer CDU gründet, deren 1.Vorsitzender  Wilhelm Berz wurde. Außer ihm gehörten noch Fritz Jütte, Georg Lochmann, Josef Schwenger und Michael Stork zu den Gründungsmitgliedern.

Eine Baugenossenschaft wird gegründet.

Doch schon bald taten sich „Altnauheimer, heimatvertriebene Neubürger und auch die aus den nahen umliegenden Städten aufgenommenen „Ausgebombten", zu denen auch die Familie des Chronisten gehörte, zusammen und gründeten am 20. Mai 1947 die „Gemeinnützige Baugenossenschaft Nauheim & Umgebung“. Der Vorstand dieser Baugenossenschaft waren damals Wilhelm Krämer (Vorstandsvorsitzender), Hermann Reitz, sen. als Geschäftsführer und der Steuerberater Max Lorenz. Vorsitzender des Aufsichtsrates war Bürgermeister Georg Schad, der Nachfolger von Bürgermeister

Heinrich Kaul IV.

Zur Bereitstellung von Baugelände wurde gleich 1947 in der Gewann „Die Muschel“ ein Waldstreifen abgeholzt. Mit dem Bau von Doppelhäusern in der Taunusstraße konnte begonnen werden. Am Währungsstichtag, dem 20. Juni 1948, waren bereits die Fundamente für die ersten fünf Doppelhäuser hergestellt. Bereits am 8. Oktober 1948 konnte Richtfest gefeiert werden, obwohl gleich nach der Währungsreform ein Baustopp, wegen der Währungsumstellung in Deutsche Mark, verhängt wurde. Die ersten fünf Doppelhäuser mit insgesamt 30 Wohnungen, als erster Bauabschnitt, waren sodann im September 1950 bezugsfertig.

1949 wurde auf Initiative des Bürgermeisters Schad in der Königstädterstraße ein Mehrfamilienhaus, mit der Gemeinde Nauheim als Bauherr, errichtet. Ursprünglich war vorgesehen, dass dieses Haus bei Baubeginn, der Ansiedlung einer Knopffabrik dienen sollte. (Der Chronist selbst hatte damals als Maurer beim Bau dieses Hauses geholfen. Er erinnert sich, dass die sehr breiten Fundamente damals in Bruchsteinwerk gemauert wurden, da dieses Haus später mehrstöckig als Knopffabrik dienen sollte.) Dieses Haus in der Georg Diehlstraße wurde im Jahre 1999 abgerissen und musste einem neuen Baukomplex der „Baugenossenschaft Ried“ in der Georg-Diehlstraße/Ecke Königstädter Straße weichen, mit dessen Bau im Jahre 2000 begonnen wurde, nachdem ein entsprechend genehmigter Bebauungsplan vorlag.

Als die Gemeinde Nauheim im Jahre 1951 ihre 1100- Jahrfeier, ebenfalls  auf Initiative des Bürgermeisters, beging, wurde der zweite Bauabschnitt mit sieben Doppelhäusern mit 42 Wohnungen fertiggestellt. Aus Anlass dieses Jubiläums wurde dann auch im gleichen Jahre in der Schillerstraße das  „1100-Jahrhaus“ errichtet. Der Hinweis darauf, dass es sich um das „1100-Jahrhaus“ handelt, sieht man an den Dachrinnen, die am Ablauf rechts  und links des Gebäudes die Inschrift “1100“ tragen.

Es folgte im Jahre 1951/52 der Bau weiterer sieben Doppelhäuser mit insgesamt 54 Wohnungen und in einem weiteren Bauabschnitt 1952/53 zählten 15 Erwerbshäuser zu den Aktivitäten der Baugenossenschaft. Insgesamt waren es 160 Wohnungen, wozu 660.000 DM an öffentlichen Mitteln benötigt wurden. Die Belegung der Wohnungen erfolgte ausschließlich mit Heimatvertriebenen, Ausgebombten und Fachkräften der Musikinstrumentenindustrie. Alle, die eine Wohnung erhielten, hatten eine Selbsthilfeleistung von 300 Stunden am Wohnungsbau zu verrichten. Festzuhalten jedoch bleibt, dass durch die Initiative des Bürgermeisters HK IV der Aufschwung in Nauheim bereits vor der Währungsreform stattfand. An der Gesamtbevölkerung von damals 3250 Einwohnern hatten die Heimatvertriebenen einen Anteil von 17,25 %.

Kirchliche Versorgung der neuen katholischen Bürger erforderlich.

Da diese angekommenen Neubürger fast ausschließlich der katholischen Kirche angehörten, wurde als Vordringlichkeit die  katholische Versorgung der Menschen dieses Glaubens erforderlich. Dies erfolgte zunächst  durch Groß-Gerau, durch die Ausübung einer Lokalkaplanstelle in Nauheim. Den kirchlichen Dienst versah damals der aus dem Sudetenland stammende  und zur Prager Erzdiozöse gehörende Dechant Johann Höfner. Vorher war er nach seiner Ankunft aus Eisenstein im Böhmerwald der Pfarrei Astheim zugewiesen. Bereits am 23. März 1947 fand in der zur Verfügung gestellten evangelischen Kirche in Nauheim der erste katholische Gottesdienst statt. In damaliger Zeit war es der einzige Fall in Deutschland, wo der evangelische und katholische Pfarrer zusammen im selben Pfarrhaus wohnten und in derselben Kirche ihre Gottesdienste abhielten. Auch wurde unter dem damaligen Dechant Höfner eine kleine Chorgemeinschaft gegründet, aus der sich dann unter dem Dirigenten Josef Fritsch der „Katholiche Kirchenchor" bildete . Dies geschah im August des Jahres 1947.

Große Not herrscht jetzt in Deutschland.

Im Januar 1947 jedoch zeigte sich Deutschland in großer Not. Die Stimmung in den vier Besatzungszonen war angesichts dieser akuten Notsituation sehr gedrückt. Eine Kältewelle trifft auf eine Bevölkerung, die ohne ausreichenden Brennstoff  und mit einem täglichen Kaloriensatz, von weniger als 1300, dem Winter ausgeliefert ist. Die industrielle Produktion kommt zu Stillstand. Aus den durch Nauheim fahrenden und kurz anhaltenden Güterzügen wurden Kohlen geklaut und im Nauheimer Wald des nachts Bäume gefällt, um damit wenigstens etwas Wärme in die kalten Wohnungen zu bringen. Die Phantasie der Bürger im Bereich des Beschaffens von rationierten Gütern kannte in dieser Zeit der Not und des Elends keine Grenzen. Zur Zeit der Zuckerrübenernte zogen in der Nacht viele Nauheimer mit Karren entlang der Bahnstrecke nach Groß-Gerau zur Zuckerfabrik und luden in ihre Karren Zuckerrüben, soviel sie nur konnten. Daraus wurde ein leckerer Brotaufstrich gekocht oder auch Zuckerrübenschnaps gebrannt.

In dieser Zeit kostete ein Ei 12  Mark. Selbst von den Amis weggeworfene und gesammelte Zigarettenkippen hatten ihren Tauschwert. Für 20 – 30 Kippen erhielt man, wenn man Glück hatte , 1 Ei. Soweit möglich, pflanzte man im eigenen Garten Tabakpflanzen, die man mit auf den Straßen zusammengefegten „Pferdeknitteln“ düngte. Daraus machte man sich selbst seinen Tabak, den sogenannten „Scheierbambler“.

Am 30. Juni  1947 wurde der letzte deutsche Kriegsgefangene, nach Auskunft der amerikanischen Militärbehörde, entlassen. In der UdSSR befanden sich noch zu dieser Zeit  900 000, in England noch 270 000, im mittleren Osten noch 77 000 und in Frankreich ebenso noch mehrere hunderttausend Kriegsgefangene.

Am 1. August 1947 zählte Nauheim bereits  3290 Einwohner.

„Zentralbank der deutschen Länder“ und Geld für Musikindustrie.

Am 1. März 1948 entsteht in Frankfurt durch Gesetz der amerikanischen  und britischen Militärregierung eine „Zentralbank der deutschen Länder“ im vereinigten Wirtschaftsgebiet. Am 25. März des gleichen Jahres schließen sich dieser Bank auch die Länder der französischen Besatzungszone an. Das Grundkapital der Bank beträgt 100 Millionen Reichsmark. Ein Direktorium leitet die Bank, deren Politik vom Zentralbankrat der aus den Präsidenten der Landeszentralbanken besteht, bestimmt wird. Die Bank wird von der alliierten Bankkommission kontrolliert. Aufgabe und Befugnisse sind die einer Währungs- und Notenbank für die drei westdeutschen Besatzungszonen sowie die finanzielle Geschäftsleitung des Verwaltungsrates des vereinigten Wirtschaftsgebietes. Gleichzeitig treffen in diesen Tagen in Frankfurt unter Geheimhaltung die in den USA gedruckten Banknoten für die Währungsreform ein.

Am 3. April unterzeichnet der amerikanische Präsident das Auslandshilfegesetz für 1948, das als ein Teilgebiet von vier Gesetzen das Marschallplangesetz umfasst, um Kriegsschäden in Westeuropa zu beseitigen und dort einen dauernden Frieden und allgemeinen Wohlstand zu erreichen. Wichtig für Westdeutschland  und damit auch für Nauheim ist die Marschallplanhilfe in Höhe von 599,6 Millionen Dollar, wovon die amerikanische  und britische Zone im vereinigten Wirtschaftsgebiet 437,4 Millionen Dollar bekamen. Gelder aus diesem Fond des Marschallplanes erhalten später auch Nauheimer Firmen, insbesondere die Fa. Köstler, zum Aufbau der Musikinstrumentenindustrie.

Georg Schad wird Nauheimer Bürgermeister.

Bereits im Juni 1948 fand die 2. Kommunalwahl nach dem Kriege statt. Die Sozialdemokraten erhielten 7 von nunmehr 15 Sitzen im Gemeinderat. Dieser wählte sodann Georg Schad zum Bürgermeister, der damit Heinrich Kaul IV ablöste. Beigeordneter wurde damals Fritz Förster von der KPD. Dem gewählten Gemeinderat gehörten noch an: Jakob Kuhlmann, Karl Klier, Christian Nink, Wilhelm Krämer, Karl Genthner, Fritz Daum, Georg Wilhelm Mischlich, Mary Jany, Karl Dressel, Georg Gerlach , Franz Hafner, Georg Lämmersdorf und Hubert Jörka. Zum erstenmal gehörten dem Gemeinderat mit Karl Klier, Franz Hafner und Hubert Jörka, auch Vertreter der Heimatvertriebenen an.

Etwas für die Schmunzelecke - oder die frühen Nauheimer Verhältnisse

Im Verlaufe einer im Jahre 1948 stattgefundenen Wahl, so berichtet die Ortschronik der CDU-Nauheim, habe Bürgermeister Heinrich Kaul vergessen, den Wahlvorschlag der KPD beim Landratsamt abzugeben. Die erbosten KPD Mitglieder verabreichten deswegen dem Bürgermeister eine Tracht Prügel und sperrten ihn zur Strafe noch in einen Schrank ein. Erst durch seine Hilferufe sei dann der Bürgermeister wieder von seiner Frau befreit worden. Doch am nächsten Tag würde der Bürgermeister von den Bürgern mit Spott überschüttet.

Friedrich Ebert Denkmal eingeweiht.

Auf dem Platz des früheren Kriegerdenkmals von 1870/71 (am Kastanienbaum) wurde nun das Denkmal des vom 11.2.1919 bis zum 30.6.1925 amtierenten ersten Reichspräsidenten Friedrich Ebert eingeweiht.

Währungsreform - die Stunde Null.

Der 21. Juni 1948 war ein bedeutender Einschnitt ins Leben der Bürger nach dem Kriege. Die Währungsreform löste die Reichsmark ab, an jeden Bürger wurden die in den USA gedruckten DM-Scheine ausgegeben. Für 60 Reichsmark gab es 40 Deutsche Mark (DM) als Kopfgeld. Eine Woche später gab es nochmals 20 DM. Das neue Geld, das jetzt die fast wertlos gewordene Reichsmark ablöste, war der Zündfunke, der den Neustart des Wirtschaftsmotors in Deutschland-West erst möglich machte. Bereits am nächsten Tage, also am Montag nach dem Umtausch, waren die Auslagen der Geschäfte mit all den so lang vermissten, meist vom Handel gehorteten, Waren gefüllt. So gesehen, war der 21. Juni 1948 nicht die „Stunde Null“, sondern der wirtschaftspolitische Punkt, der den Neubegin markierte.

Die Spareinlagen wurden im Verhältnis 1:10 umgetauscht (tatsächlich 100 RM = 6,50 DM). Profitiert haben jene, die enorme Sachwerte durch Hortung besaßen und diese über die Währungsreform hinüber retteten. Weiterhin wurden bei der Währungsreform durch das Umstellungsgesetz alle staatlichen Schuldscheine  für wertlos erklärt, alle Reichmarkguthaben bei Banken auf ein Zehntel ihres Wertes zusammengestrichen. Da das bereits ausgezahlte Kopfgeld auf die verbliebenen Beträge angerechnet wurde, standen Millionen Menschen am 28. Juni 1948 praktisch ohne einen Pfennig Geld da. Das war seinerzeit Enteignung im großen Stil, ohne die eine wirksame Währungsreform eben nicht funktioniert. Dass es, ohne jede Rücksicht etwa auf Kleinsparer, einen derart harten Schnitt gab, ist im übrigen allein das Verdienst der westlichen Alliierten, da die deutschen Reformer die Frage des Umgangs mit dem Altguthaben zunächst nochmals vertagen wollten. Amerikaner, Briten und Franzosen  jedoch setzten sich darüber hinweg. Somit war die neue Deutsche Mark demnach in erster Linie ein Besatzungskind.

Damals verkündete, ohne Rücksprache mit den Alliierten, Ludwig Erhardt, Direktor der Wirtschaftsbehörde, in der amerikanischen-britischen  Zone,  eine weitgehende Lockerung der Bewirtschaftung und die Aufhebung der Preisbindung. Damit waren die Weichen über Nacht für die Marktwirtschaft gestellt. Angebot und Nachfrage begannen sich ohne staatliche Behinderungen auszutarieren. Gleichwohl war die D-Mark in den ersten Monaten ihrer Existenz alles andere als stabil. Trotz der harten Umstellung gab es einen deutlichen Nachfrageüberhang, der dazu führte, dass die Preise bis zum Jahresende 1948 um 18% in die Höhe schnellten. Bereits im September 1949 musste die D-Mark  um über 20%  gegenüber dem Dollar abgewertet werden.

Zur Geschichte der D-Mark gehört aber auch, dass sie zur Spaltung Deutschlands beigetragen hat. Auf die Währungsreform im Westen antworteten die Sowjets mit der Blockade Berlins und einer eignen Währungsreform in der von ihnen besetzten Zone.

Nun erlaubte man den drei Westzonen einen Ersatzstaat zu organisieren, und am 23. Mai 1949 wurde das „vorläufige Grundgesetz der deutschen Bundesrepublik“ durch die Länderparlamente ratifiziert. Bonn wurde die neue Hauptstadt. Der Osten beantwortete diesen Schritt mit der Durchführung einer Ostwährungsreform und mit der Gründung der „Deutschen Demokratischen Republik“ am 30. Mai 1949. Der „Eiserne Vorhang“ zwischen Ost und West war herabgefallen, von nun an gab es zwei Deutschlands, die sich immer mehr voneinander fortentwickelten.

Bereits im Jahre 1946, also noch vor der Währungsreform, feierten die Nauheimer ihre erste „Kerb „(Kirchweih) am ersten Sonntag im Oktober. Der Festplatz befand sich damals in der sogenannten „Dreiheisergasse“, der heutigen Bachgasse. Der erste Kerbespruch stammt aus dem Jahre 1948.

Im damaligen 1. Kerwespruch nach dem Kriege lesen wir:

„Die Währungsreform deß war so ne Zeit,
was hon se alles gebabbelt die Leit.
Die oane honn die Zeitung vollgekritzelt
unn die Prominenz hot sich blos de Bauch gekitzelt,
fer die wars die Sunn, fer uns wars die Naocht,
was hon se aus unsere drei Kröte gemacht?
40 DM hon se uns gewe in jedem Alter-
vum Londrat bis zum Gaasbockhalter“

 Beginn der neuen Zeit

Die 50er Jahre

Der Wiederaufstieg beginnt. Arbeiter und Unternehmer bauen zum zweiten Male in einer Generation die Wirtschaft aus dem völligem Zusammenbruch wieder auf. Städte wachsen planvoller als je zuvor aus dem Schutt, demontierte oder ausgebombte Industrieanlagen erstehen moderner, rationeller und größer als je zuvor. Deutsche Waren sind wieder auf den Exportmärkten der Welt, die Spuren des Krieges beginnen langsam zu schwinden. In Deutschland beginnt ein sogenanntes Wirtschaftswunder. Am 3. April 1950 werden die Produktionsbeschränkungen und Verbote für die westdeutsche Wirtschaft aufgehoben. Westdeutschland kann wieder ohne Fesseln arbeiten.

Auch in Nauheim, obwohl nicht so sehr von Kriegseinwirkungen heimgesucht, beginnt ein neuer Aufbau, der nicht zuletzt durch die Ansiedlung der Musikinstrumentenindustrie und deren Erfordernissen geprägt war. Als am Karfreitag 1951 in der evangelischen Kirche eine Gedenktafel an die Gefallenen des 2. Weltkrieges angebracht wird, stehen darauf  82 Namen der im Krieg gefallenen. Zu diesem Zeitpunkt werden noch immer 86 Männer vermisst, über deren Verbleib nichts bekannt ist.

Die Gemeinde Nauheim stellt vorrangig Baugelände zur Verfügung. Gebaut wird, außer den schon genannten Bauaktivitäten der Baugenossenschaft, auch in der Goethestraße, der Odenwaldstraße sowie der Straße am Weiher und der verlängerten Weingartenstraße, wobei die meisten Bauten in Selbsthilfe errichtet werden. Vom Häuserbau in der Goethestraße ist bekannt, dass die Bauherren ihre Steine für den Kellerbau von der zerstörten Mainzer Eisenbahnbrücke (Sandsteine) holten. Durch die Aufnahme der Heimatvertriebenen aus dem Sudetenland, auch den  Evakuierten aus den ausgebombten Städten, ergab sich die dringende Notwendigkeit mehr Wohnraum und nicht zuletzt auch Produktionsanlagen für die Musikindustrie zu schaffen.

Ein Heimatkreuz zum Gedenken!

Aus Verbundenheit zur verlorenen Heimat  errichtete die Interessengemeinschaft der Heimatvertriebenen, am 5. November 1950, auf dem Waldfriedhof ein Gedenkkreuz zum Gedenken an die in der Heimat zurückgelassenen Toten.

Die Gemeinde wandelt sich.

Es wurde, aus Gründen der sich nach Kriegsende ergebenden Situation, aus der vorher überwiegend landwirtschaftlich geprägten Gemeinde, nach und nach eine Industriegemeinde. Firmen wie Fa. Köstler & Co, Akkordeon & Mundharmonikaerzeugung, die Fa. Jakob Winter & Co, Etuiherstellung für Musikinstrumente, Fa. Julius Keylwerth, Saxophone und Blechblasinsrumente; sowie die Fa. Franz Sandner, Geigen- & Gitarrenbau , waren die ersten, die in Nauheim die Produktion aufnahmen. So beschäftigte die Fa. Köstler, seit 1946 in Nauheim, zum Beispiel zum Jahresende 1946  sechs Leute. Im Jahre 1951 waren es bereits 240 Beschäftigte. Ebenfalls ihre Produktion aufgenommen haben die Firmen Wenzel Schreiber, Klarinetten und Josef Püchner mit Flöten, Klarinetten und Fagotts. Hinzu kommen noch die Firmen Rudolf Ringer, Geigenbogenmacher. Die Firma Josef Wilfer, Bass- & Celloinstrumente, die Fa. Richard Glassl, Mandolinen und Gitarren, sowie die Firmen Franz Himmer, Josef Sandner, Karl Fuchs, alle Zupfinstrumente, die Firmen Johann Leicht, Karl Klier, Rudolf Roland Riedel, Akkordeons. Auch durch ständig steigenden Export der Nauheimer Musikinstrumente in alle Welt wird jetzt auf einmal für das seither ziemlich unbekannt Ort Nauheim das Tor zur Welt aufgestoßen.

Die erste Firma überhaupt, die sich in Nauheim ansiedelte, war die Fa. Sandner/Schuh, am 24. Juli 1946. In Nauheim jedoch gab es, außer den insgesamt 20 Betrieben der Musikhersteller, noch zwei größere Betriebe, nämlich das Sägewerk der Firma Hermann Rüffer und die Firma Börner, Plexiglasverarbeitung. Die Firma Hans Börner hat in der Zeit nach dem Kriege überwiegend Haushaltsgegenstände aus Plexiglas gefertigt, mit denen sie einen riesigern Absatz fand. Die Firma Hans Börner wuchs von Jahr zu Jahr und fand später einen neuen Standort im Baugebiet der Herrnhügel unter der Firmenleitung des späteren bekannten Kommunalpolitikers Ortwin Lempert (CDU). Die Fertigung von Plexiglaskuppeln aller Art hat die Firma bis ins 21. Jahrhundert weltweit bekannt gemacht.

Bei der größten dieser beiden genannten Firmen, der Fa. Rüffer, arbeiteten damals 100 Menschen, von denen über die Hälfte Ostvertriebene waren. Es handelte sich bei dieser Firma um eine Holzgroßhandlung aus Frankfurt. Durch die Aufstellung moderner Sägemaschinen und auch Krananlagen wurde das Nauheimer Sägewerk auf den modernsten Stand gebracht und war daher das größte Laubholzverarbeitungs-unternehmen im  Hessenland. Neben dem Sägewerk betrieb die Firma auch noch eine Fassholzsägerei, besonders für Bierfässer.

Mit Beginn des Jahres 1950 fallen die Lebensmittelkarten weg. Es gab wieder alles zu kaufen, also keine Rationierung mehr von Lebensmitteln oder Dingen des täglichen Gebrauchs. Am 5. Mai 1950 wird veröffentlicht, dass sich im Kreis Groß-Gerau insgesamt

27000 Heimatvertriebene und ca. 7000 Ausgebombte und Evakuierte befinden.

Am 1. Sept. 1950  zählt Nauheim  612 Häuser und insgesamt 3978 Einwohner.  Durch den in Nauheim eingesetzten Bauboom wird sich diese Zahl schon bald wesentlich erhöhen.

Die Gemeinde wächst und damit der Bedarf an Schulraum.
So wuchs die Einwohnerzahl von 1947 bis zum Jahre 1959  um 1500 Einwohner. Dementsprechend wuchs natürlich auch die Zahl der Schulpflichtigen Kinder von 372 in 1947 auf nunmehr 472  im Jahre 1950. In der Schule konnte nur durch Schichtunterricht das Schulangebot gerade noch erfüllt werden. Für 11 Klassen standen damals gerade sechs Schulräume zur Verfügung. Für die gemeindliche Gremien bedeutete dies, dass unbedingt mehr Schulraum geschaffen werden muss. So fasste man 1950 den Beschluss, durch die Erweiterung bestehender Schulgebäude, vier Schulsäle, einige Lehrmittelräume  sowie ein Volksbad, das im Keller des Baues untergebracht werden sollte, zu bauen. Das Bad sollte, nach Geschlecht getrennt, Wannen und Brausebäder erhalten. Am 27. Oktober 1951, konnte dann das neuerbaute Schulgebäude seiner Bestimmung  übergeben werden, zur gleichen Zeit also, als man in Nauheim das  1100 jährige Bestehen der Gemeinde feierte.

Vereinsbildung in Nauheim in den Anfängen.
Das Vereinsleben belebt sich neu. So gründet sich am  20. Juni 1950  der Musikverein Nauheim unter der Leitung von Obermusikmeister Georg Mischlich. Das Orchester setzt sich hauptsächlich aus einem Stamm Musikern zusammen, die aus dem Sudetenland kommend, sich nun in Nauheim angesiedet haben.

So gründen sich noch im Jahre 1950: Der Schäferhundeverein, in der Gaststätte „Waldlust“ in der Waldstraße wird der Gewerbeverein gegründet. Im August 1950 gründete der ehemalige Graslitzer Hans Riedl das Kinderblasorchester Nauheim, das zunächst der Arbeiterwohlfahrt angegliedert wurde. In einem Anbau der Gaststätte „Hessischer Hof“, bei der „Katharina“, wie man sie im Volksmund noch heute nennt, wird in Nauheim am 9. September 1950  ein zweites Kino mit dem Namen „Deli-Theater“ eröffnet, das jedoch drei Jahre später wieder geschlossen wurde.

Am 14. Juni 1951 feiert die freireligiöse Gemeinde in Nauheim ihr 25jähriges Bestehen.

Am 30. Juni 1950  konnte in der Presse gemeldet werden, dass die Rohbauarbeiten der Wohnhäuser in der Goethestrasse ihrer Vollendung entgegen gehen.

1100 Jahre Nauheim

1951 steht die Gemeinde Nauheim, in der Zeit vom 11.- 19. August 1951, ganz im Zeichen der 1100-Jahrfeier. Für diese Feier des 1100-jährigen Bestehens Nauheims wurde ein, für die damaligen Zeiten doch bemerkenswerter, großer Festzug veranstaltet, an dem sich viele Nauheimer Vereine beteiligten. Seitens der Musikindustrie stellte die Firma Köstler beim Umzug durch die Ortsstraßen  zwei Gruppen. Die eine Gruppe zeigte von der Firma gefertigte Musikinstrumente  und die zweite Gruppe bestand aus einer Betriebskapelle der Firma Köstler. Ehrengast war damals der Vater des Landkreises, Jean Harth, der, gemeinsam mit Bürgermeister Schadt, in einer Pferdekutsche beim Umzug saß. Weitere Heimatvertreibene aus dem Egerland und dem Sudetenland waren mit Musik und Gesang am Umzug beteiligt. Einer der Höhepunkte der 1100-Jahrfeier war das Menschenschachspiel auf dem Sportplatz. Namhafte Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Kultur statteten damals zum Fest der Gemeinde einen Besuch ab. Zur Erinnerung an diese Feier wurde, wie schon an anderer Stelle erwähnt, in der Schillerstraße das „1100-Jahr-Haus" errichtet.

Prolog zur 1100- Jahrfeier 1951

Zur 1100 -Jahrfeier der Gemeinde Nauheim im Sommer 1951 gibt dieser Prolog einen geschichtlichen Abriss in Gedichtform:

1100 Jahre im Wandel der Zeit
in guten und bösen Tagen
1100 Jahre Freuden und Leid
hat unser Nauheim getragen!

Geschlechter kamen und sanken ins Grab,
sie trugen ihre Jahre-
die ewige Kette riss nie ab!
von der Wiege bis zur Bahre,
waren sie nur ein lebendiges Glied
bis hin zur Ewigkeit!
Ein Ton nur im göttlichen Schicksalslied!
Die Menschen ihrer Zeit!
Schon als die alte Chronika
Nauheim zuerst genannt,
hört man ,dass jeder Bauer da
fest für die Heimat stand!

Ein Graf verschenkte ohne Recht
an Kloster Lorsch den Wald-
und dieser sandte unentwegt
zur Siedlung Mönche bald!-

Darüber der Zorn der Bauern entbrennt!
nicht nur in unserem Ort!
mit Rollen aus blutigem Pergament
jagt man die Mönche fort!

Dreimärker- Wald ward wieder frei!
wie damals es geschah,
Mörfelden ,Trebur waren dabei!
So sagt`s die Chronika!

Jahre kamen mit schweren Kriegen,
zerstörend über das Land,
das Schicksal Nauheims musste liegen
allein in Gottes Hand!

Mansfeld Dragoner kamen nach hier-
sie wurden blutig geschlagen!­
Sie schworen Rache dafür-
und nach kaum 10 Tagen
standen sie vor Nauheims Toren
mit Waffen und Feuerbrand
und unser Nauheim war verloren-
hielt der Gewalt nicht stand.-
Pfarrhaus und Bauernhäuser in Flammen-
der Pfarrer tot-erschlagen!
indes die Bauern alle zusammen
am Helenenbrunnen lagen,
mit Vieh und manch anderem Hab und Gut
hielten sie sich verborgen
wochenlang vor der Mansfelder Wut
lebten sie dort in Sorgen!

Einhundertfünfzig blieben am Leben,
arm war das Dorf und klein
sandig der Boden, er brachte nur eben
dürftige Ernte ein.

Ein Ritter aus dem heiligen Land,
von schweren Wunden matt,
in Nauheim verließ ihn die Kraft er fand
bis zum Tod eine Pflegestatt!

Auf dem Totenhügel bekam er sein Grab
und es wurde an dieser Stelle
von seiner Sippe zum Danke erbaut
eine neue kleine Kapelle.

Und weiter meldet die Chronik noch,
dass Nauheim vom Wasser bedroht,
die Schwarzbach ging über die Ufer hoch,
ein Gaul fand dabei seinen Tod!

Als Wappen führt Nauheim heute noch
auf blauem Wappenschilde
einen silberner Waschbleuel, Zeichen der Tuch-
und Leineweber Gilde!
Sie bleichten auf der Bleiche ihr Tuch,
das fleißig sie gewebt,
mit Wasser und Bleuel man tüchtig schlug-
und hat doch arm gelebt!

Erst Spargel- und Obstbau brachten dann
Wohlstand nach Nauheim her
der Handel mit umliegenden Städten begann
und brachte Geld und Verkehr.

Und Jahr um Jahr versank im Meer
der göttlichen Ewigkeit
Eern jeder goss über Nauheim her
sein Maß an Glück und Leid!

Als auch der letzte Krieg überwunden,
die Bombennächte vorbei,
war unser Gebet in stillen Stunden:
Herr mach uns frei!

Herr! Mach uns frei von Hass und Zwist
von Menschenmord durch Krieg!
dass endlich ein wahrhafter Frieden ist,
die Liebe trage den Sieg!-
und Gott der Vater prüft unser Gebet,
ob aus wahrem Herzen sei;
helft Brüder in Not! Der Ruf an Euch geht!
von weither kamen herbei,
vertrieben von Heimat, von Hof und Haus,
Menschen aus deutschem Blut!

Aus ihren Augen schaut Grauen heraus
verloren ihr Hab und Gut!
es füllt ein brennendes Heimweh ihr Herz,
und Tränen verdunkeln den Blick,-
verlorene Heimat –welcher Schmerz!
oh könnten wir wieder zurück!-

Und Nauheim behielt nicht den Ruf im Ohr,
zum Herzen fand ihre Not!-
und Nauheim öffnete Tür und Tor
und reicht das erste Brot!
Die Heimatvertriebenen bauten auf
und ihre Erzeugnisse gehen weit
in fernes fremdes Land!
Sie künden den Völkern, die Frieden wollen
hier ringt ein Volk mit Fleiß!
dass sie uns Achtung und Freundschaft zolle
sei unser schönster Preis!

Gemeinsam geh`n wir mit festem Mut
in das Dunkel der Zukunft hinein!
die Menschlichkeit sei unser höchstes Gut!
so wollen wir treuem Verein
all unser Wollen und Können geben
zum Segen der ganzen Erden,
dann wird gewiss unser ferneres Leben
ein Leben in Frieden werden!

Als Glied einer Kette in dieser Welt,
wir reichen der Zukunft die Hand:
Gott schütze Nauheim, Flur und Feld!
Geliebtes Heimatland!........................................................


Es geht aufwärts im Land und der Gemeinde.

Etwa seit 1952/53 kommen die Früchte des wirtschaftlichen Aufschwungs auch breiteren Schichten der Bevölkerung in Form von kräftigen Einkommensverbesserungen zugute. Die allmähliche Steigerung des Lebensstandards zeigt sich in regelrechten Konsumwellen, die durch die jeweils vorrangigen Bedürfnisse der Bevölkerung bestimmt sind: einer Vergnügungswelle, einer Esswelle, einer Kleidungswelle und dann einer Wohnungswelle. Gegen Ende der fünfziger Jahre schließlich folgt dann der Trend zu Reisen und Urlaub und das Auto wird zum Statusymbol der Deutschen. (Ich erinnere mich, als in den fünfziger Jahren die ersten Nauheimer Jugendlichen der Gewerkschaftsjugend I.G.Metall zum Italienurlaub nach Limone  am Gardasee reisten ,war das für für die damalige Zeit eine Sensation in Nauheim)

Der Ortsdiener hat ausgedient - eine Ortsrufanlage geht in Betrieb.

Nauheim geht mit der Zeit und nutzt die Technik, als am 16.April 1951, der seitherige Ortsdiener, der stets mit seiner Schelle die wichtigsten Bekanntmachungen, stimmgewaltig ankündigte, von einer im alten Rathaus von der Fa. Radio Merz , installierten Funkanlage ersetzt wird. So werden über 60, an Hauswänden installierte, Lautsprecher die Einwohner über die kommunalen Ereignisse aus dem Rathaus informiert. Diese Mitteilungen werden stets musikalisch mit der „Amboss-Polka“ angekündigt. Die Zeitzeugin Erika Sattler Verwaltungsangestellte und Standesbeamtin, berichtet: (1. Ausgabe in „Nauheim aktuell“)

Wie sich die Zeiten doch zum Guten geändert haben,was man heute schon beim Frühstück aus der Tagespresse erfährt, wurde noch vor 40 Jahren per Ortsfunk den Bewohnern verkündet........Nach dem Ertönen der „Amboss –Polka“ war es ein untrübliches Zeichen für das baldige Verlesen der Neuigkeiten aus der Gemeinde. Fenster und Türen öffneten sich und die Bewohner versammelten sich unter den zahlreichen Lautsprecher, aus denen die vertraute Stimme von Maria Marek, später Frau Schad, die Neuigkeiten verkündete.Pünktlich um 9:00, 12:00 und 17:00 Uhr wurde täglich gesendet.(Später sprachen auch andere Angestellte des Rathauses  über den Ortsfunk, so auch die Zeitzeugin Erika Sattler).......Später wurde auf Privatwerbung,Vereinsnachrichten und auch Familienereignisse ausgedehnt, wodurch auch die Gemeindekasse klingelte.So mussten die Vereine einen Vorzugspreis  von DM 2.- und die Privaten einen Preis von DM 3.- für eine Durchsage und eine Wiederholung berappen. Eine Besonderheit war auch die Neujahrsansprache des damaligen Bürgermeisters Georg Schad,der es sich nicht nehmen ließ, den Nauheimer Bürgerinnen und Bürger nach einem Glockengläut ein Gutes Jahr zu wünschen.Auch für unerfreuliche Ereignisse wurde die Anlage genutzt.´Zur Warnung der Bevölkerung wurde während einer vom Schwarzbach verursachten Überschwemmung die Anlage zur späten Nachtstunde in Betrieb genommen, was sich damals sehr nützlich erwies.Nach dem Bau des neuen Rathauses zog 1959 die Zentrale in die Weingartenstraße  um.“

Der Ortsfunk, den man damals auch im Volksmund den „Mareksender“  (Sekretärin des Bürgermeister und Sprecherin am Ortsfunk) nannte, war geboren. In der Folgezeit wurde somit der Ortsfunk zum Sprachrohr der Gemeinde. Doch schon im Jahre 1966 wurde die Rufanlage stillgelegt und die amtlichen Bekanntmachungen im Organ „Nauheimer Spiegel“ veröffentlicht. In der 16. Sitzung der Gemeindevertretung vom 24. November 1966 wurde hierzu folgender Beschluss gefasst:

1.    Die Satzung der Gemeinde Nauheim über die Ortsrufanlage vom 3. 8.1951 tritt ab 30.11.1966 ausser Kraft.

2.    Der Betrieb der Ortsrufanlage wird zum gleichen Zeitpunkt eingestellt.

3.    Bis zur Stilllegung der Ortsrufanlage werden Werbeanzeigen nicht angenommen und Reparaturen nicht mehr ausgeführt.

Zur Einführung des Nauheimer Spiegel existiert folgende Verlautbarung des Bürgermeisters Dr. Herberth Fürbeth:

„Der Gemeindevorstand hat beschlossen, im Interesse einer besseren Information der Bevölkerung ein amtliches Nachrichtenblatt herauszugeben.

Der Ortsrundfunk, der 15 Jahre seine Dienste getan hat, wird mit der Einführung des Nachrichtenblattes  seine Tätigkeit enstellen.Mancher wird dies mit Bedauern zur Kenntnis nehmen. Der Ortsfunk genügt wegen seiner mangelnden Ausbaufähigkeit und wegen des Fluglärms schon lange nicht mehr den Anforderungen, die an ein modernes Nachrichtenmittel zur Information der Bürgerschaft gestellt werden müssen. Auch im Ortsgebiet aufgestellte Bekanntmachungstafeln erfüllen nicht  mehr in vollem Umfange ihren Zweck.

Die grosse Zahl der Verwaltungsvorschriften und öffentlichen Bekanntmachungen und deren Kompliziertheit macht es erforderlich,dem Bürger ein Nachrichtenblatt ins Haus zu liefern. Das neue Mitteilungsblatt soll nicht nur die amtlichen Gemeindenachrichten an den Leser heranbringen, sondern will auch über das Geschehen in den Vereinen,den Kirchen,den Verbänden informieren. Wir werden auch regelmäßig den ärztlichen- und Apotheken-Sonntagsdienst in diesem Blatt veröffentlichen.

Für unsere Vereine ist es ein großer Vorteil, dass in diesem Mitteilungsblatt kostenlos Mitteilungen und Nachrichten veröffentlicht werden.Ich hoffe ,dass die Religionsgemeinschaften, die Vereine, Verbände und sonstige Institutionen von dieser Möglichkeit regen Gebrauch machen, damit unsere Bürger über das Geschehen in der Gemeinde noch beser als bisher ins Bild gesetzt werden.

Wenn ich heute zur Einführung des Amtsblattes der Gemeinde Nauheim all denen Dank sage,die den Ortsfunk finanzieren halfen, so appeliere ich zugleich an alle Mitbürger, unser neues Nachrichtenblatt, den „Nauheimer Spiegel“, ebenso durch die Veröffentlichung von Anzeigen zu fördern.Der Nauheimer Spiegel soll nicht nur eine Brücke  zwischen dem Rathaus und dem Bürger sein: er soll vielmehr wie eine Klammer wirken,die alle Kräfte der Gemeinde zusammmenhält.

Der Wortlaut der Mitteilungen der Kirchen, Vereine, Verbände usw. ist jeweils bis Dienstags  12:00 Uhr bei der Gemeindeverwaltung abzugeben. Die Zustellung des Blattes erfolgt wöchentlich am Freitag.

Der Bezugspreis konnte im Hinblick auf die zu erwartende Abonnentenzahl in Nauheim äusserts niedrig gehalten werden. Er beträgt DM 1,80 im Vierteljahr einschl.Trägerlohn, also etwa 15 Pfennig pro Woche und Exemplar.Das Mitteilungsblatt wird mindestens  vier DIN A 4-Seiten umfassen und nach Bedarf einen größeren Umfang erhalten. Zur Einführung werden den Bürgern die beiden ersten Exemplare kostenlos überlassen, damit sich jeder ein Urteil bilden kann. An alle Haushaltungen  und Haushaltungsvorstände  darf ich die Bitte richten nach Möglichkeit selbst Abonnent zu werden,damit jede Familie unseres Ortes über unser Gemeindegeschehen informiert ist.

Dem Nauheimer Spiegel wünsche ich für die Zukunft allen Erfolg.Ich bin überzeugt,dass sich unser Nachrichtenblatt in kurzer Zeit einen festen Platz in der Gemeinde erwerben wird.

Dr.Herbert Fürbeth
Bürgermeister

Das Volksbad in der Schule  und das Kino "Mützel"  werden eröffnet.

Das gemäß Beschluss des Gemeinderates  im Schulgebäude errichtete Volksbad  wird, am 3. Oktober 1953, der Öffentlichkeit übergeben. Dieses Bad erfreute sich zunächst großer Beliebtheit, musste aber dann nach einigen Jahren, nachdem mehr und mehr Bürger über ein eigenes Bad oder Dusche in den Wohnungen verfügte.

Am 9. Juli 1970 beschloss die Gemeindevertretung einstimmig: „Die öffentliche Einrichtung “Volksbad Nauheim“ wird ab sofort aufgelöst. Die beweglichen Anlagen sind zu demontieren und soweit noch verwendungsfähig, vorläufig im Bauhof zu lagern.

Kino „Mützel“ eröffnet
Am 2. Oktober 1954 eröffnete das Kino „Mützel" nach einem Umbau  wieder und verfügt nunmehr über eine Platzkapazität von 240 Sitzen.

Arbeitnehmer in Nauheim:
Am 3. Juni 1954 arbeiteten von den 1500 in Nauheim lebenden Arbeitnehmern, 900 außerhalb Nauheims, davon bei der Fa. Opel in Rüsselsheim insgesamt ca. 600, am 31.März 1960 waren es 845 und am 30. September 1961 gar 899 Nauheimer, die bei der Firma Opel ihre Brötchen verdienten. Nach Nauheim zur Arbeit von außerhalb kamen 160 Arbeitnehmer, die überwiegend in der Musikindustrie tätig waren.

Die Kommunalwahlen  1956 und 1960
Bei den Nachkriegswahlen zeichnete sich mehr und mehr ab, dass durch die Entwicklung der Gemeinde, von einer bäuerlichen zurArbeiterwohnsitzgemeinde
mit sozialdemokratischer Mehrheit wurde. Dies spiegelt das Ergebnis der Kommunalwahlen 1956 und 1960 wieder mit folgenden Ergebnissen:
1956 (28. Oktober) : SPD = 1538, UWG (Unabhängige Wählergemeinschaft)
899, FDP : 344  Stimmen. Die CDU trat bei dieser Kommunalwahl nicht an.
Am 22. Januar 1958 kommt es bei der Wahl des Gemeindevertretervorstehers  zu heftigen Auseinandersetzungen, die mit der Wahl von Adam Sünner (UWG) endete.
Die Kommunalwahl vom 23.Oktober 1960  brachte folgendes Ergebnis:
SPD = 1711 Stimmen (54,5 %); OG (Ortsgemeinschaft Nauheim mit CDU  und FDP) 960;  BHE (Gesamtdeutscher Block) 474 Stimmen. Damals gab es eine Wahlbeteiligung von 86,45 % bei  insgesamt 3638 Wahlberechtigten. Bei dem Gesamtdeutschen Block (BHE)  kandidierten die Heimatvertriebenen erstmals mit einer eigenen Liste.
Der  im Jahre 1948 zum Bürgermeister, auf 4 Jahre, gewählte Georg Schadt  wird am 6. Juni 1952 für weitere 6 Jahre von der Gemeindevertretung, wobei dieses Amt von einer seither ehrenamtlichen in eine hauptamtliche Stelle umgewandelt wurde, in dieses Amt gewählt. Eine  weitere Wiederwahl erfolgte am 31. März 1958, diesmal jedoch mit einer damals noch möglichen Amtszeit von 12 Jahren, also bis zum Jahre 1970. Von diesen 12 Jahren amtierte Georg Schad aus gesundheitlichen- und Altersgründen nur fünf Jahre, bis am 7. Mai 1963, als der als Stadtrat in Groß-Gerau amtierende  Dr. Herbert Fürbeth von der Gemeindevertretung  zum Bürgermeister für 6 Jahre gewählt wurde.

Sportplatzbau:

Es war in den 50er Jahren, als die Gemeinde begann den 2. Sportplatz zu bauen. Schon im Jahre 1953 wurde die Notwendigkeit der Schaffung eines neuen Übungsgeländes erkannt. Damals beschloss die Gemeindevertretung das Waldgelände zwischen dem heutigen Rasenplatz und der Straße „Am Sportfeld“ abzuholzen. Diese Fläche hatte eine Größe von 6000 qm. Zur Einebnung dieser Fläche gelang es Bürgermeister Schad eine amerikanische Pioniereinheit, die auf dem Rhein-Main Flughafen stationiert war, zu gewinnen, die kostenlos die erforderlichen Planierarbeiten durchführte. Danach ging es dann an den Ausbau des Sportplatzes, der sodann im Jahre 1956 abgeschlossen wurde.

Die Einwohnerschaft wächst.

Durch die rasante Entwicklung der Gemeinde in der Nachkriegszeit erhöhte sich ebenfalls die Einwohnerzahl ziemlich stark. Betrug Ende 1950 die Einwohnerzahl noch  3978, so waren es Ende 1958 bereits 5028 Einwohner.

10 Jahre Musikindustrie Nauheim.

Am 26.Juli 1957 feiert Nauheim das 10-jährige Bestehen der Musikindustrie in der  Stogahalle in der Alten-Mainzer-Straße, dem jetzigen Gemeindebauhof. Der hessische Rundfunk war mit seiner damals sehr beliebten Sendung „Frankfurter Wecker“ zugegen. Damals trat die später sehr bekannte Sängergruppe der „Jakob Sisters“  zum erstenmal auf.
Nach der 25-Jahrfeier des Angelsportvereins Nauheim am 21.Mai 1960, feiert der Musikverein Nauheim sein 10-jähriges Bestehen. Dieser hat nun 80 aktive Musiker und zählt zu diesem Zeitpunkt 93 inaktive Mitglieder.

Ein neues Rathaus wird gebaut.

Durch die ständig steigenden Aufgaben und Erfordernisse, die an die Gemeindeverwaltung gestellt wurden,  waren diese Aufgaben im Rathaus in der Rathausstrasse nicht mehr zu bewältigen. Der Beschluss, ein neues Rathaus zu bauen erfolte. Die Grundsteinlegung hierzu erfolgte am 17. Mai 1958 in der Weingartenstraße, in einem Gebiet nördlich der Hügelstraße, das man 1954/55 als neues Baugebiet  „Unter der Muschel“ eröffnete. Es war 1959, als die Gemeindeverwaltung ins neue Rathaus in der Weingartenstraße einziehen konnte. Beispielhaft moderne Arbeitsplätze konnten geschaffen werden und legten damit den Grundstock für die Verwaltung als Dienstleistungsbetrieb.

Erschließung von Baugebieten:

Die Erschließung dieses Baugebietes „Am Weiher“, am Ortsausgang nach Groß-Gerau, begann in den Jahren 1957/58. Damals gab es noch keine Verfahren zur Erstellung eines Bebauungsplanes wie in der heutigen Zeit. Gebaut wurde nach einem genehmigten Fluchtlinienplan, wie wir ihn auch aus den Baugebieten „Schleifweg I und Schleifweg II, sowie im Bereich der Industrie- und Alten Mainzer Straße kennen. Diese notwendigen Beschlüsse der Gemeinde bedeuteten aber auch nicht zuletzt enorme Anstrengungen der Gemeinde im Kanal und Straßenbau.

Ein Flächennutzungsplan wird beschlossen.

Als weitsichtig bezeichnen konnte man den Beschluss der Gemeindegremien bei der Verabschiedung des 1. Flächennutzungsplanes für die Gemeinde Nauheim, der als wesentliches Merkmal schon in den 50er Jahren die Ostumgehung, in vorsichtiger Einschätzung der Gemeindeentwicklung, enthielt.

Neues Baugelände für Einkommensschwache,

In der Zeit von 1955 bis über das Jahr 1960, nachdem die Musikindustrie in der Schiller-, Industrie- und auch Graslitzer Straße die Produktionsstätten der Firmen

Köstler, Winter-Schreiber & Sohne sowie der Firma Blohberger errichtet hatten, stellte die Gemeinde in diesem nördlichen  Bereich, begrenzt von der Graslitzer Straße bis zur Bahnlinie neues Baugelände bereit. Einkommensschwachen sollte  die Möglichkeit eröffnet werden, sich selbst ein Eigenheim zu bauen. Ein damals von der Gemeindevertretung beschlossener Fluchtlinienplan sah die Errichtung von Einfamilienhäusern und Doppelhäusern (am Ende der Schillerstraße)  vor. Es standen insgesamt drei Einzelhaustypen und ein Doppelhaustyp zur Auswahl. Diese Haustypen bezeichnete man als Neunormhäuser, deren Eigenart darin bestand, dass  die Häuser giebelseitig einen versteckten, nicht sichtbaren Kniestock enthielten. So war es dann später auch nicht möglich die Häuser in der Giebelansicht zu verändern, um so den Charakter der Siedlung zu erhalten. Die Grundstücksgrößen betrugen damals zwischen 520 und 600 qm. In der später hinzugekommenen Straße „An den Akazien", entlang der Bahnlinie, kamen nochmals sechs Grundstücke für Einzelhäuser hinzu, die infolge des Zuschnitts übernormal groß waren (in der Tiefe) und bis zu 3000 qm hatten. Die soziale Komponente bei der Vergabe der Bauplätze bestand damals darin, dass man  jungen und kinderreichen Familien, den Bau eines Eigenheimes ermöglichen wollte. Alle Platze dieses Baugeländes wurden in Erbaupacht, also auf 99 Jahre vergeben. Diese Häuser wurden überwiegend in Selbsthilfe errichtet.

Ein Zeitzeuge,der Chronist, berichtet

„Es war Ende des Jahres 1956. Ich war jung verheiratet und meine Familie zählte
vier Personen. Meine zweite Tochter Christine war gerade geboren. Wir wohnten in einem Doppelhaus in der Taunusstraße 9 im Dachgeschoss. Im Sommer litten wir sehr unter Hitze, da die Häuser damaliger Zeit unter dem Dach nicht isoliert waren. Ich klagte meine Sorgen wegen der doch sehr kleinen Wohnung dem damaligen Bürgermeister Georg Schad,der dann zu mir sagte.: „Du bist doch Maurer von Beruf- baue Dir ein eigenes Haus. Die Gemeinde gibt Dir einen Platz in Erbbaupacht. Du brauchst also den Platz nicht bezahlen.“ Ich entgegnete, dass ich, aus einer sehr kinderreichen Familie kommend, für einen Hausbau kein Geld hätte. Darauf sagte Herr Bürgermeister Schad: “Du bekommst Hilfe vom Staat in Form von günstigen Kreis- und Landesbaudarlehen.“

Ich bekam also,  in Erbbaupacht von der Gemeinde einen Bauplatz. Der Pachtzins betrug damals 35,70 DM/Jahr. Der Platz selbst stand voller Akazienbäumen und Sträuchern, die in Selbsthilfe von uns gerodet wurden. Jedenfalls hatte der Bürgermeister recht. Ich baute mein Haus mit staatlicher und gemeindlicher Hilfe, überwiegend in Selbsthilfe, und zog sodann Ende 1959 in mein Haus ein.

Durch  Beschlüsse des Gemeindevorstandes wurde Ende 1969 den Hauseigentümern in der Schönbacher-, der Alten-Mainzer–, der Schiller- und Industriestraße die Möglichkeit gegeben den Bauplatz zu einem Preis von 4 DM zu kaufen und damit die Erbaupacht abzulösen. Diese Aktion wurde ein Jahr später nochmals wiederholt, diesmal aber zu einem Preis von 6 DM pro qm. Diesmal kaufte auch ich meinem Bauplatz, für den ich an die  Gemeinde nun 3.570 DM zu zahlen hatte.

Interessant ist dabei noch, dass am 18. Oktober 1957 der Gemeindevorstand ankündigte, dass zukünftig Straßenanliegerkosten zu entrichten sind.
Die entsprechende Satzung hierzu hatte die Gemeindevertretung am 16. Oktober beschlossen. So dauerte es auch nicht lange, bis ich den entsprechenden Bescheid bekam. Hiernach hatte ich für die Kanalisation und die Herstellung der Straße insgesamt 775 DM an Erschließungskosten zu bezahlen. Abschließend möchte ich noch betonen. dass ich ohne Hilfe des Bürgermeisters und der Gemeinde nicht hätte bauen können.

Das Nauheimer Gewerbe, „Egerländer“ und Postgebäude eröffnet.

Im gewerblichen Bereich konnte  am 10. August 1951 die Gaststätte „Zum Egerländer“ an der Ecke der Straßen „Unter der Muschel" und „Schillerstraße“ eröffnet werden. Diese Gaststätte war ein beliebter Treffpunkt der Heimatvertriebenen. Aber auch Einheimische kehrten dort sehr gerne ein. Das traditionsreiche Nauheimer Malergeschäft Friedrich Daum konnte am 1.April  1957 sein 100jähriges Bestehen feiern und die Bundespost eröffnete am 29. November 1957  in der Bleichstraße, im ehemaligen Kindergarten, ein neues Postgebäude.

Die Nauheimer Kirchen:

Im kirchlichen Bereich wäre zu erwähnen, dass die evangelische Kirche am 25. Januar 1953 zwei neue Kirchenglocken erhält, nachdem die alten Glocken im Kriege zum Zwecke der Schaffung von Kriegsmaterial, abgegeben werden mussten. Am 1. Dezember 1953 konnte sodann die Nauheimer evangelische Kirche den Baubeginn ihrer Kirche vor 200 Jahren begehen.

Als besonderes kirchliches Ereignis in Nauheim  muss der Bau der katholischen Kirche gewertet werden. Durch den Zuzug der Heimatvertriebenen, die fast durchweg der katholischen Konfession angehören, wurde dieser Bau notwendig. Der Grundstein zur Kirche wurde am 2. Juni 1956 gelegt und bereits weniger als ein Jahr später, am 25. Mai 1957, konnte mit seiner Excellenz, dem Bischof von Mainz, Dr. Albert Stohr, die Kirche eingeweiht werden. Ein wahrhaft großer Tag für die Katholiken Nauheims.

Kleines deutsches Sonderwirtschaftswunder.

Es war eine rasante Entwicklung die, die Gemeinde Nauheim in den 50er Jahren genommen hat. So titelte auch die Heimatzeitung am 25. Oktober 1959, indem sie
die industrielle Entwicklung Nauheim als ein „Kleines deutsches Sonderwirtschaftswunder“ bezeichnete.  Als man im Jahre 1957 das 10-jährige Bestehen der Nauheimer Musikindustrie feierte, sprach man in der Welt vom deutschen Wirtschaftswunder. Ein beredtes Zeugnis hierfür war der in Nauheim aufblühende Industriezweig der Musikindustrie. In der Festschrift zum 25-jährigen Jubiläum der  Musikindustrie  brachte es die Journalistin  Ada Kadelbach  auf den Punkt als sie schrieb: “Manch ein Besucher damaliger Zeit, der das hessische Bauerndorf vor dem Kriege gekannt hatte, wird nun staunend durch die neuen  Straßenzüge der flächen- und einwohnermäßig enorm angestiegenen Gemeinde gewandert sein und sich gefragt haben, wie diese Entwicklung möglich war. Die Schwierigkeiten des Neubeginns sind oft und genug beschrieben worden. So weiß man auch, dass der blühende Aufschwung in den 50er Jahren das Ergebnis vielfältiger Umstände war. An oberster Stelle stand wohl das handwerkliche und kaufmännische Geschick, das die Neusiedler aus der alten Heimat mitbrachten. Dazu kam ein nicht zu brechender Wille, den selbständigen Neuanfang zu versuchen und eine ehrenvolle Tradition fortzusetzen. Diese inneren Kräfte wären aber wohl kaum zum Tragen gekommen, wenn die kommunalen und staatlichen Stellen nicht ganz erheblich mitgeholfen hätten, um den Wiederaufbau zu ermöglichen. Nicht zuletzt gehört zu den äußeren Kräften auch die zunächst erzwungene, später freiwillige Gastfreundschaft der alteingesessenen Nauheimer, ohne die der Neubeginn nicht denkbar gewesen wäre.

Wissenswertes - kurz berichtet.

An besonderen kommunalpolitischen Ereignissen der 50er Jahre, gibt es noch folgende:
Am 18. April 1953 wird Rudolf Hartl zum 1. Vorsitzenden der Heimatvertriebenen gewählt.
Am 5. Juli 1953 findet in Nauheim der 7. Kreisfeuerwehrtag, anlässlich des 25-jährigen Bestehens der “Freiwilligen  Feuerwehr". Anlässlich dieses Ereignisses gibt die Feuerwehr Nauheim eine Festschrift heraus.
Am 1. August 1953 feiern die Nauheimer Heimatvertriebenen  unter der Teilnahme zahlreicher Ortsvereine in der SKV-Halle  ihren „Tag der Heimat“.
Am 1. Oktober 1953 gründet sich in Nauheim der „Verein der Landfrauen“ dem zur damaligen Zeit noch überwiegend Frauen aus bäuerlichen Familien angehörten.
Am 29. Mai des Jahres 1954 begeht der sehr aktive Verein der „Geflügel & Kaninchenzüchter“ unter großem Aufwand sein 50jähriges Jubiläum, ebenso  ein solches Jubiläum feiert am 22. Juli 1954 der Verein der „Solidarität“ (Sandhasen).
Ein besonderes Ereignis jedoch war, unter starker Anteilnahme  der Bevölkerung, die mehrtägige Feier  des Kreises Groß-Gerau aus Anlass des 125-jährigen Bestehens. In der Sport & Kulturvereinigung Nauheim(SKV) wird am 9.September 1956 der Kegelclub „Gut Holz 1928“ wieder gegründet.
Es war der 4. November als der TV188/94 für den Bau seiner neuen Sporthalle In der Straße am Sportfeld den Grundstein legt, die dann nach fast zweijähriger Bauzeit am 29. Juni 1958  eingeweiht wurde. Begleitet wurde diese Einweihung  von einem vier Tage dauernden Turnfest, bei dem der Nauheimer Klaus Best Sieger in der Zehnkampf Kunstturnklasse  wurde.
Die notwendige  Verbesserung der Infrastruktur, erforderlich durch das stete Wachstum der Gemeinde und den Ansprüchen der Bürger an die Gemeinde erfuhr bereits in den 50er Jahren einen wesentlichen Fortschritt, auch damals schon spielte das Umweltproblem eine nicht unwesentliche Rolle. So ist es auch zu verstehen, dass die Gemeinde bereits am 1. August 1955, in eigner Regie,  die obligatorische Müllabfuhr einführt.
Im Jahre 1954 wurde der Kindergarten in der Schillerstraße eröffnet, womit das Provisorium in der Bleichstraße nunmehr ein Ende hatte.
Der Festplatz, der sich seither in der Bachgasse, im Volksmund  „Dreiheisergasse“ genannt befand, wurde nunmehr an der Schillerstraße am 7. Dezember 1955 angelegt.
Ebenso in diesem Jahre wurde, aufgrund des raschen Wachstums der Gemeinde der Neubau eines Rathauses erforderlich, sodass in der Weingartenstraße, dem Baugebiet „Unter der Muschel“ die Gemeinde das erforderliche Gelände hierzu erwarb.

Der Sport in Nauheim

Auch im sportlichen Bereich machten die Nauheimer Sportvereine von sich reden. So konnten in den 50er Jahren folgende Siege und Meisterschaften errungen werden:
Hierbei ist besonders hervorzuheben, dass es in der SKV bereits im Jahre 1948 eine Boxstaffel gab. So fanden am  22. Mai 1948  die ersten Südhessischen Boxmeisterschaften der Jugend statt. Die Nauheimer Boxstaffel zählte unter ihrem Trainer Willi Lahr, Rüsselsheim, 13 Boxer. Einer von ihnen war Erwin Rauch, der am 27. Januar 1950 im IG-Farben Hochhaus in Frankfurt den „Goldnen Handschuh“ von Hessen gewann.
22.Juli 1951            Die Mädchen der Solidarität errangen in Laubach Gießen die Gaumeisterschaft beim Kunstradfahren und im Rollschuhlaufen.
6. Juli 1952             Die Saalradsportler der SKV gewannen vier Jugendmeisterschaften.
15. August 1953   Bei den Westdeutschen Meisterschaften der Solidarität konnten die Nauheimer Mädels fünf Titel  beim Radfahren und Rollschuhlaufen gewinnen.
5. Oktober 1953    Die Radsportlerinnen der Solidarität wurden in Würzburg Bundesmeister im 6er Kunstreigen sowie im 2er und 6er Rollschuhreigen.
9.Juli 1955              Erneut holen sich die Mädchen  der Solidarität wieder beiden Westdeutschen Meisterschaften den Titel im 6er Kunstreigen sowie  dem 6er Rollschuhreigen.
10.August 58         Der Nauheimer Helmut Köhler“ genannt der „Muschelschreck“ holte für Nauheimer Sandhasen den Titel eines Bundesmeisters im Sicherheitsfahren der Klasse C 500 in Nürnberg.              

Köstler-Gebäude
               

Die 60er Jahre

Allgemeines zur Entwicklung in den Jahren 1960 –1964

Der gemeindliche enorme Aufbau in den 50er Jahren wurde im besonderen auch durch die Zusammenarbeit von Alt- und Neubürgern bewerkstelligt. Die Bürger haben hierbei mutig und voller Tatkraft, in demokratischer Weise, einen starken Anteil am Aufbau ihrer Gemeinde beigetragen, indem sie den Wechsel von einem diktatorischen in ein demokratisches Staatswesen gut angenommen haben. Sie nahmen regen Anteil am gemeindlichen Geschehen und sind damit zu einem bewussten ,unabhängigen und freien Bürgern geworden, wobei das neue ,in 1949 geschaffene Grundgesetz, Richtschnur ihres Handelns war. Nauheim entwickelte sich jetzt mehr und mehr zu einer industriellen Gemeinde und wandelte sich immer mehr von einer einst landwirtschaftlich geprägten Gemeinde  in eine Arbeiterwohnsitzgemeinde. Vom Kriegsende bis zum Jahre 1960 wurden in Nauheim  durch einen unbändigen Aufbauwillen 380 Wohnhäuser gebaut; die Zahl der in dieser Zeit errichteten Gewerbebetriebe beträgt 183.

Dieses enorme und letztlich unorganische Wachstum ließ zu den zahlreichen, aus der Vorkriegs- und Nachkriegszeit, ungelösten Nachholaufgaben viele neue Fragen treten, wie sie bisher noch keiner Generation gestellt waren. Dabei stieg jedoch das Finanzvolumen der Gemeinde in diesem Zeitraum nicht im gleichen Maße wie die öffentlichen Aufgaben. Dabei jedoch ist aber auch festzustellen, dass die ersten vier Jahre der 60er geprägt waren von ständig steigenden Ansprüchen  der Einwohner an die kommunalen Einrichtungen und Dienste. So hat die Gemeinde in Erkenntnis all dieser Zusammenhänge  und der Verpflichtung zur Bereitstellung von Bauland zahlreiche Grundstücke erworben, die möglichst bald einer Bebauung zugeführt werden sollten. So beschränkte sich das Wachstum der Gemeinde zunächst  auf die Eröffnung des Baugebietes „Am Schleifweg“.

Die Bevölkerungs- und  Sozialstruktur blieb in den ersten vier Jahren der 60er Jahre  fast unverändert. Nauheim jedoch behielt weitestgehend den Charakter einer Arbeiterwohnsitzgemeinde, obwohl sich die ortsansässige Industrie,  durch verschiedene  konjunkturbedingte Umstellungen,  stark entwickelt hat. So waren es insgesamt in Nauheim 1237 Auspendler, die überwiegend im Automobilwerk der Adam Opel AG in Rüsselsheim ,ihren Lebensunterhalt verdienten. Dem raschen Ansteigen der industriellen Arbeitnehmer stand jedoch ein leichter Rückgang der Zahl der Beschäftigten in der Landwirtschaft gegenüber. Nicht verschwiegen werden darf, dass die wirtschaftliche Entwicklung Nauheims  den Heimatvertriebenen zu verdanken ist, die aus kleinsten Anfängen eine ansehnliche eigenständige Industrie aufgebaut und sich reibungslos in das Gemeinwesen eingegliedert haben.

Damals schon wurde seitens der Gemeindeverwaltung festgestellt: „Wenn auch die Heimatvertriebenen das Andenken, das Kulturgut und Brauchtum ihrer alten Heimat pflegen, so sind doch die beiden Bevölkerungsgruppen, Neubürger und Altbürger, im täglichen Leben schon längst nahtlos verschmolzen: es gibt heute nicht mehr den „Nauheimer" und den „Flüchtling“, sondern nur noch Nauheimer Bürger. 2600 Heimatvertriebene waren es, die zu diesem Zeitpunkt in Nauheim lebten.

Die Gremien der Gemeinde

Wie auch in all den Jahren nach dem Kriege, wurden alle wichtigen Entscheidungen von der Gemeindevertretung getroffen. Der Gemeindevorstand hingegen ist das Verwaltungsorgan der Gemeinde. In der Legislaturperiode 1960 – 1964 gehörten der Gemeindevertretung 18 Mitglieder und dem Gemeindevorstand vier Mitglieder an. Werden die Gemeindevertreter von der Bevölkerung gewählt, ist es die Gemeindevertretung, die den Gemeindevorstand nach den Bestimmungen der Hauptsatzung wählt.

Die Kommunalwahl 1960.

In der am 23. Oktober 1960 stattgefundenen Kommunalwahl beteiligten sich von insgesamt 3638 Wahlberechtigten 3145 Wähler durch Abgabe einer Stimme. Dies entspricht einer Wahlbeteiligung von 86,45 %, einer sehr guten Wahlbeteiligung also.
Bei dieser Wahl erhielten:
Die Sozialdemokratische Partei:     1711 Stimmen = 54,5 %  = 10 Sitze
Die Ortsgemeinschaft Nauheim:        960 Stimmen = 31,0 %  =   6 Sitze (CDU-FDP-Unabhängige)
Der Gesamtdeutsche Block (BHE):    474 Stimmen = 15,0 %   =   2 Sitze
Das Parlament setzte sich danach wie folgt zusammen:
SPD: Fritz Jacobi- Hans Schäfer - Adolf Richter - Hans Fuchs - Fritz Damme - Hermann Reitz- Kurt Kaul - Edmund Hornung - Willi Fischer - Elsa Becker.
OGN: Adam Sünner- Adam Lochhaas- Fritz Jütte- Heinz Kaul- Heinrich Hof - Alwin Geyer.
BHE:  Bruno Pötzl- Elias Forberich
Zum Gemeindevertretervorsteher wurde Kurt Kaul (SPD) gewählt.
Dem Gemeindevorstand gehörten damals an:
Bürgermeister Georg Schad bis zum 31. August 1963
Dr. Herbert Fürbeth, Bürgermeister (hauptamtlich - SPD) ab 1. 9. 1963.
Friedrich Daum, Erster Beigeordneter und damit Stellvertreter des Bürgermeisters (ehrenamtlich - SPD) Ehrenbürger der Gemeinde Nauheim.
Wilhelm Berz (ehrenamtlich - OGN)
Otto Spieler (ehrenamtlich – SPD)
Zur Bewältigung der kommunalen Aufgaben bildete das Parlament zur Vorbereitung der Beschlüsse in der Gemeindevertretung folgende vier Ausschüsse: Haupt- und Finanzausschuss, Bau- und Siedlungsausschuss, Kultur- und Sportausschuss, Landwirtschaft– und Forstausschuss.
So fanden in dieser Legislaturperiode insgesamt 36 öffentliche Gemeindevertretersitzungen  und mehr als 140 Sitzungen des Gemeindevorstandes statt.

Die Nauheimer Schule

Als besonderes Ereignis auf dem schulischen Sektor ist der Bau einer neuen Schule zu nennen, wobei, so kann man sagen, vorbildliches geleistet wurde, so dass die Eltern der Kinder sicher sein konnten, dass auch nach der Einführung des 9. Schuljahres, ihre Kinder in gesunden und modern ausgestatteten Räumen untergebracht sind, in denen die Vorraussetzungen für einen zeitgemäßen Unterricht in vollem Maße gegeben sind.

Zunächst wurden durch den 1963 vollendeten  Neubau von Schule und Turnhalle, als letztes Werk des bis zum 7. Mai 1963 amtierenden Bürgermeisters Georg Schad, die räumlichen Bedingungen für einen normalen Schulunterricht geschaffen. In diesem Neubau befinden sich 14 Klassenräume, die erforderlichen Räume für die Lehrerschaft sowie moderne sanitäre Einrichtungen. Nach der Fertigstellung der neuen Schule wurde der Umbau der alten Schule in Angriff genommen, sodass es trotz der umfangreichen Bauarbeiten zu keiner Störung des Unterrichts kam. In der „alten Schule“ wurden jetzt durch Umgestaltung zwei Großklassenräume, je ein Fachklassenraum für Physik und Chemie, Werken, Handarbeit und eine moderne Schulküche  mit vierfacher familiengerechter Einrichtung und Ausstattung. Die Fachklassen und die zugehörigen Nebenräume wurden so ausgerüstet, dass der praktische Unterricht in kleinen Arbeitsgruppen vorgenommen werden konnte, wie es auch neuzeitlicher und moderner Pädagogik entsprach. Auch der Neubau der Schulturnhalle war ein wichtiger Teil des Schulbauprogramms der Wahlperiode. Die Schulturnhalle hat eine Grundfläche von 12 mal 24 Quadratmeter und wird damit allen Ansprüchen gerecht. Die Auswahl der Turn- und Spielgeräte bestimmte sich nach den Erfordernissen moderner Körpererziehung. Umkleide und Duschräume, ein Geräteraum auf der einen, eine durchgehende Glaswand auf der anderen Längsseite vermitteln den Eindruck geschickter Raumgestaltung. An der Stirnseite des Baues wurden alle Vorkehrungen getroffen, damit später einmal ein Bühnenhaus angebaut werden kann,  um die Halle künftig  für kulturelle Veranstaltungen nutzen zu können. So wird sich, so hatte man es damals im Sinne, die Halle zu einem kommunalen Zentrum der Kultur– und Leibeserziehung entwickeln.

Kultur, Gemeinschaftspflege und zoziale Verpflichtung

Auch im Bereich der Gemeinde waren diese Projekte ein wesentlicher Baustein zur Gestaltung einer lebenswerten  zukünftigen Gemeinde mit einer angenommenen modernen Zukunftsentwicklung. Sozial-, Kultur- und Gemeinschaftspflege leistete die Gemeinde bereits in den Jahren 1960 – 1964 enormes. So hat die Gemeinde in dieser Zeit für diese Zwecke jährlich mehr als 25000 DM bereitgestellt. Für die damalige Zeit ein wesentlicher finanzieller Beitrag, von dem auch das Volksbildungswerk unterstützt wurde, dem die Gemeindevertreter schon damals eine große Bedeutung beimaßen.

Ein Gemeindearchiv wird angelegt.

Seit 1962 werden erstmals bei der Gemeindeverwaltung  rund 7000 Einzelakten  mit zahllosen Schriftstücken, Urkunden  und Rechnungsbelegen in einem Archiv geordnet und so  angelegt, dass diese in übersichtlicher Form Zeugnis ablegen können über vergangene Zeiten. Dafür wurden im Haushalt der Gemeinde DM 9000 bereitgestellt.

Unterstützung für die Kirchen.

Im reichlichen Masse wurden auch die Kirchen und Religionsgemeinschaften tatkräftig unterstützt. So wurden zum Beispiel der evangelischen Kirchengemeinde in den Jahren 1962 - 1964 für die Ablösung alter Rechte 41.130 DM gezahlt. Zudem erhielt die evangelische Kirche den Einbau einer Kirchturmuhr  von der Gemeinde bezahlt.

Die katholische Kirche erhielt für den Neubau  der St. Jakobus-Kirche einen Zuschuss von DM 5000 für die Anschaffung der Kirchenglocken DM 3000 sowie für das katholische Jugendheim einen Zuschuss von DM 3000.

Auch die freireligiöse Gemeinde bekam für die Errichtung ihres Jugendheimes einen Zuschuss von DM 5000. Nicht zuletzt stellte die Gemeindevertretung ebenso Finanzmittel für die Errichtung eines Gedenksteines am Eingang des Friedhofes für die Gefallenen des 2. Weltkrieges bereit.

Was früher ein Werk der Barmherzigkeit oft nur einzelner war, wurde jetzt, im Zeitalter der Menschenrechte die soziale Verpflichtung  zu einer Verpflichtung der Allgemeinheit. Wenn  diesbezüglich in den Jahren 1960 – 1964 die soziale Ausgaben der Gemeinde sich auf mehr als 295.000 DM. Damit nimmt die Sozialbetreuung einen breiten Raum, in der Meinung von Parlament und Verwaltung ein, d.h. die Gemeinde steht in Fällen der materiellen Not ihren Bürgern bei. So erhalten im Berichtszeitraum 15 - 20 Familien vorübergehend oder laufend Sozialunterstützung. In ca. 80 Fällen wurde einem akuten Notstand durch einmalige besondere Beihilfen geholfen. Weiterhin zahlt die Gemeinde  an Bedürftige Hausbrand und Weihnachtsbeihilfen aus. In 240 Fällen wurden von der Gemeindeverwaltung Rentenanträge bearbeitet. Besonders bei Menschen, die ihre Heimat verloren haben, entsteht oft durch die meist schwierige Beschaffung von Belegen und sonstigen Versicherungsunterlagen viel Verwaltungsarbeit.

Jährlich in der Vorweihnachtszeit lädt die Gemeinde ihre älteren Mitbürger zu einer gemeinsamen Feier mit künstlerischer, unterhaltender Umrahmung ein. Dabei gibt es Kaffee und Kuchen und bei einem Glase Wein erlebt man ein freundliches Wiedersehen. Erinnerungen werden ausgetauscht, die manches alte Herz wieder jung werden lassen. Ebenso fördert die Gemeinde mit Spenden und Zuschüssen die Organisationen der freien Wohlfahrtspflege.

Kindergärten, Spielplätze und Gemeindeschwesternstation.

Aber auch in der Unterstützung der Jugend und der Jugendpflege sieht die Gemeinde eine zunehmende Verpflichtung. Der in der Zeit von Bürgermeister Georg Schad errichtete Kindergarten in der Schillerstraße musste zwar erweitert werden, genügte aber schon nicht mehr den Anforderungen  der schnell wachsenden Gemeinde. So wurde jetzt im freigewordenen alten Schulgebäude, durch grundlegenden Umbau, nach neuen Erkenntnissen und den Landesrichtlinien entsprechend, ein zweiter Kindergarten eingerichtet, der dann auch 1964 eröffnet wurde. Dabei ist interessant zu wissen, dass dieser Kindergarten damals insgesamt 100.000 DM kostete. Damals schon standen die Einnahmen an Benutzungsgebühren in keinem Verhältnis zu den Kosten, die ein gemeindebetriebenen Kindergarten kostete. So ist es interessant zu erfahren, dass der Kindergarten in der Schillerstrasse einen jährlichen Aufwand von DM 50.000 erforderte, während dem sich Gebühreneinnahmen auf nur DM 9000 beliefen.

Weiterhin sah sich die Gemeinde im Zuge des Wachstums der Gemeinde und dem damit einhergehenden Wachstums des Verkehrs, was wiederum eine Gefährdung für die Kinder auf den Straßen bedeutete, veranlasst, für die Kinder unter 14 Jahren, Spielplätze anzulegen. Für solche Einrichtungen in der Schillerstraße, der Waldstraße und am Sandberg ,die alle mit Schaukeln, Klettergerüsten, Rutschbahnen, Sandkästen und Sitzbänken ausgestattet wurden mussten schon damals mehr als DM 50.000 gezahlt werden. Um armen und hilfsbedürftigen Menschen zu helfen, auch in der Sorge um die Gesundheits- und Jugendpflege, wurde 1964 eine Gemeindeschwesternstation eingerichtet. Diese Einrichtung konnten Hilfsbedürftige kostenlos in Anspruch nehmen.

Bürgermeister Heinrich Kaul IV

Heinrich Kaul IV. der legendäre Nauheimer Bürgermeister (1888 – 1965)

Heinrich Kaul hat diese Wertschätzung für sein jahrzehntelanges unermüdliches Wirken in unserer Gemeinde verdient. Er war ein Visionär, der schon sehr frühzeitig und trotz aller Widerstände vor Ort über den Tellerrand schaute, mit großem Weitblick die Entwicklung seiner Gemeinde auch in zwei oder drei Jahrzehnten im Auge hatte und sein politisches Handeln daran ausrichtete. Mit Geduld, Ausdauer und einer gehörigen, nicht allen angenehmen Portion Hartnäckigkeit ausgestattet, war es immer sein Bestreben, nicht die Erstbeste, sondern die wirklich Beste aller möglichen Entscheidungen zu treffen. Mit Fleiß und Sorgfalt arbeitete er sich nach seiner Wahl im Dezember 1919 in die vielfältige Materie ein, und dies als ehrenamtlicher Bürgermeister, der vorher nach seiner Lehre in der Bahnverwaltung als Eisenbahnassistent beschäftigt war und zusätzlich einen Landwirtschaftsbetrieb in der Rathausstraße führte. Er erwarb sich Fachwissen und Sachverstand für die vielen Probleme, die kurz nach dem 1. Weltkrieg in einer kleinen, vorwiegend bäuerlichen Gemeinde mit etwas über 2000 Einwohnern anstanden und er gewann in dieser Zeit viele Bekanntschaften in höheren Verwaltungsebenen, die ihm später sehr zustatten kommen sollten.

Auch mit der neuen Form der politischen Mitbestimmung, nämlich der Demokratie, mussten sich die damaligen Gemeinderäte und der Bürgermeister erst einmal auseinandersetzen. Die Demokratie lebt von der Vielfalt der Meinungen und diese prallten auch schon in den zwanziger Jahren in Nauheim hart aufeinander. Waren die Gewichte damals auch anders, so herrschte doch so etwas wie Aufbruchstimmung in einem begrenzten Maße. Dieses Maß war gezeichnet von allgemeiner Armut, Inflation und auch den Repressionen durch die Siegermächte, die aus den Vereinbarungen des Versailler Vertrages herrührten. Hier wundert es nicht, dass Heinrich Kaul für sein Engagement in Nauheim bestraft wurde, als er von der französischen Besatzungsmacht sogar kurzfristig aus Nauheim ausgewiesen wurde. Er war jedoch nicht nur Bürgermeister in Nauheim, sondern gehörte auch in den 20er Jahren für die Sozialdemokratische Partei dem Provinzialtag der Provinz Starkenburg an engagierte sich demzufolge im überörtlichen Bereich. Ganz Lokalpatriot, versuchte er in den 20er Jahren landwirtschaftliche Nauheimer Erzeugnisse und vor allem Nauheim als von Waldungen umgebenes Ausflugsziel mit vielen Aktivitäten und auch über private Mitgliedschaften in damals sehr aktiven Reise-, Radfahr- und Wanderverbänden überörtlich bekannt zu machen.

Da Nauheim bis nach dem 2. Weltkrieg immer noch sehr stark landwirtschaftlich und auf den Obstanbau orientiert war, sind viele der von Heinrich Kaul eingeleiteten politischen Entscheidungen unter dieser Prämisse zu sehen. An erster Stelle stand die Einrichtung des Obst- und Gemüsemarktes, die Nauheim in diesen Jahren zu einem wichtigen Standort des Obst- und Gemüseanbaus, vor allem des Spargelbaus, in der Region werden ließ.  Der Obst- und Gemüsemarkt war eine rein Nauheimer Erzeugergründung, um sich aus der „ausbeuterischen“ Abhängigkeit, wie es zeitgenössisch hieß, der die Preise zu stark drückenden Obstaufkäufer und Händler zu befreien. In Groß-Gerau war die Starkenburger Obst- und Gemüseabsatzgenossenschaft (Stoga) ansässig; diese war überörtlich tätig und der Nauheimer Obst- und Gemüsemarkt  Mitglied dort. Zwischen dem Stoga- Vorsitzenden Bernhard und Heinrich Kaul gab es jedoch unüberwindliche Hindernisse, auch um die Frage des Standortes einer Obst- und Gemüsehalle in Nauheim. Nach kurzem und heftigen Streit schieden die Nauheimer aus der Stoga aus und bauten ihre Halle in der Wilhelmstraße (heutige Carlo-Mierendorf-  Straße) alleine. Bei den schlechten wirtschaftlichen Verhältnissen dieser Zeit ging der Alleingang der Nauheimer nicht lange gut. Der Obst- und Gemüsemarkt ging in Konkurs, die Gemeinde wurde Eigentümerin des ganzen Areals und die Mitglieder trugen den finanziellen Verlust - eine hohe Bürde. 1934 kaufte die Stoga die Halle sehr günstig und hatte dann ihren Sitz in Nauheim.

Ende der zwanziger Jahre dehnte sich der Ort in Richtung der heutigen Bleichstraße/ Jahnstraße/ Steinstraße aus, über der Bahn begann die Erschließung des Gebietes bis zur Landstraße Bischofsheim/Groß-Gerau, die Bebauung entlang der Königstädter Straße wurde erweitert. 1927 wurde die Halle der Sport- und Kulturvereinigung errichtet, 1929 die Wasserleitung gelegt. Es gab weitere Verbesserungen im Straßen- und Wegebau. Die Gemeinde legte den neuen Sportplatz an, es entstand ein Reitplatz und ein Schießstand. Der Waldfriedhof wurde in Betrieb genommen und schon in dieser Zeit, was für die Weitsichtigkeit von Heinrich Kaul spricht, gab es Überlegungen, den Straßenverkehr aus der Innerortslage auszulagern und eine Überführung der Bahnlinie in Höhe der heutigen Dresdener Straße zu bauen. Die Verhandlungen mit der damaligen Reichsbahn führten jedoch zu dem Ergebnis, dass die „Entscheidung späteren Generationen vorbehalten bleiben sollte“.

Wenn man die alten Urkunden sieht und gezielt im Archiv nachforscht, kann man feststellen, dass am Ende der zwanziger Jahre die positive Grundstimmung der Weimarer Zeit stark getrübt war durch die Arbeitslosigkeit, durch die Wohnungsnot, durch eine Polarisierung im politischen Bereich, die es einem ehrenamtlichen Bürgermeister nicht leicht machte, eine Verwaltung zu führen und für eine Gemeinde mit ca. 2300 Einwohnern Verantwortung zu tragen.

Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten endete auch die Amtszeit des freigewählten Bürgermeisters Heinrich Kaul. Dieser Akt wurde vollzogen mit der lapidaren Mitteilung - ich zitiere: „Der Herr Minister des Innern in Darmstadt hat durch Verfügung vom 9. Mai 1933 aufgrund des § 1 der Verordnung zur Sicherung der Verwaltung und der Gemeinden vom 20. März 1933 die Amtszeit des Bürgermeisters Kaul für beendet erklärt.“

Mit einem Federstrich wurde der demokratisch gewählte Bürgermeister aus dem Amt gejagt - die Bezüge wurden ihm gesperrt.

Als Garant für diese Tugenden und als Mann der ersten Stunde übernahm Heinrich Kaul, mit der ihn auszeichnenden Tatkraft und Weitsicht, von  April 1945 bis Mitte Juli des gleichen Jahres kommissarisch das Amt des Bürgermeisters.

Mit der Gemeindewahl im Jahr 1946 wurde Heinrich Kaul vom ersten demokratischen Nachkriegs -Gemeinderat wiederum zum ehrenamtlichen Bürgermeister gewählt. Dieses Amt hatte er bis zum Juni 1948 inne. In dieser Zeit herrschte überall größte Not, viele Väter und Söhne waren im Krieg gefallen oder befanden sich noch in Gefangenschaft. Aber der kleinen, immer noch landwirtschaftlich orientierten Gemeinde mit etwas über 2700 Einwohnern, stand noch eine viel größere Belastungsprobe ins Haus, nämlich ab dem Jahre 1946 kamen Tag für Tag Heimatvertriebene aus dem Erzgebirge und dem Egerland in Nauheim an.

Heinrich Kaul betrachtete diese sowohl für die Heimatvertriebenen als auch die hiesige Bevölkerung außerordentlich problematische Situation jedoch als Herausforderung und Chance, die Entwicklung Nauheims neu zu definieren, und zwar wiederum über den Tellerrand hinaus gesehen. Er erkannte trotz der Hungerjahre früh die schwindende Bedeutung der Landwirtschaft und die steigende der Industriebetriebe, speziell hier in diesem Moment als Standort der

Musikindustrie und als Wohnsitzgemeinde - vor allem auch verbunden mit einem wirtschaftlichen Aufschwung.

Wenn man die Wortprotokolle der Gemeinderatssitzungen aus diesen Jahren aufmerksam liest, kann man erkennen, welche Probleme einerseits die Unterbringung bereitete, aber auch andererseits mit welchem Einfallsreichtum und unter Zurücksetzung eigener Interessen die Bürger diese Herausforderung annahmen. Heinrich Kaul hatte zusammen mit dem Gemeinderat und der Verwaltung Lösungen zu finden. So stampfte er in dieser Zeit einen Ortsbebauungsplan aus dem Boden um Bauland für die Heimatvertriebenen zur Verfügung zu stellen und  er bot den Musikinstrumentenbauern die Möglichkeiten , in Ställen, in alten Werkshallen, in  Kellern und sogar in der Grundschule vorübergehende Werkstätten einzurichten. Er trieb die Baulandumlegung voran - und damals fragte keiner nach Ausgleichspflanzungen, Landschaftsplan o.ä. Vorschriften, die die heutigen Planungen der Gemeinden so einengen. Gefragt waren Initiative, Innovation und Zupacken.  Sehr schnell hatten die politisch Verantwortlichen auch erkannt, dass die Heimatvertriebenen nicht nur Betroffene, sondern auch Beteiligte sein sollten. So gründeten sich, Kommissionen mit den verschiedensten Aufgabengebieten, in denen auch die Heimatvertriebenen mitarbeiteten. Heinrich Kaul war auch Mitbegründer der Nauheimer Baugenossenschaft, die dafür verantwortlich zeichnete, dass das Gebiet Unter der Muschel bebaut werden konnte. Es wurden Anteilscheine ausgegeben, die sog. Kinosteuer eingeführt, wo durch die beiden ortsansässigen Lichtspieltheater und bei den Vereinsveranstaltungen pro verkaufter Karte einen Betrag von 10 Pfennigen Aufschlag erhoben wurde, der dann der Flüchtlingshilfe und dem Wiederaufbau zugute kam. Damals ging es tatsächlich auch um Pfennig- und Markbeträge, die aber tatsächlich die schlimmste Not lindern konnten. Auf Initiative des Bürgermeisters sprang die Gemeinde oftmals als Bürge bei privaten Bauvorhaben ein. Die Gemeinde selbst verschuldete sich nicht unerheblich für die Erschließungsmaßnahmen in dem Neubaugebiet „Unter der Muschel“.

In den Kommissionen, z.B. der Baukommission, der Verwaltungskommission, der Wohnungskommission, der Forst- und Waldkommission, der Mangelwarenkommission sowie im Gemeinderat, jagte eine Sitzung die andere; manchmal sogar zweimal in der Woche musste beraten und schnell entschieden werden. So waren Bezugsscheinverwaltung, die Zuteilung von Mobiliar, der Einschlag von Holz, um Möbel in Selbsthilfe zu bauen, die Winterbrandbeschaffung usw., wichtige Themen, verfolgt man die Wortprotokolle, gab es mitunter sogar sehr harte Auseinandersetzungen.  Aber, da alle anpackten, konnte die erste Not gelindert werden, hatten die Musikinstrumentenbauer Möglichkeiten, ihr Handwerk wieder auszuüben. Es baute sich im Umfeld der Neubürger, aber auch unter Einbezug der Einheimischen ein Vereinsleben auf; es begann eine langsame aber stetige Normalisierung. Natürlich waren die Menschen in dieser Zeit weitaus bescheidener und schon mit kleinen Erfolgen zufrieden. So stellten Vertreter der Hess. Landesregierung im Jahre 1951 anlässlich der 1100-Jahr-Feier Nauheims dann die Integration der über 2000 Heimatvertriebenen in der kleinen Schwarzbachgemeinde tatsächlich wie ein „Wirtschaftswunder im Kleinen“ dar. Nauheim war damit beispielgebend für andere Kommunen.

Nach seiner aktiven Amtszeit im Jahre 1948 wechselte Heinrich Kaul zur Liberaldemokratischen Partei, der späteren Ortsgruppe der Freien Demokratischen Partei und war von 1948 bis 1960 Mitglied der Gemeindevertretung. Er gestaltete auf diese Weise weiterhin die Geschicke unserer Gemeinde mit. Von allen Zeitgenossen, seien es nun Freunde oder politische Gegner gewesen, wurde Heinrich Kaul eine große Fachkompetenz und Weitsicht bescheinigt, mit der er für Nauheim wirkte. Zweimal hat in sehr schwierigen Zeiten Heinrich Kaul sich große Verdienste um Nauheim erworben. Darüber hinaus war er auch stets in seiner beruflichen Tätigkeit als Landwirt und Obstanbauer, u.a. auch als Vorsitzender des Obst- und Gartenbauvereins, vielen seiner Mitbürger Vorbild. Er war ein Aktivist, der sehr viel leistete, der allerdings auch einen gewissen Hang zur Autorität seinen Untergebenen gegenüber hatte, wenn diese seinen Ideen - seiner Ansicht nach - nicht schnell genug folgten. Dies führte auch manchmal zu Handlungen der Ungeduld, die ihm nicht nur Freunde erwachsen ließ. In seinem ganzen Leben blieb er aber immer einfacher Bürger unter Bürgern, vor allem sprach er ihre Sprache.

Nicht zuletzt war er der erste, der sich intensiv mit der Dorfgeschichte und den Haus- und Familiengeschichten Nauheims befasste. Leider sind von diesen, seinen Aktivitäten, nur die Randbemerkungen in unzähligen Archivalien erhalten.

Nach seinem Tod im Jahre 1965 ehrten die Gemeindevertreter den Altbürgermeister posthum mit der Verleihung der Ehrenplakette, die ihm als erstem Nauheimer Bürger verliehen wurde und benannten die Rathausstraße in Heinrich-Kaul-Platz um.

(Diese Würdigung von Bürgermeister Heinrich Kaul IV erfolgte auf dem Waldfriedhof Nauheim am 17.August 1999, anlässlich der Wiederkehr des 110. Geburtstages von Heinrich Kaul IV, von Bürgermeister Helmut Fischer,der damit Kauls lebenswerk würdigte. Es wäre geradezu sträflich diese Würdigung in der Ortschronik keine Beachtung zu schenken. Diese Würdigung wurde in Auszügen, bis auf nicht personenbezogene  Abschnitte, wiedergegeben.)

Heinrich Kaul IV war gerade 31 Jahre alt, als  er 1919, durch Urwahl direkt in das Amt eines ehrenamtlichen Bürgermeisters gewählt wurde Dieses Amt hatte er sodann inne bis 1933. Geboren wurde Heinrich Kaul in der Waldstraße 18, in dem Haus  in dem sich heute ein Frisörladen befindet. 1948 wurde Heinrich Kaul,  Sozialdemokrat in den Ruhestand geschickt. Bis zu diesem Zeitpunkt war er auch seiner Partei der SPD treu geblieben.  Danach aber trat er aus der SPD aus und kandidierte fortan  auf der Liste einer Wählergemeinschaft für die er von 1948 bis 1960 als Gemeindevertreter tätig war. Dabei ist es bei der Würdigung der Bürgermeister auch wichtig die Namen derer in der Chronik festzuhalten die in der Amtszeit des Bürgermeisters  „HK IV“, wie er im Volksmund genannt wurde , mit ihm gemeinsam im Ortsparlament als Parlamentarier Verantwortung getragen haben: Dies sind: Friedrich Daum - Georg Schad - Philipp Poth IV - Georg Diehl VII - Michael Stork und Georg Lochmann.

Bürgermeister Georg Schad

In Memoriam Bürgermeister Georg Schad

Anlässlich der Wiederkehr des 100 Geburtstages von Georg Schad am

10. August 1998 würdigte Bürgermeister Helmut Fischer, auf dem Waldfriedhof in Nauheim an dessen Grab das Lebenswerk des Bürgermeisters. Es wäre geradezu sträflich dieser Würdigung in der Ortschronik keine Beachtung zu schenken, die in der Folge in Auszügen, bis auf nicht personenbezogene  Abschnitte, wiedergegeben werden.

Georg Schad

Entwicklungen früh erkennen, den Blick für das Notwendige und Machbare haben, die Gemeindefinanzen in geordnete Bahnen lenken, aber auch Zukunft nicht nur über eine Zeitspanne weniger Jahre zu begreifen - diese Eigenschaften zeichneten Altbürgermeister Georg Schad aus. Wenngleich er wie auch Heinrich Kaul IV. für ihre Visionen über die Entwicklung Nauheims von Zeitgenossen manchmal belächelt wurden - der Verlauf der Geschichte bestätigte ihr damaliges Handeln.

Georg Schad war gebürtiger Nauheimer und erlernte nach dem Schulbesuch das Zimmermannshandwerk. Die berufliche Ausbildung schloss er mit der Meisterprüfung ab und war fortan als selbständiger Zimmermeister tätig.

Schon früh schloss er sich der Sozialdemokratischen Partei an, für die er auch kurze Zeit vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten in der Gemeindevertretung tätig war. Kurz nach dem Krieg gehörte er wieder dem 1946 frei gewählten Gemeinderat an und übernahm als Beigeordneter die Vertretung von Bürgermeister Heinrich Kaul IV.

Nach dem Ausscheiden von Heinrich Kaul wurde er 1948 von der Gemeindevertretung zum ehrenamtlichen Bürgermeister der Gemeinde Nauheim gewählt. Er konnte nahtlos die Arbeit seines Vorgängers übernehmen, die Zeit selbst war natürlich immer noch sehr schwierig, die Probleme kaum weniger - dennoch konnte man so etwas wie Aufbruchstimmung spüren, die ersten eingeleiteten Maßnahmen trugen sehr langsam Früchte. In einer Gemeinde mit einer sehr schwachen Finanzkraft fehlte es natürlich an allen Ecken und Enden. Dennoch unternahmen alle politisch Verantwortlichen ungeheure Anstrengungen, die Situation zu meistern.

1949 begann der Bau eines Mehrfamilienhauses in der Georg Diehl-Straße, im Bereich um den Sportplatz stellte die Gemeinde Gelände für den Bau von Werkstätten für die Musikindustrie zur Verfügung. 1950 begann der Wohnungsbau in der verlängerten Goethestraße. Das neue Schulhaus wurde 1951 gebaut. Im gleichen Jahr wurde die Baulandumlegung Unter der Muschel mit rd. 100.000 qm durchgeführt. Ebenfalls 1951 feierten die Nauheimer die 1100jährige Wiederkehr der ersturkundlichen Erwähnung im Lorscher Codex mit einem großen Fest, das den ganzen Charakter der Aufbruchstimmung und des Hoffens auf eine bessere Zukunft widerspiegelte. Georg Schad war der Initiator dieser Festveranstaltung.

1952 erfolgte die Wiederwahl von Georg Schad und die Umwandlung der ehrenamtlichen in eine hauptamtliche Bürgermeisterstelle. Der Ausbau des Schulhausbades, die Fertigstellung der Blechschneise, der Friedhofshallenbau - dies alles zeugt von der ungeheuren Aktivität dieser Zeit. 1954 wurde der Kindergarten Schillerstraße errichtet. Das Provisorium in der Bleichstraße hatte ein Ende. Bereits 1955 erwarb die Gemeinde Gelände für einen Rathaus-Neubau in der Weingartenstraße.  Grunderwerb, die Durchführung diverser Erschließungsmaßnahmen in vielen Teilen Nauheim kennzeichneten die Zeit, es folgte eine sehr rege Bautätigkeit. Die Verbesserung der Infrastruktur der Gemeinde war damals ein dringendes Bedürfnis. 1956 konnten die katholischen Christen Nauheims ihre Pfarrkirche „St.Jakobus“ einweihen, beim Bau stand die Gemeinde hilfreich zur Seite. 1957 feierte die Musikindustrie ihr 10-jähriges Jubiläum am neuen Standort Nauheim - ein unvergessenes Fest, das gleichzeitig auch symbolisierte, welch wichtige Rolle für den Aufschwung der Schwarzbachgemeinde, diesem Industriezweig zukam. 

Durch große Sparsamkeit bei der Bewirtschaftung der Mittel, im Personalbereich und durch die Bildung von Rücklagen wurden die finanziellen Voraussetzungen der Weiterentwicklung geschaffen. 1959 konnten Georg Schad und die Verwaltung das neue Rathaus in der Weingartenstraße beziehen. Dort wurden für diese Zeit beispielhaft moderne Arbeitsplätze geschaffen und der Grundstock für die Verwaltung als Dienstleistungsbetrieb gelegt. Das Gemeindearchiv wurde neu geordnet und sogar für die vom damaligen Heimatpfleger Georg Diehl gesammelten Exponate fand sich eine angemessene Unterkunft. Der 1963 vollendete Schulhausbau war das letzte Werk von Georg Schad als aktiver Bürgermeister. Im gleichen Jahr erfolgte nach 15 Jahren Amtszeit seine Ruhestandsversetzung aus Altersgründen. 1966 verlieh ihm die Gemeindevertretung die Ehrenplakette, 1973 erhielt er vom Hess. Ministerpräsidenten den Ehrenbrief des Landes Hessen. Bis zu seinem Tod im Jahre 1982 war Georg Schad ein gesuchter Gesprächspartner für seine Nachfolger und ein an den Geschehnissen in der Gemeinde interessierter Mitbürger.

1984 gab die Gemeinde der 1981 errichteten Großsporthalle, gemäß Beschluss des Gemeindeparlamentes auf Antrag der „Nauheimer Freien Wähler“ den Namen „Georg-Schad-Halle“.

Wie bei Bürgermeister Kaul wollen wir auch namentlich denen gedenken,  die mit Bürgermeister Georg Schad  gemeinsam Verantwortung in den 50er  sowie den ersten drei der 60er Jahre für Nauheim getragen haben.:

Diese damaligen Persönlichkeiten waren: Fritz Förster - Jakob Kuhlmann - Karl Klier- Christian Nink - Wilhelm Krämer - Karl Genthner - Fritz Daum -  Ludwig Geyer - Georg Wilhelm Mischlich - Mary Jany - Karl Dressel- Georg Gerlach- Franz Hafner - Georg Lämmersdorf -  Hubert Jörka.
Durch die Kommunalwahlen 1960 waren noch folgende Damen und Herren ins Gemeindeparlament eingezogen: Fritz Jacobi - Hans Schäfer - Adolf Richter - Hans Fuchs - Fritz Dammel - Hermann Reitz - Kurt Kaul - Edmund Hornung - Willi Fischer – Elsa Becker - (alle SPD).
Adam Sünner - Adam Lochhaas - Fritz Jütte - Heinz Kaul - Heinrich Hof - Alwin Geyer (alle OGN= Ortsgemeinschaft Nauheim) und Bruno Pötzl - Elias Forberich (GB/BHE). Dem Gemeindevorstand gehörten an: Fritz Daum (Erster Beigeordneter und Vertreter des Bürgermeisters) Wilhelm Berz und Otto Spieler.

Der neue Bürgermeister Dr. Herbert Fürbeth

Am 1.September 1963 erhält die Gemeinde mit Bürgermeister Dr. Herbert Fürbeth, der seither hauptamtlicher Stadtrat in der Kreisstadt Groß-Gerau war, einen neuen Bürgermeister. Fürbeths Wahl erfolgte am 7. Mai 1963.

Die damalige Heimatzeitung Groß-Gerau schrieb am 8. Mai 1963 hierzu:
„Neuer Bürgermeister einstimmig gewählt.“
Gestern Abend fand im neuen Nauheimer Rathaus im Beisein von Landrat Seipp und der Bürgermeister Martin (Groß. Gerau), Blodt (Wolfskehlen) und Becker (Trebur) die Wahl des neuen Nauheimer Bürgermeisters statt.

Sie erfolgte in geheimer schriftlicher Form und ergab folgendes Ergebnis: Alle 18 Gemeindevertreter (10 SPD und 8 Ortsgemeinschaft) gaben ihre Stimme dem einzigen vorgeschlagenen  Kandidaten, Stadtrat Herbert Fürbeth, Groß-Gerau.

Gemeindevertreter-Vorsteher Kurt Kaul dankte für die einstimmige Wahl, die den Willen zur Gemeinschaft zum Ausdruck bringe und als Beweis guten Willens zu gelten habe. Landrat Seipp unterstrich bei seinen Glückwünschen, dass der Neugewählte in Groß-Gerau bereits viele Probleme gemeistert habe und sich nun in Nauheim weiter entfalten könne.

Auch Bürgermeister Schad, das gegenwärtige Ortsoberhaupt, fehlte bei der Gratulation nicht und wünschte für die Zukunft gute Zusammenarbeit zwischen Gemeinde,Vorstand, und Vertretung. Die Glückwünsche der SPD Fraktion sprach Gemeindevertreter Jacobi aus. Für die Ortsgemeinschaft sprach Gemeindevertreter Lochhaas.

Zum Schluss der Sitzung bedankte sich der Neugewählte für das ihm entgegengebrachte Vertrauen und bezeichnete die einstimmige Wahl als einen günstigen Anfang für ersprießliche Zusammenarbeit.In seiner Rede anlässlich der Wahl erläuterte der neugewählte Bürgermeister seine Vorstellungen zur weiteren Entwicklung der Gemeinde:

Er führte aus: „Die Mittelpunktlage der Gemeinde Nauheim im Ballungsraum des Rhein–Main Gebietes, seine Verkehrslage, die noch eine Begünstigung erfahren wird durch die neue Autobahn, wirken sich auf die künftige Entwicklung aus. Es wird meine Aufgabe  zusammen mit dem Ortsparlament sein, die Entwicklung der Gemeinde nicht treiben und dem Einfluss von Faktoren zu überlassen, die von den benachbarten Städten ausgehen, sondern selbst Ideen und Initiativen zu entwickeln. Das örtliche Gewerbe ,die Industrie, müssen gefördert werden. Es muss Gelände für die  Neuansiedlung von  Industrie bereitgestellt werden. Eine Neuansiedlung darf sich aber nicht nachteilig auf die bereits vorhandenen Betriebe auswirken; das gilt insbesondere für den Arbeitsmarkt, der hier in diesem Raum seine ganz besonderen Schwierigkeiten hat.

Im Interesse einer geordneten und harmonischen Entwicklung muss parallel mit der Beschaffungvon Arbeitsplätzen  der Wohnungsbau vorangetrieben werden, nicht nur zur Beseitigung der Wohnungsnot und zur Bewältigung des normalen Wachstums, sondern auch zur Ansiedlung neuer Arbeitskräfte. Wo aber Industrie angesiedelt werden soll und wo Wohnungen zu bauen sind, wird Grund und Boden benötigt. Das BbauG, legt der Gemeinde die Verpflichtung auf für Bauland zu sorgen. Diese Verpflichtung zieht aber auch die Konsequenz nach sich, regulierend auf die Baulandpreise einzuwirken. Grund und Boden muss erreichbar sein für den Bürger mit geringem und durchschnittlichem Einkommen, aber auch für den Landwirt, der seine Bedarfsfläche durch Zukauf vergrößern will. Es liegt also im Interesse der Baulustigen als auch der Landwirtschaft, wenn die Bodenpreise von der Gemeinde beeinflusst und niedrig gehalten werden. Durch eine geschickte Bodenpolitik muss dem Grundstückseigentümer ein angemessener Preis garantiert werden, damit ein Anreiz zum Verkauf entstehen kann. Der Bebauungsplan macht bekanntlich Gartenland zu Bauerwartungsland. Er soll erst dann und dort aufgestellt werden, wo die Gemeinde wenigstens einen beträchtlichen Teil der Grundstücke in ihrem Besitz hat. Es wird meine Aufgabe sein, nicht nur die überörtlichen Verkehrswege offen zuhalten, sondern auch die Berufs- und Erholungswege für die schaffende und erholungssuchende  Bevölkerung. Unsere Landschaft und unmittelbare Umgebung ist relativ arm an wirklichen Erholungsstätten. Diese sind aber im Interesse der Volksgesundheit für die Jugend und die Werktätigen von besonderer Bedeutung.Der an der Gemarkungsgrenze nach Groß-Gerau entstehende sog. Entnahmesee bietet eine einmalige Gelegenheit, in landschaftlich reizvoller Umgebung eine wirkliche Erholungsstätte zu errichten. Hier möglichst bald tätig zu werden, dürfte ebenfalls eine wichtige Aufgabe der Zukunft sein. Neben dem Wert der als Einrichtung für die Freizeitgestaltung und Erholung dürfte die Anlage auch eine  bedeutende Einnahmequelle für die Gemeinde werden. Es muss als eine ständige Aufgabe angesehen werden, die vorhandenen sportlichen Einrichtungen zu pflegen, weiter auszubauen und zu ergänzen. Der Rotweisse Plan der Hess. Landesregierung bietet hier gewisse Möglichkeiten.

Nach der Befriedigung des größten Nachholbedarfs wird es dann die Aufgabe der Zukunft sein, die hektische Entwicklung der vergangenen Jahre in harmonische und wohlüberlegte Bahnen und Formen zu lenken, die zu normalen und gesunden Wachstum und Aufstieg des Gemeinwesens, in der Konkurrenz mit den anderen Städten und Gemeinden, führen.Ein großer Kostenfaktor im Gemeindehaushalt ist der Straßenbau. Straßen und Feldwege sind Aushängeschild für eine Gemeinde. Ich weis, dass auf diesem Gebiet in Nauheim noch einiges zu tun ist. Um in diesem Gebiet weiterzukommen, ist es erforderlich, neben der Leistungsfähigkeit der Gemeinde, alle Möglichkeiten der Bezuschussung von Kreis- Land und Bund, in Anspruch zu nehmen. Dabei müssen auch die Möglichkeiten des Grünen Planes in die Finanzierung eingeschlossen werden. Ein ebenso aufwendiges wie auch wichtiges und unaufschiebbares Problem ist die Abwasserreinigung. Eine Kläranlage ist eine teure Angelegenheit ,im Bau wie in Betrieb. Hier heißt es schon bei der Planung wirtschaftliche Überlegungen im Hinblick auf die späteren Betriebskosten anzustellen, ein weites Aufgabenfeld für Bürgermeister, Bauausschuss und alle Organe der Gemeinde. Die Inanspruchnahme von Fachleuten auf diesem Gebiet wirkt sich oft außerordentlich kostensparend aus. Ich sehe den Bau der Kläranlage als eine der bedeutendsten Aufgaben an. Für ein derartig schwieriges und teures Vorhaben ist die Mitarbeit aller Gemeindevertreter erforderlich; ich bin gerne bereit meine Erfahrungen auf diesem Gebiet, die noch ergänzt worden sind durch mehrere abwasserbiologische Lehrgänge an der Universität in München, in den Dienst dieser Sache zu stellen.

Einen ganz breiten Raum in der aktuellen Kommunalpolitik nehmen auch die Probleme des Verkehrs ein. Das Baugebiet ist zerschnitten durch die Bahnlinie. Hier bedarf es erheblicher Anstrengungen, um Lösungen zu finden, die die Verkehrsbeziehungen der Gemeinde nicht stören.Die Gemeinde  Nauheim liegt im wirtschaftlichen und kulturellen Spannungsfeld der benachbarten Städte und Großstädte des Rhein-Main Gebietes. Es wird eine vordringliche Aufgabe sein ,die Eigenständigkeit des Gemeinwesens zu erhalten. Die Einrichtungen der öffentlichen Daseinsvorsorge müssen so gestaltet werden, dass das Gefälle zwischen Stadt und Land verringert wird und alle Menschen sich wohl fühlen. Ich bin mir auch bewusst, dass Nauheim ein sehr reges Kultur und Bildungswesen hat. Es zu pflegen, zu fördern und weiter auszubauen ist für mich eine erfreuliche und interessante Aufgabe. Ich weis, welchen Wert Wissen und Bildung haben, da ich mein Studium ohne Hilfe selbst verdienen musste. Der Kampf zwischen Kulturen, Völkern und Weltanschauungen findet in unserer modernen Zeit nicht mehr auf den Schlachtfeldern, sondern in den Schul- und Studierstuben statt. Diese Erkenntnis verpflichtet uns zu allen Anstrengungen auf dem Gebiet desSchulwesens, der Erwachsenenbildung, aber auch der Jugendpflege.“

Die Gemeindeverwaltung erhält ein Bauamt

Die Tatsache, dass die Hauptaufgaben der kommenden Jahre auf dem Gebiet des Tiefbauwesens lagen, veranlassten Bürgermeister Fürbeth zu Überlegungen, wie diese umfangreichen Vorhaben in Straßenbau, Kanalbau, Zentralabwasserreinigung und Versorgung neuer Baugebiete am wirtschaftlichsten angepackt werden können. Es wurde eine Bauabteilung eingerichtet, die von einem Ingenieur (Hermann Lohwasser) und einem Verwaltungsbeamten (Karl Bachmann) als Bauamtsleiter betreut wird. Somit können die entsprechenden Planungen nunmehr im eigenen Haus aufgestellt und ausgeführt werden. Besonderes Gewicht, bei der Schaffung des gemeindeeigenen Bauamtes, wird auf die Beratung der Bevölkerung in allen Hoch- und Tiefbaufragen gelegt, wobei die neue Bauabteilung auch für Baugenehmigungen, die Baulandbeschaffung und der Zusammenarbeit mit dem Kreisbauamt ,für Brandversicherungsfragen sowie auch anfangs für  Grundstückssachen zuständig ist. Im Jahre 1978 wurde Heinz Pitzer (seither SPD-Gemeindevertreter) neuer Bauamtsleiter. Heinz Pitzer war seither beim Regierungspräsidenten in Darmstadt für den Beamtennachwuchs zuständig.

Hinzu kommt die Einrichtung eines gemeindlichen Bauhofes, um so die Gemeinde in die Lage zu versetzen, Instandhaltungsarbeiten im Bereich der Gemeinde in eigner Regie auszuführen. Der Gemeindebauhof wurde sodann an der Ecke Waldstraße/Berzallee, im Bereich der alten Feuerwehrunterkunft, auch mit einer maschinell gut ausgerüsteten Werkstatt, eingerichtet. Bauhofleiter war damals, der bei den Bürgern sehr beliebte, Gustav Schad, nach dessen  Tod sodann, bei Bürgermeister Reitz, diese Funktion des Bauhofleiters  Peter Mischlich, übernahm. Später dann in der Amtszeit des Bürgermeisters Zaich wurde der Bauhof, durch den Kauf der neuen Stogahalle in der „Alten Mainzerstraße“ dorthin verlegt, wo sich der Bauhof auch heute noch befindet. Aufgrund der stetig steigenden Anforderungen und Aufgaben des Bauhofes wurde dort ein Büro für einen Verwaltungsangestellten eingerichtet, dessen Aufgabe es ist verwaltungsmäßig alle Bauhofangelegenheiten abzuwickeln.

Nauheims Entwicklung geht zügig voran

Man erkannte ,dass die Entwicklung der Gemeinde vornehmlich von einer sinnvollen Planung abhängig ist. So wurden nach der Freigabe des Baugebietes  in der Rheinstraße ,Mainstraße ,Moselstraße ,Neckarstraße  und Schleifweg in den Jahren 1960/61mit insgesamt 120.000 qm Baufläche, 100 neue Wohnhäuser erbaut.

Für ein kleineres Wohngebiet „ An den Akazien“(entlang der Bahnlinie) konnte für 10 Häuser im Stil der Bebauung in der Industrie-, Alten Mainzer- und Schönbacher Straße, dem sogenannten Neu-Normstil, Baugelände zur Verfügung gestellt werden. Außerdem wurden in den Jahren 1960 - 1964  laufend Grundstücke von der Gemeinde aufgekauft, und zwar jenseits des Schwarzbaches, die später wieder den Bauwilligen zur Verfügung gestellt werden konnten. Die Planung hierzu wurde mit Nachdruck betrieben, sodass noch 1964/65 ca. 120 Baugrundstücke aus Gemeindebesitz bereitstanden. Weiterhin gab es noch in dem zukünftigen Baugebiet „Wüste Wiese“ aus privater Hand noch ca. 100 Baugrundstücke. In diesem Bereich ist noch ein  Baugebiet mit ca. 150 Grundstücken vorgesehen, das aber erst im Jahre 1965 eröffnet werden kann. Für die Ausdehnungsmöglichkeiten nach Osten wurde die Bauleitplanung erarbeitet, wobei ein enormer Finanzbedarf,  für den Straßenbau, die Kanalisation und die erforderlichen Versorgungseinrichtungen von ca. 2 Millionen DM erforderlich wird. Hinzukommen jedoch noch die Ausgaben für andere öffentliche Einrichtungen wie Schule, Kindergarten, Müllabfuhr usw.

Neben der Bereitstellung von Flächen für die Wohnhausbebauung wurden aber auch im Interesse von Industrie und Gewerbe Flächen für die ortsansässige Firmen bereitgestellt. Dies geschah durch einige Geländeerweiterungen  in der Industriestraße in Richtung Wald und rechts vom Schleifweg mit einem Geländeanteil von ca. 15000 qm.

Wie Bürgermeister Fürbeth in seiner Wahlrede andeutete, liegt ihm der Ausbau des Autobahnsees am Roseneck, entstanden durch Kiesausbaggerungen beim

Autobahnbau - Verbindung Rüsselsheim-Darmstadt - sehr am Herzen. So plante er bereits im Jahre 1965 an der Nordecke des 12 ha großen Gewässers ein Freibad durch die Gemeinde zu errichten. Das gesamte Seeufer auf der Nauheimer Seite befand sich damals schon in Gemeindeeigentum. Auch große Teile der dahinterliegenden Wiesengrundstücke, die dem Erholungszweck dienen sollten,  waren ,bis auf wenige Ausnahmen, bereits angekauft.

Bereits 1964 hat die Gemeinde insgesamt 377.000 DM zum Ankauf dieser Wiesengrundstücke ausgegeben. Diesen Ausgaben gegenüber stand jedoch eine Einnahme von DM 178.600 aus der Kiesausbeute, sodass sich die finanziellen Belastungen der Gemeinde auf DM 198.400 beliefen. Schon alleine aus dieser finanziellen Sicht ergab sich für die Gemeinde geradezu die Verpflichtung eine vorbildliche Erholungseinrichtung zu schaffen, wobei besonders darauf geachtet werden musste, dass dieses Vorhaben frei von Spekulationen blieb.

Ein weiterer wichtiger und hochaktueller  Schwerpunkt gemeindlicher Entwicklung nahm die Verkehrsplanung ein. Das Hauptziel war die Herausnahme des Durchgangsverkehrs aus dem geschlossenen Ortsgebiet. Hier setzte sich das bereits damals schon  jahrelange Drängen der Gemeindevertretung nach der Beseitigung der schienengleichen Bahnübergänge konsequent fort. Die Vorraussetzungen hierzu wurden nunmehr im neu aufgestellten Flächennutzungsplan geschaffen. So war vorgesehen im Bereich der Schillerstraße eine Bahnunterführung für den Gesamtverkehr und im Verlauf der Bahnhofstraße eine Bahnüberführung für Fußgänger, Radfahrer, Handkarren usw. gebaut werden. Für den Durchgangsverkehr und den Ortsverkehr nach Groß-Gerau  sollte sodann hinter dem Gelände des Holzsägewerkes der Firma Rüffer, im Anschluss an eine Ortsumgehungstrasse eine große Straßenüberführung entstehen. Schon damals hat die Bundesplan diese Pläne bereits aufgegriffen und ein Planfeststellungsverfahren eingeleitet. Gleichzeitig wurden aber auch in Verhandlungen mit der Stadt Rüsselsheim sowie den zuständigen Landesamt für Straßenbau in Wiesbaden über die Verkehrsprobleme im Raum um Nauheim geführt.

Eine weitere wichtige Aufgabe war der Ausbau der Ortskanalisation. Hierzu wurde in 1964 ein Gemeindeentwässerungsplan in Auftrag gegeben, der sodann auch noch im selben Jahre aufgestellt wurde. Bereits in den Jahren 1960 –1964 wurden die Teilabschnitte durch den Bau der Kanalisation in der Schul- und Mühlstraße ,sowie der Hügel- und Weingartenstraße und auch der Bleich- und Goethestrasse ausgebaut, die natürlich auch gleichzeitig mit den erforderlichen Abwasserpumpwerken versehen wurden. Der weitere Ausbau der Kanalisation soll in den Folgejahren fortgesetzt werden. Ein Pumpstation, als Vorraussetzung des weiteren Kanalbaues im alten Ortsteil, wurde in der Alten Mainzerstraße gebaut.

Diese Pumpstation sollte den weiteren Anschluss des westlichen Ortsbereiches dienen. Damals schon war den Verantwortlichen klar, dass der unabdingbare Bau einer Zentralkläranlage in Nauheim Kosten verursachen werden, die weit über die Millionengrenze hinausgehen.  Natürlich war es auch klar, dass nach dem Einbau von Kanälen in die Strassen, der Ausbau derselben eine weitere gewaltige Aufgabe der Gemeinde war. Dies jedoch ging zeitweise über die finanziellen Möglichkeiten der Gemeinde.

Straßen- und Feldwegebau in Nauheim

So hörte man oft Klagen der Bürger über den zögerlichen Ausbau der Nauheimer Straßen. Trotzdem wurden in der Zeit von 1960 – 1964 folgende Straßen ausgebaut: Straße am Sportfeld-, Graslitzer-, Dresdner-, Mühl-,  Schul-, Hügel- und Weingarten-straße. Für die Verantwortlichen der Gemeinde war dies ein sichtlicher Fortschritt. Insgesamt wurden hierfür 328.925 DM aufgewendet. Auch in diesem Zeitraum ist es, durch die Schließung von alten Lücken bei der Straßenbeleuchtung, heller geworden. Alte trübe Lampen wurden durch  moderne HQ- Leuchten ersetzt. Ebenfalls eine wichtige Aufgabe bestand im Ausbau der Feldwege für die Erleichterung der Transporte der Landwirte ,aber auch  wichtig für die Erschließung der Feldgemarkung für Spaziergänge der Erholungssuchenden. Im Rahmen des „Grünen Planes“ gelang es der Gemeinde Zuschüsse des Landes für diese Maßnahmen zu erhalten. Trotz der Zuschüsse aus Mitteln des „Grünen Planes" musste die Gemeinde dennoch für die Maßnahmen 1963 insgesamt DM 82.115 aufbringen. Für das Jahr 1964 wurden für den Feldwegeausbau in Beton  ein weiterer Bauabschnitt in Auftrag gegeben.  Hierbei ist zu erwähnen, dass auch die Aufwendungen für die Instandhaltung der Wasserläufe in der in den Jahren 1960 bis 1964  finanzielle Aufwendungen von DM 34.000 erforderten.

Staubfreie Müllabfuhr eingeführt.

Die staubfreie Müllabfuhr wurde in Zusammenarbeit mit der Kreisstadt Groß-Gerau eingeführt. Die  lästige Müllschütte  an der Landstraße nach Trebur, die oft Anlass zu starken Klagen wegen Geruchsbelästigungen bei der Bevölkerung war und oft auch die Feuerwehr gerufen werden müsste um die Müllbrände zu löschen, sollte baldigst verschwinden, um diesem unangenehmen Übel endlich abzuhelfen.

Eine bessere Ausrüstung für die Feuerwehr

Der enorme Einwohnerzuwachs machte natürlich auch eine bessere Ausrüstung der Feuerwehr erforderlich um die Schlagkraft der Wehr zu erhöhen. Nicht zuletzt ist es eine wichtige Gemeinschaftsaufgabe der Gemeinde die Feuerwehr, in Technik und Ausbildung, stets auf dem neuesten Stand zu halten. So wurde in den Jahren 1960 –1964, unter Leitung des Feuerwehrkommandanten und späteren Ehrenbürgers Friedel Scherer, im Jahre 1961 eine neue Tragkraftspritze  und ein neues Löschfahrzeug LF8 übergeben. Gemeindevorstand und Gemeindevertretung stellten in den vier Jahren für die Feuerwehr  insgesamt 86.184 DM zur Verfügung.

Der Nauheimer Waldfriedhof

Der Nauheimer Waldfriedhof, gilt mit der im Jahre 1952 errichteten Friedhofshalle,(Der Chronist selbst arbeitete damals als Maurer am Bau der Freidhofshalle)  in weitem Umkreis als einer der schönsten Friedhöfe. Besonderes Augenmerk wurde auf die sorgfältige Pflege der Anlagen gelegt. Die Einsegnungshalle wurde mit einer Lautsprecheranlage versehen, damit die Trauerfeiern ins Freie übertragen werden können. Der Winterkälte zum Schutz wurden auch die Eingangstore verglast und die Heizung erneuert. Noch im Jahre 1964 wurden zur hygienischen Leichenaufbewahrung in der heißen Jahreszeit zwei Kühlzellen eingebaut. Später wurde noch, um den Trauerzeremoniell einen besseren Rahmen zu geben, eine Orgel angeschafft, sowie die Trauerhalle baulich verbessert.

Der Reichtum der Gemeinde

Ein wesentlicher Vermögensteil der Gemeinde lag und liegt im  Waldbesitz. Somit liegt es in der Verpflichtung der Gemeinde den Wald im Interesse der Landschaftspflege, der klimatischen Wirkungen, seiner Bedeutung für die Umwelt in seiner gesundheitlichen Wirkung und aus volkswirtschaftlichen Gründen, den Wald zu erhalten. Unter dieser Prämisse war es sogar möglich im Nauheimer Oberwald (zwischen Mörfelden und Langen), von der Autobahn Frankfurt-Darmstadt durchschnitten, gelegen noch 24 Morgen  hinzuzukaufen. Die Gesamtfläche des Nauheimer Ober & Unterwaldes beläuft sich  derzeit (1964) auf 449 ha.

Die landwirtschaftliche genutzter Fläche verfügt die Gemeinde gegenwärtig über 62,5 ha. Diese Fläche wurde den ortsansässigen Bauern zu einem günstigen Pachtzins in Nutzung gegeben. Auch dachte man daran dieses Gelände womöglich als Tauschgelände, zur Erhaltung landwirtschaftlicher Existenzen,  heranzuziehen, wenn diese durch die fortschreitende Bebauung in ihrer Existenz bedroht werden.

Das Geld der Gemeinde

Wenn man die Leistungen in den vier Jahren obiger Darstellung betrachtet, so erhebt sich natürlich auch die Frage, woher kommt all dieses Geld? So, wie die Privatwirtschaft ohne Einnahmen nicht bestehen kann, so kann auch eine Gemeinde die für ihren Bestand und das Wohl ihrer Bürger notwendigen Aufgaben nur erfüllen, wenn der regelmäßige Eingang ausreichender Geldmittel gesichert ist. Diese Geldmittel wiederum sind zu einem großen Teil von der Bevölkerung, direkt oder indirekt, aufzubringen. Natürlich kommen hierzu auch noch die Landesmittel. Aus dem Finanzausgleich (Schlüsselzuweisungen), die noch ergänzt werden durch einmalige Landesbeihilfen zu den Maßnahmen zur Verbesserung der Infrastruktur der Gemeinde (Schulbau, Kinderspielplätze, Kindergärten, Straßen-, Kanalbau und andere einmalige Baumaßnahmen der Gemeinde).

Um aber auch die Belastungen der Bürger möglichst gering zu halten, wurden für außerordentliche Maßnahmen der Gemeinde Kreditmittel aufgenommen. Anders wäre es für die Gemeinde nicht möglich, die ständig von der Bürgerschaft verlangte Verbesserung der Infrastruktur für ein besseres Leben in der Gemeinde, zu bewerkstelligen. So lag die  Pro-Kopf-Verschuldung der Gemeinde in 1964, nachdem bereits zwei Darlehen in Höhe von 59.994 DM zurück gezahlt wurden, bei 193,61 DM.

Die Kommunalwahl am 25. Oktober 1964:

Bei dieser Kommunalwahl waren 3768 Bürger wahlberechtigt, von den 3308 Wähler ihre Stimme abgaben. Dies ergibt einen Prozentsatz der Wahlbeteiligung von 87,79 %.
Es entfielen folgende Stimmen auf:
SPD: =                                                  1891 Stimmen = 57,1 %    und damit 11 Sitze
CDU/Bürgerblock:                             898  Stimmen= 27,1 %    und damit    5 Sitze
Gesamtdeutscher Block BHE:       337  Stimmen= 10,1 %    und damit    2 Sitze
FDP:                                                        182  Stimmen =  5,5 %    und damit    1 Sitz
Gegenüber der Wahl 1960 ergab sich somit bei den einzelnern Parteien  folgender Zuwachs oder Verlust:
SPD =                        + 2,6 %   =   + 1 Sitz
CDU/Bürgerblock = minus 3,9 % =  minus 1 Sitz
BHE  =                     minus 4,9 %  = minus 1 Sitz
Für die FDP ist kein Vergleich möglich, weil diese bei den Wahlen 1960 gemeinsam mit der CDU kandidierte.
Aufgrund des Wahlergebnis setzte sich die aus 19 Mitgliedern bestehende Gemeindevertretung wie folgt zusammen:
Fritz Jacobi  SPD                                                      Manfred Dörfler CDU/ Bürgerblock
Kurt W.Kaul  SPD                                                     Fritz Jütte CDU/ Bürgerblock
Hermann Reitz SPD                                                 Adam Lochhaas CDU/ Bürgerblock
Fritz Dammel  SPD                                                   Franz Maier CDU/ Bürgerblock
Edmund Hornung SPD                                             Wilhelm Kuhlmann, CDU/Bürgerbl.
Heinz Elfner  SPD                                                     Walter Gafke  GDP/BHE
Hans Fuchs  SPD                                                     Elias Forberich  GDP/BHE
Rudolf Klose  SPD                                                    Heinrich Hof   FDP

Zum Gemeindevertretervorsteher wurde Kurt  W. Kaul (SPD), der auch in der letzten Legislaturperiode schon dieses Amt inne hatte, gewählt.
Zur Bewältigung der kommunalen Arbeit wählte die Gemeindevertretung  zu Ihrer Unterstützung fünf Ausschüsse:
Diese waren: Haupt & Finanzausschuss
Bau- & Siedlungsauschuss
Kultur- & Sportausschuss
Land- & Forstwirtschaftsausschuss
Ausschuss für das Erholungsgebiet
Die Anzahl der Mitglieder des Gemeindevorstandes  wird von der Gemeindevertretung in der zu beschließenden Hauptsatzung festgelegt .

Dem Gemeindevorstand gehörten neben dem 1963 gewählten Bürgermeister
Dr. Herbert Fürbeth (SPD) als Vorsitzender noch an:

Richard Dammel (SPD)  1. Beigeordneter & Stellvertreter des Bürgermeisters,
Hans Förster CDU/ Bürgerblock, ehrenamtlich,
Bruno Pötzl (GDP/BHE), ehrenamtlich,
Willi Keilwerth (SPD), ehrenamtlich.
Der Erste Beigeordnete Richard Dammel war gleichzeitig auch noch als Beamter der Gemeinde der 1. Verwaltungsbeamte. In dieser Zeit war eine solche Konstellation noch möglich.

Übersicht Rechnungsergebnisse

 

 

 

 

der Jahre 1960 - 1964 (in DM)

 

 

 

Art der Einnahme:

 

 Rechnungsjahre:

 

 

 

 

 

1961

1962

1963

1964**

Gemeindesteuern

 

343.336

417.575

512.586

478.058

davon Gewerbesteuer

256.006

293.940

386.370

352.900

Schlüsselzuweisungen

130.215

376.569

399.710

431.714

Land Hessen.

 

 

 

 

 

Gewerbesteuerausgleich

117.873

102.300

112.310

115.720

Zuschüsse von Kreis und Land

 

 

 

 

für einmalige Baumaßnahmen

182.850

237.500

295.600

312.000

Verwaltungsberichte

Im Jahre 1964 erschien erstmals zum Ablauf der Legislaturperiode 1960-1964 ein Verwaltungsbericht in Form einer Broschüre mit dem Titel „Nauheim - Deine Gemeinde". Diese Broschüre, verteilt an alle Haushalte, war reich bebildert und  sollte am Ende der Wahlperiode ein Rückblick über die Tätigkeit der kommunalen Selbstverwaltung sein. Die Herausgabe dieser Broschüre betrachtete der Gemeindevorstand als eine Notwendigkeit und ein  “Gebot der Höflichkeit“. Bereits in der Einleitung zu dieser Broschüre beklagte Bürgermeister Dr. Herbert Fürbeth, dass der Bürger immer weniger an den öffentlichen Angelegenheiten teilnimmt. Er glaubte, dass dies seine Ursachen in der zunehmenden Perfektionierung der Freizeitgestaltung, der Technik und der Massenkommunikationsmittel habe. In der Broschüre zum  zweiten Verwaltungsbericht für die Legislaturperiode 1964–1968 jedoch führte Bürgermeister Fürbeth in der Einleitung aus: „Vor vier Jahren haben wir in unserem Verwaltungsbericht noch bedauert, dass der Bürger in immer geringerem Maße an den öffentlichen Angelegenheiten teilnimmt. Dies hat sich aber in den letzten Monaten gewandelt: man will mitsprechen, man will die demokratischen Rechte in Anspruch nehmen. Wenn sich  dieses von der Jugend ausgehende Streben nach mehr Demokratie zunächst mehr auf die Tagespolitik bezieht, so sind doch Anzeichen dafür vorhanden, dass der Bürger sich wieder mehr um die kommunale Selbstverwaltung kümmert, die ihm doch am nächsten und am verständlichsten sein sollte.“

Diese Feststellungen des damaligen Bürgermeisters hatten vielleicht seine Ursache darin, dass zunächst einmal die Menschen der Kriegsgeneration sich an das neue Leben in einer Demokratie gewöhnen mussten und noch dazu den Wiederaufbau nicht nur des Landes sondern auch ihres näheren Umfeldes, der Gemeinde also, tatkräftig unterstützen mussten. Sie gingen in den unmittelbaren Jahren nach dem Kriege  und auch in den 50er Jahren zu Wahl, wählten ihre Vertreter und dachten, nun macht mal schön. Sie hatten Vertrauen in ihre Vertreter und leisteten zunächst ihren Anteil im Aufbau ihres eigenen familiären Umfeldes. Doch  jetzt im zu Ende gehenden Jahr 1968 war eine demokratisch bewusste Generation herangewachsen, die sich in zunehmenden Maße in die Arbeit der demokratischen Parteien im Ort einbrachte und auch kommunalpolitisch aktiv wurde.

Die Nauheimer Parteien und ihr Kampf ums Rathaus

Bei den Sozialdemokraten waren es die Jungsozialisten, bei der CDU, die sich mittlerweile ohne Anhängsel in Nauheim etabliert hatte, waren es später die „Junge Union“ und um die Freidemokraten scharten sich die „Jungen Liberalen.“  Jedoch dauerte es eine Weile, bis sich diese Jugendorganisationen im Ort etablierten. Mehr und mehr artikulierten die Parteien ihre kommunalpolitischen Vorstellungen, die man als Programm, über ihre Vertreter im Gemeindeparlament,  in die Kommunalpolitik einbrachte. Jetzt besann sich die Opposition, in der sozialdemokratisch regierten Gemeinde Nauheim, auf ihre ureigenste Aufgabe. Besonders deutlich wurde dies schon beim Kommunalwahlkampf 1964. Aber noch mehr beim nächsten Wahlkampf für die Wahlperiode 1968 - 1972. Die CDU, die bei der Wahl 1960 noch als eine Listenverbindung von CDU/FDP und Unabhängigen als Ortsgemeinschaft Nauheim (OGN) antrat, firmierte jetzt bei der Wahl 1964 als  CDU/Bürgerblock. Doch bereits bei der Kommunalwahl 1968 trat sie als reine CDU, ohne Anhängsel, an.  Sie erkannte nämlich, dass solche Bündnisse sehr problembehaftet waren, wenn es darum ging, in der Fraktion und den Gemeindegremien, Führungspositionen zu besetzen. Jetzt, unter dem Parteinamen CDU konnte sie bei der Kommunalwahl 1968  gleich  acht Sitze erringen und erhielt damit einen Sitz weniger als die SPD.

Seit dem Wahlkampf 1964 gerieten sich die Parteien in Nauheim mehr und mehr in die Haare. Die Plakatklebekolonnen der einzelnen Parteien, besonders aber der SPD, lieferten sich oft in den Straßen Nauheims so richtige Politduelle, wenn diese sich in die Quere kamen. Jeder wollte seine Argumente in Wort und Schrift an die Wähler bringen. Die Parolen der Parteien fand man in fast allen Straßen auf dem Straßenbelag, aufgebracht mit Kreide oder aber in breiten großen Lettern mit Weisbinderfarbe,  zu lesen. Oft auch wurde man handgreiflich, indem man den mitgeführten Wagen, auf dem sich Farbe, Kleister, Plakate und Handzettel befanden, kurzerhand umstieß. Oft kam es zu unschönen verbalen Auseinandersetzungen, die auch vor persönlichen Diffamierungen und Diskriminierungen zur Person des Bürgermeisters oder einzelner Kandidaten nicht halt machten.

Die Nauheimer Kommunalpolitik, mit dem Verhalten der Parteien, erregte über die Gemeindegrenzen hinaus Aufsehen. Wovon man später immer wieder in Presse und bei Diskussionsbeiträgen sprach, nämlich von den „Nauheimer Verhältnissen“ oder „in Nauheim ist eben vieles anders als sonst wo“ nahm hier mit den Begebenheiten dieses Wahlkampfes 1968 seinen Anfang.

Doch nicht nur die SPD, sondern auch die örtliche CDU ging gerade nicht zimperlich mit der jeweiligen Person des Bürgermeisters um. Beleidigungen und Diffamierungen der CDU waren an der Tagesordnung im Kampf um die Mehrheit im Parlament. Schlimm jedoch wurde es immer dann, wenn persönliche Aversionen mit personenbezogenen Anschuldigungen gegen den politisch Andersdenkenden sich im Wahlkampf verstärkten. Über lange Jahre ihrer absoluten Mehrheiten nahmen die Nauheimer Sozialdemokraten  für sich in Anspruch, das Alleinvertretungsrecht zu haben und die einzige Partei zu sein, die die Gemeinde vorwärtsbringen kann. Alle Anderen waren Nichtskönner, die von Kommunalpolitik keine Ahnung haben. Doch dies änderte sich mit dem Ergebnis der Kommunalwahl 1968 auf einen Schlag. Die Bürger holten durch ihr Votum die SPD von ihrem hohen Ross.

Doch für den Umgang der Parteien untereinander sollte es auch in Zukunft nicht besser werden. Für die CDU hieß es jetzt, als erstarkte Oppositionspartei vernünftig und sachbezogen an die kommunalpolitische Arbeit heranzugehen. Sie wähnte sich  jetzt einen großen Schritt der Mehrheit im Parlament näher.

Die örtliche Freie Demokratische Partei ( FDP) trat 1964 erstmals mit einer eigenen Liste zur Kommunalwahl an. Spitzenkandidat war damals der Kreisvorsitzende und in Nauheim wohnende Vorsitzende der FDP, Heinrich Hof. Die FDP erreichte bei dieser Wahl 5,5 % der Stimmen und erhielt damit einen Sitz. Bei der Kommunalwahl 1968 erzielte die FDP einen Stimmenzugewinn von 1,7 % und erreichte 7,2% der Wählerstimmen. Dennoch erhielt sie nur einen Sitz, wobei der seitherige Parlamentarier Heinrich Hof von Heinrich Nold abgelöst wurde. Von der parlamentarischen Arbeit der FDP kann gesagt werden, dass ihre Vertreter in den Gremien stets eine ruhige, sachliche Arbeit geleistet haben.

Da war aber noch die Gesamtdeutsche Partei (BHE), die 1960  mit 15 %  der abgegebenen Stimmen mit zwei Vertretern ins Gemeindeparlament einrückten.

1964 jedoch erreichten sie noch 10,4% der Stimmen und erhielten ebenfalls zwei Sitze.

Namen, die sich mit dieser Partei als Vertretung der Heimatvertriebenen verdient gemacht haben, sind: Bruno Pötzl, Elias Forberich und der Bäckermeister Walter Gafke. So erhielten die Vertreter dieser Partei, die  meistens mit der SPD koalierten, mit

Bruno Pötzl einen Sitz im Gemeindevorstand. 1969 als der damalige Erste Beigeordnete Hermann Reitz  zum Bürgermeister gewählt wurde, wurde Bruno Pötzl als Vertreter des BHE Erster Beigeordneter und damit Vertreter des Bürgermeisters. In den Reihen der Gemeindevertreter der SPD jedoch befanden sich ebenfalls zwei Heimatvertriebene, die sich insbesondere den Problemen ihrer Landsleute widmeten. Dies waren: Willi Keylwerth, der in den Wahlperioden 1964-1968 Beigeordneter und 1968 bis 1972 Erster Beigeordneter war. Willi Keylwerth hat sich in diesen Funktionen große Verdienste im Wirken um die Heimatvertrieben, die Musikindustrie und die Musiktage erworben.

Im Jahre 1970 löste sich der BHE auf. Die 1968 als Gemeindevertreter und die in den Gemeindevorstand  gewählten Vertreter wechselten zur SPD. In den folgenden Jahren Nauheimer Kommunalpolitik jedoch wird sich erweisen, was es mit den „Nauheimer Verhältnissen“ so alles auf sich hat. Nauheim hatte, gegenüber den anderen Kreisgemeinden, ein streitbares Parlament, das immer wieder, weit über Nauheims Grenzen hinaus, für Furore sorgte.


Die Entwicklung der Gemeinde  in den Jahren 1964 –1968.

Durch den Wahlausgang der Kommunalwahl 1964, mit einem Stimmengewinn der SPD und einem Verlust der CDU, sah sich Bürgermeister Fürbeth in seiner fortschrittlichen Arbeit für die Gemeinde bestätigt. So konnte er, ehrgeizig wie er war, seine sich vorgenommene Aufbauarbeit für Nauheim fortsetzen und am Ende dieser vier Jahre 1968 eine ansehnliche Bilanz vorweisen. Doch das Klima in der Gemeindevertretung wurde schon gleich nach der Wahl 1964 rauher. Hatte man noch 1963 Bürgermeister Fürbeth durch seine einstimmige Wahl einen enormen Vertrauensvorschuss gegeben, so  sah er sich jetzt, bereits im dritten Jahr seiner Amtszeit starken Angriffen von  CDU/Bürgerblock ausgesetzt.

Modernisierung der Verwaltung.

Zunächst einmal ging es Fürbeth um die Modernisierung der Gemeindeverwaltung. Mit Personalausgaben von 25,6 % des ordentlichen Haushaltsvolumens, bei ständig steigenden Aufgaben der Verwaltung, hieß es rationalisieren. Die gesamte Verwaltung wurde neu organisiert. Eine vielseitig verwendbare Adressiermaschine sowie ein elektronischer Buchungsautomat für die Gemeindekasse,  sowie andere technische Ausrüstungen haben die Verwaltungsarbeit wesentlich gestrafft und rationalisiert. Somit leistete die Gemeinde einen wesentlichen Beitrag im allgemeinen Streben  nach Verwaltungsvereinfachung. Dies sollte aber erst der Anfang sein. Es wurde erreicht, dass der Haushaltsplan 1968 einen gesunkenen Personalkostenanteil von 23 % aufwies, also 2,6 % weniger als zu Beginn der Legislaturperiode. Der Personalstand der Gemeinde, der in den früheren Jahren oft Gegenstand harter Kritik war, wurde nicht ausgeweitet. So waren am Ende der Legislaturperiode außer dem Bürgermeister, 13 Beamte und Angestellte, eine Halbtagskraft und ein Amtsbote beschäftigt.  Kommunalpolitisch waren diese 4 Jahre von 1964 bis 1968 geprägt vom konsequenten Weiterausbau von Straßen und Kanalisation, dem Erholungsgebiet, der Schulen, also der stetigen Verbesserung der Infrastruktur.

In dem vom Gemeindevorstand herausgegeben Verwaltungsbericht für diesen Zeitraum heißt es: „Das Baugebiet „Wüste Wiese“ ist bereits weitgehend bebaut. Die Baulücken schließen sich. Insgesamt wurden in diesem Gebiet 100 neue Bauplätze geschaffen, wobei allerdings der private Anteil überwog. Die Kanalisation ist im Boden, der Straßenbau ist fast abgeschlossen. Der Ausbau der Straßen in der Wüste Wiese konnte sich nur unter erschwerten Bedingungen, wegen der sehr ungünstigen Witterung in 1968, unter großen Schwierigkeiten vollziehen.

Anfang des Jahres 1968 wurde das Neubaugebiet „Ochsengrund“ eröffnet. In den ersten neun Monaten wurden bereits 60 Baugenehmigungen erteilt, von denen noch einige Häuser 1968 bezugsfertig wurden. Der Ausbau des Kanals hat auf breiter Ebene begonnen und auch der Straßenbau ist im vollem Gange. In diesem Baugebiet wurde Bauland geschaffen für  etwa 800 Wohneinheiten, 55 Einfamilienhäuser, 89 Zweifamilienhäuser, 41 Gruppenbungalows, vier achtgeschossige Punkthäuser (die späteren Hochhäuser) und 14 Wohnblocks mit bis zu vier Geschossen. Zu bemerken ist hier, dass noch eine ausreichende Geländereserve von insgesamt 3,2 ha für Allgemeinbedarf reserviert ist.

Der Eröffnung diese Baugebietes ging eine komplizierte Baulandumlegung voraus. So hat die Gemeinde innerhalb kurzer Zeit 90.000 qm Gelände aus landwirtschaftlichem Besitz angekauft. Den Bauern wurde in großzügiger Weise Ersatzland aus Gemeindebesitz übereignet. So war diese Baulandumlegung für die Landwirte zugleich eine starke finanzielle Förderung, was heißt, dass der Bestand der betroffenen Betriebe nicht nur erhalten, sondern durch finanzielle Überschüsse noch verbessert worden ist. Die Nachfrage nach Baugrundstücken hat bewiesen, wie vordringlich und unaufschiebbar die Erschließung weiteren Baugeländes ist. Durch geschickte Verhandlungen  mit dem hessischen Ministerium für Wirtschaft und Verkehr und dem Magistrat der Stadt Rüsselsheim wurde ein Plan entwickelt, der die verkehrsmäßige Anbindung und harmonische Eingliederung der Neubaugebiete in den Gesamtverkehrsplan der Gemeinde Nauheim und das überörtliche Straßennetz sicherstellt. Das Neubaugebiet „Ochsengrund Nord und Süd“ lehnt sich in seiner Gesamtkonzeption an die Königstädter Neubaugebiete an und wird dank der guten Zusammenarbeit der Gemeinden Nauheim und Rüsselsheim durch Spazierwege  mit den Baugebieten von Königstädten verbunden sein.

Hier erleben wir erstmals die Notwendigkeit der Zusammenarbeit (interkommunal)

in der Bewältigung der Aufgaben beiderseitiger Interessen in gemeinsamen Planungsvorstellungen. So standen diese Jahre des Berichtszeitraums fast ausschließlich unter dem Stichwort “Kanal- und Straßenbau“. Die Gemeinde näherte sich mit Riesenschritten dem Zeitpunkt der Vollkanalisation, sämtliche Pumpwerke sind fertig und es gibt nur noch wenige Straßen, die wegen der schwierigen Vorflutverhältnisse noch nicht kanalisiert sind. Für den Bau der Kanalisation in den Jahren 1960 – 1968 wurden insgesamt  3.925.000 DM  aufgewendet.

Auch mit dem Bau der neuen Kläranlage  wurde bereits mit dem Bau eines Pumpwerkes begonnen, wofür zu diesem Zeitpunkt  250.000 DM  aufgebracht wurden.

Für den Straßenbau in Nauheim  wurden in der Zeit von 1964-1968 insgesamt 1.600.000 DM ausgegeben, 841.000 DM gingen im gleichen Zeitraum an Erschließungsbeiträgen der Grundstückseigentümer ein. Auch der Ausbau der  Straßenbeleuchtung hat mit den Baumaßnahmen von Kanal und Straßenbau Schritt gehalten. Damals schon war Nauheim dafür bekannt, dass es eine vorbildliche Straßenbeleuchtung hat. Für den konsequenten weiteren Ausbau des Feldwegenetzes im Rahmen des „Grünen Planes“ wurden von 1964 –1968 insgesamt DM 313.762 ausgegeben, wobei  Bund und Land aus Mitteln des „Grünen Planes“ 134.500 DM beigesteuert haben.

Das Wachstum der Gemeinde führte, auch seitens des Bürgermeisters, zu den Überlegungen einen gemeindlichen Bauhof einzurichten. Mit ihm sollten dringend erforderliche Instandhaltungs- und Pflegemaßnahmen im  Gemeindebereich in eigner Regie durchgeführt werden. So wurde auch ein gemeindlicher Bauhof, an der Ecke Waldstraße / Berzallee, im südlichen Bereich  des „Feldchens“, geschaffen,  in dem nicht nur Werkstätten  und Arbeitsmöglichkeiten  für Handwerker der Gemeinde entstanden, sondern auch die für diese Menschen notwendigen Sozialräume. So arbeitete der Bauhof aufs engste mit der Feuerwehr zusammen, deren Interessen in die Planung des Gemeindebauhofes  mit einbezogen wurden. Für den Bauhof wurden insgesamt 120.000 DM aufgewendet, wovon für die Unterbringung der Feuerwehrgeräte  ein Betrag von DM 25.000 benötigt wurden.

Die Feuerwehr selbst erhielt ein neues Tanklöschfahrzeug, zu dessen Beschaffung  insgesamt 11.193 DM an Spenden der Nauheimer Bürger aufgebracht wurden. Ansonsten wurden der Feuerwehr stets all ihre Wünsche an die Gemeinde zur Modernisierung der Wehr voll erfüllt und die erforderlichen Finanzmittel bereitgestellt. 113.000 DM wurden hierfür aufgewendet. Für die Ausrüstung  und Arbeit der DRK–Ortsgruppe Nauheim wurden DM 11.000 zur Verfügung gestellt.

Die Nauheimer Schule - von der Grund- und Hauptschule zur Grundschule

Ende 1968 schreibt die Gemeinde in ihrem Verwaltungsbericht: „Noch ist der Umfang unserer Gemeinde so begrenzt und übersichtlich, dass wir mit einer einzigen Schule auskommen. Die in der Legislaturperiode 1960/64 neu erbaute und erweiterte Schule genügt den Erfordernissen eines modernen Lehrbetriebes voll und ganz. Auch die neue Schulturnhalle hat sich zusammen mit dem neu hergestellten kombinierten Kleinsportfeld  mit Hartplatz und Rasenplatz zu einem wirklichen Zentrum der Leibeserziehung, nicht nur in der Schule, sondern auch auf Vereinsebene entwickelt.“

Für die Schulturnhalle hat die Gemeinde DM 520.000 mit Nebenkosten aufgewendet. Hierzu leistete das Land Hessen einen Zuschuss von 200.000 DM. Der Schulsportplatz wurde mit 47.000 DM von der Gemeinde  und mit 30.000 DM vom Land Hessen finanziert.

Als Zeitzeuge führte der damalige Rektor Gerhard B. Thurn aus:

“Die Arbeit an dieser Schule macht mir viel Freude. Das Lehrerkollegium denkt fortschrittlich; die Nauheimer Schüler sind quicklebendig und aufgeschlossen. Die Schule ist modern gebaut und so eingerichtet, dass sich Schüler und Lehrer wohlfühlen und gute Erziehungsarbeit geleistet werden kann.“

Am 1.1. 1970 wurde die Schulträgerschaft  an den Landkreis Groß-Gerau übertragen. So profitierte dieser von der ständigen Bereitschaft der Gemeindegremien, die Schule im Interesse der Nauheimer Jugend stets auf dem neuesten Stand zu halten. Nicht zuletzt jedoch profitierte die Schuljugend selber davon. So konnte zu Beginn des Jahres 1970 dem Kreis eine gut ausgebaute Schule übergeben werden, die aus 16 Klassenräumen, 3 Fachklassentrakten, 1 Lehrküche, 1 Schulturnhalle und 1 Schulsportplatz bestand. Der damals ausgewiesene Vermögenswert der Schule  belief sich per 31.12.1969 auf insgesamt 1.835.933 DM. Zudem wurden von 1968 bis zum Übergang an den Kreis  weitere 307.865 DM aufgewendet. Nach dem Übergang der Schule an den Kreis wurde eine jährliche Umlage entrichtet. Sie betrug in  1970 =  64.427 DM, 1971 =  73.931 DM und 1972 = 99.728  DM,  insgesamt also 238.086 DM.

Das Schulproblem der Gemeinde Nauheim bedurfte auf Grund des raschen Wachstums der Gemeinde in Zusammenarbeit mit dem Kreis ständig neuer Überlegungen. So wurde vom Parlament der Beschluss gefasst den Flächennutzungsplan um ein drei Hektar großes Gelände zur Schulerweiterung vorzusehen. Gedacht  wurde damals an einen evtl. Standort für eine Gesamtschule bei weiterem Wachstum der Gemeinde. In Zusammenarbeit mit dem Elternbeirat und der Schulleitung wurde ein Schulwegleitplan aufgestellt, um den Kindern einen sicheren Schulweg zu gewährleisten. In diesem Zusammenhang war es, aufgrund des schnellen Wachstums der Gemeinde, erforderlich der Sicherheit der Bürger im Verkehr eine besondere Aufmerksamkeit zu widmen. In verschiedenen Verkehrsschauen wurden verkehrliche Engpässe soweit als möglich beseitigt. So wurde,mit erheblichem Kostenaufwand, ein Fußgängerweg zum Erholungsgebiet gebaut. Zebrastreifen auf den gemeindeeigenen Straßen sowie Verkehrsspiegel angebracht.Bürgersteige besser und unfallsicher ausgebaut und Omnibuswartehallen errichtet. Die Bahnhofstraße wurde sicherer und übersichtlicher gestaltet.

Für die Bemühungen für die Sicherheit der Fußgänger wurde der Gemeinde vom Minister für Wirtschaft und Technik als Dank und Anerkennung ein Diplom überreicht.“

Im Februar 1972 teilte der Landrat der Gemeinde mit, dass der Kreisausschuss beschlossen habe, den Schulentwicklungsplan in der Weise zu ändern, dass Nauheim vorerst nicht mehr Standort einer Förderstufe sein wird. Es bestünden berechtigte Aussichten, dass Groß-Gerau die Förderstufe mit dem Schuljahresbeginn 72/73 einführen werde. Nauheim solle dann dem gleichen Schulaufsichtsbereich zugeteilt und die Nauheimer Schüler des vierten Schuljahres im Herbst 1972, in eine der beiden Förderstufen aufgenommen werden. Neben den Schülern der Förderstufe würden auch die Schüler des neunten Schuljahres kostenlos zur Groß-Gerauer Schule befördert werden. Somit sei, so betonte der Landrat, die herrschende Schulraumsituation in Nauheim gelöst. Erstmals wurden mit dem Schuljahresbeginn 1972/73 die Schüler der Klassen 4 und 5, sowie der Klasse 9, in die Förderstufe der Gesamtschule Groß-Gerau aufgenommen. Die Fahrtkosten der Schüler wurden bei Gestellung von Schulbussen vom Kreis übernommen. Durch die Neubaugebiete, besonders des Gebietes „Im Teich“, wuchs somit auch die Schülerzahl in der Nauheimer Schule. Schon bald wurde der Bau zusätzlicher Schulräumlichkeiten erforderlich. Dies jedoch oblag, durch den Übergang der Schulträgerschaft, jetzt beim Landkreis Groß-Gerau.

In dem Buch „Unsere Schulen - Geschichte der Schulen im Gerauer Land von 1567-1989“, herausgegeben vom ehemaligen Schuldezernenten des Kreises und Erstem  hauptamtlicher Beigeordneten Franz Skala, schrieb Skala über diese Situation:

„Wieder einmal herrscht Schulraummangel. Also wird der Kreis als neuer Schulträger tätig und stellt zwei Normalklassen und einen Gruppenraum in Leichtbauweise auf. Als beihilfefähige Kosten anerkennt der RP-DA am 19.07.1973 138.000 DM, darauf bewilligt der HKM 50.000 DM als Landesbeihilfe und 100.000 DM als Zins- und kostenfreies Darlehen aus dem HIF am 03.08.1973. Zu den für die Anschaffung der Einrichtung veranschlagten Kosten in Höhe von 17.500 DM gibt es eine Beihilfe  von 12.000 DM. Die Baumaßnahme gilt am 01.03.1974 als fertiggestellt.

Verschwiegen hat  jedoch der Buchautor, dass die Gemeinde Nauheim für die erforderlichen Folgekosten, infolge einer notwendigen baulichen Erweiterung der Nauheimer Schule, dem Kreis, auf dessen Forderung, einen Betrag von DM 500.000 zur Verfügung stellte. Dieser Betrag wurde sodann auch im Haushalt 1973 von der Gemeinde eingestellt und gemäß Beschluss, auf Antrag der SPD-Fraktion Nauheim, in zwei Raten dem Kreisausschuss überwiesen. Zu dieser Forderung des Kreises gab es folgenden Schriftverkehr:

Schreiben vom 23.11.1972  Dr. Skala- Erster Kreisbeigeordneter:

Betr.: Bauleitplanung der Gemeinde Nauheim

Hier: Bebauungsplan „Im Teich“

Erstellung einer Grundschule.

I.Vermerk

„Ich habe mit Herrn Bürgermeister Reitz am 21.11.1972 das o.a. Problem erörtert. Hierbei habe ich Herrn Reitz verdeutlicht, dass der Kreis für die überschlägigen Baukosten einer zweizügigen Grundschule 1,5 Millionen DM aufwenden muss.

Bürgermeister Reitz wandte dagegen, dass sich der Bevölkerungszuwachs durch den Bebauungsplan „Im Teich“ nicht so wesentlich erhöhe, weil die im ursprünglichen Bebauungsplan genehmigten Hochhäuser durch Einfamilienhäuser ersetzt würden.

Ich habe Herrn Reitz die Forderungen des Kreises an die Gemeinde Nauheim

mit 1 Million angegeben. Nach eingehender Erörterung des Kostenbeitrages  der Gemeinde Nauheim erklärte sich Bürgermeister Reitz, vorbehaltlich der Zustimmung seiner Gremien, bereit einen Betrag  von 500.000 DM zuzüglich der Grundstückserwerbskosten für die neue Grundschule seitens der Gemeinde bereitzustellen.“

Am 5.12.1972  erfolgte folgendes Schreiben:

„Nach heutiger telefonischer Rücksprache mit Herrn Bürgermeister Reitz, wird er umgehend dem Gemeindevorstand und der Gemeindevertretung die Kostenbeteiligung der Gemeinde Nauheim vortragen und die notwendigen Beschlüsse herbeiführen.
Nach Vorlage des Protokollauszuges wird der Unterzeichner den Kreisausschuss  und den Kreistag von dem Ergebnis unterrichten.“

Bei der ersten Sitzung des Gemeindeparlamentes 1973 wurde jedoch der Tagesordnungspunkt „Gewährung eines Zuschusses an den Kreis zum Bau einer Grundschule“  abgesetzt.

Gesagt werden muss hierzu, dass der Bauträger des Baugebietes im Teich der Gemeinde für ihre Folgelasten aus einer evtl. Erweiterung der Schule und dem Bau eines Kindergartens in diesem Baugebiet (später Kindergarten Schwanenstraße) eine Zahlung von DM 1000.000 vertraglich zusicherte.

Mit Beschluss des Kreisausschusses Groß-Gerau vom 30.08.1974 hat dieser, im Einvernehmen mit dem zuständigen Schulrat und dem Elternbeirat der Grund- und Hauptschule Nauheim, das 9. Schuljahr Nauheim dem Schulbezirk der Grund- und Hauptschule Schillerschule (in Groß-Gerau) zugeteilt. Die Grund- und Hauptschule Nauheim hatte im vergangenen Jahr innerhalb der einzelnen Grundschulklassen den größten Zuwachs aller kreiseigenen Schulen. Diese Entwicklung, die durch das starke Wachstum der Gemeinde damals noch anhielt, hätte die Erweiterung der Schule zum Schuljahresbeginn 1973/73 um weitere 4 Klassenräume erforderlich gemacht, wenn nicht durch die Einbeziehung der Gemeinde Nauheim in den Schulaufsichtsbereich I Groß-Gerau und die dort erfolgte Einführung der Förderstufe, eine Entlastung eingetreten wäre. Darüber hinaus war es jedoch auch noch erforderlich, das 9.Hauptschuljahr nach Groß-Gerau zu übernehmen. Nach dem Vorschlag des zuständigen Schulrates soll es der Schillerschule Groß-Gerau zugeteilt werden. Mit der Errichtung der Gesamtschule Groß-Gerau in Groß-Gerau, zum 1. August 1974, trat auch für die Grund- und Hauptschule Nauheim insoweit eine Änderung ein, als sie jahrgangsweise ab Schuljahr 1974/75 beginnend mit der Schließung der Klassen 7, ab Schuljahr 1976/77 als Grundschule weitergeführt wird.

Die Geschichte der Nauheimer Volksbücherei:

Das älteste Dokument, das zur Geschichte der Volksbücherei Nauheim zu finden ist stammt vom 5. September des Jahres 1935. Damals erbat die „staatliche Landesstelle für das Büchereiwesen“ eine Bestandsliste der Nauheimer Bücherei. Der Hintergrund damals war jedoch festzustellen, ob in der Nauheimer Bücherei von den Nazis verbotenen Bücher zu finden sind. Leiter der damaligen Bücherei war der Lehrer Krayer.

Schon bald nachdem er die Liste an og. Stelle geschickt hatte, erhielt er den Auftrag verschiedene Bücher jüdischer Autoren aus dem Büchereibestand zu entfernen. Doch zur damaligen Zeit konnte man eigentlich gar nicht, ob des Bestandes, von einer Bücherei sprechen. Die erste Bücherei befand sich damals in einem Abstellraum des alten Schulgebäudes, das jedoch heute nicht mehr vorhanden ist. An dieser Stelle befindet sich heute (1999) der Kinderspielplatz neben dem Heimatmuseum. Erst als Lehrer Machenheimer, der spätere Rektor der Nauheimer Schule, 1937 den Bücherbestand auflistete, waren es gerade einmal 418 Bände, wobei davon 47 Bände sogenannte „belehrende Bücher, (heute würde man diese als Sachbücher bezeichnen) waren. Damals, so wird berichtet, bekam die Nauheimer Schulbücherei vom Kreis sieben Bände mit einem Wert von 31,55 RM. Als jedoch in den Jahren 1942 /43 Nauheim bereits ca. 2600 Einwohner hatte, wurde der Bestand an Büchern für die damalige Zeit schon stattlicher, als die Zahl der zu verleihenden Bücher auf 852 Bände anwuchs, von diesen wiederum waren 426 Erzählungen und 300 sogenannte „belehrende Bücher“. Dabei muss jedoch gesagt werden, dass die Buchausleihe während des Krieges eingestellt wurde. Bereits im ersten Arbeitsbericht nach dem Kriege im Jahre 1949/50 wurden jedoch nur 318 Bände aufgeführt, jedoch keine Entleihung. Die Gemeinde zählte in dieser Zeit  3.751 Einwohner, als die Bücherei  ab dem 1. Mai 1950 wieder feste Öffnungszeiten hatte. Damals vermerkte Lehrer Engel, dass er im April 1950 die Bücherei übernommen

habe und jeweils Dienstags in der Woche die Bücherei von 17 bis 19 Uhr geöffnet sei. Die Ausleihe je Buch kostete zur damaligen Zeit 0,10 DM. So nahm auch die Volksbücherei, die seit einigen Jahren im Sitzungssaal der Gemeinde provisorisch untergebracht war, einen bedeutenden Platz ein. Die Ausleihe ist nach dem Umzug der Volksbücherei von der alten Schule in den Rathaussaal keineswegs zurückgegangen, das Gegenteil ist eher der Fall.

So wurde der Buchbestand in den vier Jahren von 1964 –1968 fast gänzlich erneuert und ergänzt. Gegen über anderen Kreisgemeinden konnte die Volksbücherei Nauheim eine Steigerung der Ausleihen von 100 % erreichen. Die Bücherei wurde gut frequentiert, sodass die Lehrer Engel und Lutz Reichert (Konrektor) die Bücherei weiter aufbauten, bis dann 1990, nach dem Tode von Lehrer Reichert, der jetzige Rektor Meyers sich in der Gemeindebücherei besonders engagierte. Heute befindet sich die 125 qm große Gemeindebücherei, seit dem großen Umbau der SKV-Halle und der Schaffung eines Sitzungsraumes, in der SKV-Halle. Die Bücherei verfügt heute über 9161 Bücher sowie 370 Kassetten und CD‚s. Im letzten Jahre 1999 wurden insgesamt 12623 Werke entliehen, wobei jedes Jahr 400 neue Bücher angeschafft werden. Die Ausleihe ist heutzutage kostenlos. Die Gemeinde selbst stellt jährlich für die Anschaffung neuer Bücher DM 10.000.- zur Verfügung. Insgesamt sind heute 926 Leser in Dateien erfasst, währendem 8.935 Personen in der Bücherei, von Rektor Klaus Meyers , von Jessica Gemmrich, Anna Lichterfelde und Ina Haun, betreut wurden.

Das  „Kulturelle“ und „Soziale“ hatte immer wieder Vorrang

Die Kulturpflege war stets für die Nauheimer Gemeindevertretung ein Herzensbedürfnis und somit eine kommunale Verpflichtung. Nachdem der Kreistag Groß- Gerau die Arbeit auf dem Gebiet der Erwachsenenbildung, durch eine beträchtliche Erhöhung der Zuschüsse intensiviert hat, wurde auch das örtliche Volksbildungswerk von der Gemeinde stark gefördert. In absoluter Regelmäßigkeit fanden Vorträge in Räumen der neuen Schule statt. Die Höhe der Beteiligung zeigte, dass die Gemeindebürger, besonders aber die Jugend die Bedeutung der Erwachsenenbildung erkannt hat. Obwohl bei vielen älteren Bürgern die Not noch groß ist, fehlt in der Gemeinde Nauheim noch immer ein Altenwohnheim. Ein entsprechendes Grundstück von 5.000 qm für den Bau eines solchen Heimes hat aber die Gemeinde durch Beschluss der Gemeindevertretung der Baugenossenschaft Nauheim, fast kostenlos, zur Verfügung gestellt und auch noch weitere Hilfe zugesagt.

Einen bedeutenden Platz in der gemeindlichen Planung nehmen auch die Kindergärten ein. So wurde in der alten Schule  in der Schulstraße mit verhältnismäßig geringen Kostenaufwand ein weiterer Kindergarten geschaffen. Gleichzeitig wurde in diesem Gebäude eine Zahlstelle der AOK- Groß-Gerau eingerichtet. Diese Zahlstelle wurde eingerichtet, um  den Alten und Kranken den Weg nach Groß-Gerau zur Hauptstelle der AOK zu ersparen. Diese befand sich in der von der Gemeinde geschaffenen Gemeindekrankenpflegestation, für die noch immer keine Gemeindeschwester gefunden werden konnte.  Erst 1968 konnte in der Person der Frau Helga Fiedler eine Gemeindeschwester eingestellt werden.

Die erste Gemeindeschwester:

„Frau Helga Fiedler, geboren 1932, die das Staatsexamen besaß, arbeitete, bevor sie 1958 nach Nauheim kam, in der Mainzer Universitätsklinik, worauf sie in Nauheim Sprechstundenhilfe bei Dr. Meinl war. Frau Fiedler blieb lange Jahre der Gemeinde als Gemeindeschwester erhalten. In dieser Tätigkeit war sie, bei den von ihr zu betreuenden Menschen, sehr beliebt. Als später verheiratete Frau Rode,  war sie noch bis ins Jahr 2000, lange Jahre als Gemeindevertreterin für die CDU in Nauheim aktiv. In dieser Funktion wurde sie dann auch langjährige Vorsitzende des Sozialausschusses, bevor sie gänzlich in den Ruhestand ging.

Gleichzeitig wurde aber auch der Kindergarten in der Schillerstraße einer gründlichen Renovierung unterzogen. Eine Küche wurde eingebaut und sonstige Einrichtungen den Erfordernissen entsprechend angepasst. Die Kosten für den Neubau des Kindergartens in der Schulstraße beliefen sich auf 99.000 DM, hinzu kommen die Kosten für die Gemeindepflegestation  und die AOK-Zahlstelle in Höhe von DM 34.000.Die Renovierungskosten für den Kindergarten Schillerstraße erforderten DM 40.000. Zu diesem Zeitpunkt verfügte die Gemeinde über 140 Kindergartenplätze, in denen sechs Kindergärtnerinnen, etwa die Hälfte des Personalbestandes im Rathaus, beschäftigt waren.

Für den Bau von Kinderspielplätzen in der Neckarstraße und im Erholungsgebiet wurden insgesamt 45.000.- DM aufgewendet. Der Kinderspielplatz in der Neckarstraße galt damals als der teuerste, aber auch als der Schönste aller Spielplätze in Nauheim.

Die Sporteinrichtungen der Gemeinde:

Eines der bedeutendsten Kapitel der Legislaturperiode 1964 –1968  im Rahmen der Gesundheits- und Jugendpflege war die Verbesserung der vorhandenen Sporteinrichtungen und die Schaffung und Bereitstellung weiterer Anlagen. Es bedurfte eines mehrjährigen Programms, um aus den mehr oder minder verwilderten und ungenutzten, aber geräumigen Sportfeld ein Stadion mit modernen Einzelanlagen zu gestalten. Unter erheblichem Einsatz von Eigenleistungen des Regiebetriebes ,des gemeindlichen Bauhofes also, wurden die einzelnen Spielfelder in klar abgegrenzten Abschnitten ausgebaut. So galt damals schon der obere Hartplatz mit seiner Flutlichtanlage in weitem Umkreis Nauheims als eine vorbildliche Sportstätte. Ebenso erhielt die Rollschuhbahn eine Flutlichtanlage. Für den TV 88/94  wurde ein Kleinspielfeld zur Verfügung gestellt. Zur gleichen Zeit wurde von der Gemeinde ein Festplatz neu hergerichtet, befestigt und mit Fußballtoren versehen. Damit entstand erstmals für die Jugendlichen ein „Bolzplatz“. Dieser damals geschaffenen Festplatz dient auch heute noch als Platz für die „Nau`mer  Kerb“. Erwähnenswert ist noch, dass einige Vereine in Selbsthilfe Baumaßnahmen durchführten, die von der Gemeinde finanziell unterstützt wurden. Dies war der Fall bei dem Umbau der Sporthalle der SKV, dem Erweiterungsbau der Jahnturnhalle, dem Neubau des Vereinsheims der Nauheimer Sandhasen im RKB- Solidarität, sowie dem Ausbau des Vereinsheims des SV 07 Nauheim. Hinzu kommt noch der Bau des Vereinsheimes des Vereins für deutsche Schäferhunde, sowie der Aufbau des Vereinsgewässers des Angelsportvereins. Insgesamt waren es 51.000 DM mit denen den Vereinen unter die Arme gegriffen wurde.

Ausgegeben wurden weiterhin für den Hartplatz = 110.000 DM, für das Kleinspielfeld = 15.000 DM für den weiteren Ausbau der Rollschuhbahn = 14.000 DM, für das untere, im Bau befindliche Rasenspielfeld mit Leichtathletikanlagen = 70.000 DM, für Umzäunung, Befestigung und Grünanlagen = 16.000 DM.

Feld und Wald-Reichtum der Gemeinde:

Ein wichtiger Teil der damaligen gemeindlichen Überlegungen ist die Grundstückspolitik. Einerseits ist die Gemeinde gehalten Bauland zu beschaffen und andererseits muss die Gemeinde bestrebt sein ihr Grundvermögen zu erhalten, ja sogar zu mehren. Diesem Grundsatz jedoch ist die Gemeinde treu geblieben, obwohl sie das Grundvermögen durch den Verkauf von Bauland an die Baulustigen verringerte ,gleichzeitig aber durch den Ankauf von Grundstücken  das Grundvermögen vermehrte. So wurden in dem Zeitraum von 1964 –1968 insgesamt 190.000 qm Ackerland von der Gemeinde angekauft.

Doch auch ergeben sich jetzt erste Überlegungen den Waldbesitz des Oberwaldes in der Gemarkung Mörfelden zu veräußern. Währenddem früher der Oberwald erhebliche finanzielle Erträge einbrachte ist es jetzt nicht mehr so. Die  Erlöse aus dem Holzverkauf und der geschaffenen Kiesgrube der Fa. Mitteldorf werden nun vollends durch die Kosten des Walderhaltes aufgebraucht.

Die neuen Überlegungen gehen jetzt dahin, ein Teil des Waldes abzustoßen ,also zu verkaufen  und ein weiterer Teil gegen Staatswald  in der Gemarkung Nauheim zu tauschen, wobei die Kiesgrube jedoch im Gemeindebesitz bleiben soll. Doch lange Zeit ist es, in einer oft harten öffentlichen Diskussion bei diesen Überlegungen geblieben. So hat sich auch bis heute nichts geändert - verkauft oder getauscht wurde nichts, der Oberwald gehört noch immer zum stolzen Besitz der Gemeinde Nauheim.

Das liebe Geld:

Am Ende der Legislaturperiode 1964-1968 verfügt die Gemeinde über ein Gesamtvermögen von DM 10 Millionen und 492 Tausend  Deutsche Mark.
Demgegenüber betrug der Schuldenstand am 31.12.1967 drei Millionen und 251 Tausend Deutsche Mark.

Übersicht über die Entwicklung der Gemeindefinanzen in den Rechnungsjahren
1964 bis 1967 ( Alle Angaben in Tausend DM )

1964                1965                   1966                   1967

Haushaltsvolumen:

a) ordentlich:                                        3340               3620                    4480                   4550

b)außerordentlich:                             1770                2130                    2660                   4540

Steuereinnahmen:                               512                   648                      644                      847  

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Gewerbesteuerausgleich

von Betriebsgemeinden:                     119                    141                   137                    131

Finanzzuweisungen:

a) allgemein vom Land                           432                    407                  455                     365

b) für Baumaßnahmen des a.o.H        261                    143                  114                     337   

von Bund, Land & Kreis.

Die Kommunalwahl 1968

Bei dieser Kommunalwahl mussten die Sozialdemokraten erstmals empfindliche Verluste einstecken und landeten unter 50 Prozent. Die CDU konnte erheblich dazugewinnen und ihre Stellung wesentlich ausbauen. Folgendes Ergebnis wurde bei diesen Wahlen erzielt:

An dieser Wahl, die am 20. Oktober 1968 stattfand, beteiligten sich von 3827 Wahlberechtigten 3322 Wähler durch Abgabe einer gültigen  Stimme.

Es erhielten:

SPD =      47,3 %       ./.  9,7%

CDU =      40,0 %      + 12,9 %

FDP  =       7,2 %         +  1,7 %

BHE  =       5,5 %        ./. 4,6 %

Die Verteilung der Sitze ergab für die SPD =    9 Sitze  minus 2 Sitz

                                                                         CDU =   8 Sitze  plus     3 Sitze

                                                                          FDP =   1 Sitz     + ./:      0 Sitze

                                                                          BHE =   1Sitze  minus  1 Sitze 

Dem Gemeindevorstand gehörten bei der Konstituierung am 27. November 1968 an:

Bürgermeister Dr. Herbert Fürbeth (SPD)

Beigeordnete  Hermann Reitz (SPD) Erster Beigeordneter, Willi Keylwerth (SPD), Hans Förster (CDU), Bruno Pötzl (BHE), Heinrich Hof (FDP).

Mit dem Ausscheiden von Heinrich Hof im Gemeindevorstand am 1. Oktober 1970  rückte aus der gemeinschaftlichen Liste aus CDU/FDP jetzt Gerd Schröder in den Gemeindevorstand nach. Gerd Schröder (CDU) erhielt seine Ernennungsurkunde von Bürgermeister Reitz in der 17. Sitzung der Gemeindevertretung. Heinrich Hof wechselte in die Gemeindeverwaltung und übernahm dort die Leitung der Sozialabteilung.

In die Gemeindevertretung wurden gewählt: Für die SPD Hans Fuchs, Kurt W. Kaul, Günter Herden, Edmund Hornung, Walter Luft, Horst Glotzbach, Franz Klier, Richard Paulus, Ulrich Becker.

Für die CDU: Franz Hohnheiser, Manfred Dörfler, Otto Habermann, Wilhelm Kuhlmann,

Erich Braterich, Adam Lochhaas, Josef Schwenger, Adolf Stephan.

Für die FDP: Heinrich Nold. Für den BHE: Franz Klier.

Hierbei ist anzumerken, dass durch die Wahl des Ersten Beigeordneten Reitz zum Bürgermeister, mit seinem Amtsantritt am 1.9.1969,  Edmund Hornung (SPD) in den Gemeindevorstand nachrückte. Erster Beigeordneter wurde jetzt Bruno Pötzl (BHE). Nachrücker im Gemeindeparlament wurde für den ausgeschiedenen Edmund Hornung (SPD), Rolf Teichmann (SPD).

Dies Ergebnis bedeutet, dass die mehrheitstragenden Parteien SPD und BHE zwar noch immer eine Mehrheit haben, aber dennoch wesentliche Verluste hinnehmen mussten. In der Legislaturperiode 1964 bis 1968  fanden 135 Sitzungen des Gemeindevorstandes, 29 Sitzungen der Gemeindevertretung, 96 Sitzungen der Ausschüsse und drei interfraktionelle Sitzungen statt.

Nach diesem Wahldesaster der SPD erhebt sich hier die Frage, was wohl den Wähler veranlasst habe, in einem so hohen Maße der SPD das Vertrauen zu entziehen. Die Antwort darauf wäre, dass die örtliche CDU einen erstmals sehr starken Wahlkampf führte, indem sie in mehreren Flugblättern die Arbeit des Bürgermeisters  sowie der SPD kritisierte. Die SPD wiederum, mit ihrem Bürgermeister, wurde zunehmend in die Defensive gedrängt. Auf beiden Seiten wurde mit nicht gerade sanften Mitteln um die Gunst des Wählers geworben, wobei sich die SPD, kurz vor der Wahl mit einem Flugblatt an die Wähler wandte, das persönliche Angriffe gegen einen Kandidaten der CDU, einem seitherigen Gemeindevorstandsmitglied, in verletzender Form zum Inhalt hatte.

Der Inhalt dieses Flugblattes führte sogar zu einer Strafanzeige des Beigeordneten

Hans Förster(CDU) vom 21.11.1968 zu Ermittlungen der Staatsanwaltschaft mit Klageerhebung gegen Bürgermeister Dr. Herbert Fürbeth.  Als Ergebnis der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wurde festgestellt:

„Der jetzt 48 Jahre alte Angeschuldigte, der Bürgermeister der Gemeinde Nauheim, Landkreis Groß-Gerau ist, gibt zu, aus Anlass der letzten hessischen Kommunalwahlen die inkriminierte Flugschrift, die unter dem Herkunftsvermerk „SPD – Fraktion Nauheim“ erschienen ist, verfasst zu haben.“

Hier ,so kann man getrost feststellen, hatte das seinen Anfang, was man in Nauheim und darüber hinaus als „Die Nauheimer Verhältnisse“ bezeichnet.

Die Nauheimer Sozialdemokraten konnten sich schwerlich damit abfinden, bei der Wahl eine solche Niederlage erhalten zu haben, was nun in der Folgezeit Nauheimer Kommunalpolitik immer wieder deutlich wird, da diese nicht einsehen wollen, dass die Niederlage  auf die seitherige Selbstherrlichkeit ihrer Politik zurückzuführen ist. Doch noch hatten die Sozialdemokraten Nauheims eine Mehrheit, wenn auch nur mit einer Stimme. Die SPD koalierte mit dem BHE, die CDU mit der FDP. Das Mehrheitsverhältnis betrug nun 10:9 Stimmen im Parlament. Bürgermeister Fürbeth konnte jedoch mit diesen Mehrheitsverhältnissen leben  und seine Aufbaupolitik der Gemeinde zu einer modernen Gemeinde fortsetzen, die schon jetzt, auf Kreisebene betrachtet, in manchen Bereichen vorbildlich war.

Ehrungen der Gemeinde:

Bis zum Jahre 1966 gab es in Nauheim keine Ehrungen für verdienstvolles ehrenamtliches Wirken. Bürgermeister Fürbeth machte sich Gedanken darüber und schuf zu diesen Zwecken die
Ehrenplakette
Erinnerungsplakette
Ehrennadel

Von 1966 –1968 erhielten die Ehrenplakette der Gemeinde Nauheim:

12. April 1966
Die erste Ehrenplakette  Nauheims erhielt posthum der bereits verstorbene Altbürgermeister Heinrich Kaul IV. Die neugeschaffene Ehrenplakette zeigte in der Mitte das Nauheimer Wappen. Am Rand der Plakette steht „Der Mensch ist mehr als der Staat.“

11.Juni 1966       
Wilhelm Berz, langjähriges Mitglied im Gemeindevorstand (CDU) und Fritz Daum, langjähriger Kommunalpolitiker und Erster Beigeordneter, gleichzeitig mit dieser Ehrenplakette erhielt Fritz Daum den Titel eines „Ehrenbürgers“ als erstem Bürger der Gemeinde Nauheim, verliehen.

13.Juni 1966
Georg Schad , Altbürgermeister, der sich um den Aufbau der Gemeinde sehr verdient gemacht hat.

29.Oktober 1966
Major William s und das 547 th. Engeener Battaillon der U.S.Army für ihre Unterstützung durch den Einsatz bei div. Bauarbeiten der Gemeinde.
Der Rad– und Kraftfahrerbund (RKB) der Solidarität anlässlich der Deutschen Meisterschaft im sechser Rollschuhreigen

Die Ehrenplakette erhielten:
Ilka Arnold- Elke Auer- Rita Becker- Ellen Fischer- Ellen Krummeck und
Irene Michel, Trebur,  für die hessischen Meisterschaft im Kunstradfahren.

2. Dezember 1966
Otto Spieler für seine Verdienste als Kommunalpolitiker.

3. April 1967
Major Jobst Jürgen Rademacher und die  Flusspionierkompanie  735 WI  für Ihren Einsatz beim Hochwasser am See in Nauheim.

28.August 1967
Obermusikmeister Georg Mischlich, für seine Verdienste zur Hebung des Kulturbewusstseins in Nauheim.

12. Juni 1968
Oberverwaltungsrechtsdirektor Dr. Hans Schmidt, Mühlheim als Ratgeber in Erschließungsfragen

29. Juni 1968
Gesangverein Eintracht Nauheim, anlässlich des 100-jährigen Bestehens des Vereins.

7. September 1968
TV 88/94, als Dank und Anerkennung für geleistete Arbeit anlässlich des 80-jährigen Bestehen des Vereins.

12.September 1968
Michael Stork- Ortslandwirt, zum 70. Geburtstag.

Die Erinnerungsplakette erhielten von 1966-1968.

9. September 1966
Albert Osswald, Finanzminister und späterer Hess. Ministerpräsident anlässlich seines Besuches in Nauheim

26. August 1967
Die Nauheimer Carnevalgesellschaft (NCG), anlässlich ihres 15-jährigen Bestehens.

SV 07 Nauheim, am 9. Oktober 1967, anlässlich der Eröffnung des neuen Spielfeldes.
Karl Herbert an Ostern 1968 als  Oberkirchenrat und stellvertretender Kirchenpräsident.

10.Mai 1968
Georges Gelb, Straßburg, für die Förderung der Jugend und der europäischen Verständigung.
Jaroslav Fafel und  Frantisek Moravek, beide  Prag, als Fürsprecher der deutsch- tscheschischen Aussöhnung und Freundschaft.

13.Juni 1968
Karel Vojta und Ernst Donth, beide Prag, für die erwiesene Gastfreundschaft bei einer Veranstaltung von Nauheimer Sportlern des RKB in Prag.

24.Juni 1968
Stredno  Priemyselna, Zilina, CSSR, zur Erinnerung an eine Studienreise mit Aufenthalt im Kreis Groß-Gerau.

6. Juli 1968
USAFE-Band Wiesbaden, als Erinnerung an ihr Konzert für betagte Bürger Nauheims anlässlich des Sängerfestes der Eintracht.

11.Oktober 1968
Die Fußballmannschaft „Slavia“ als Zeichen der Verbundenheit.

Bundesverdienstkreuze erhielten:

Am 27. November 1952, wurde von Bundespräsident Theodor Heuss, Josef Köslter für seine Verdienste um den Wiederaufbau nach dem Kriege mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet. Überreicht wurde die Auszeichnung vom Darmstädter Regierungspräsidenten Arnoul. Ebenfalls erhielt an diesem Tage der Besitzer der Musikinstrumentenfirma Wenzel Schreiber & Söhne, Wenzel Schreiber, das „Bundesverdienstkreuz am Bande“ für seine Aufbauarbeit nach dem Kriege.

Das Umfeld von Nauheim- der Kreis- Groß-Gerau:

Genau wie Nauheim, so nahmen auch alle andere Gemeinden des Kreises Groß Gerau einen stetigen Aufschwung. Der Kreis Groß Gerau besteht aus damals (1968) insgesamt 30 Kreisgemeinden. Er hat eine Gesamtgemarkungsfläche von 46.106 ha. Die Einwohnerschaft in der Gesamtheit aller Gemeinden beläuft sich auf 203.576 Einwohner. Gegenüber dem Jahr 1946 mit 110.681 Einwohnern hat diese mit insgesamt 92.895 Einwohnern zum 30. Juni 1968 zugenommen. Dies entspricht einem Einwohnerzuwachs von 83,93 %.

Die Zahl der Erwerbstätigen beträgt per 6.6.68 = ca. 100.000. Davon sind beschäftigt:
Land- und Forstwirtschaft   = 8,2 %
Industrie und Handwerk      = 60,3 %
Handel, Versicherungen und Verkehr    = 17,5 %
Öffentlicher Dienst, Dienstleistungen    = 13,9 %
Auspendler (Stand 1967)     = 40.155
Einpendler   (Stand 1967)    = 37.784

Kreisfläche in Hektar und Nutzungsarten:
Betriebsfläche insgesamt: 47.117 ha
Darunter:
Ackerland: 19.144 ha
Gartenland: 175 ha
Wiesen:  3.967 ha
Weiden: 246 ha
Gewässer: 2.069 ha
Öd- und Unland: 571 ha

Gebäude und Hofflächen: 3.052 ha
Straßen-Wege- Eisenbahnen: 3.122 ha
Friedhöfe und Parkanlagen: 402 ha
Sonstiges Land 292 ha

Landwirtschaftliche Betriebe gibt es zu diesem Zeitpunkt  1.942.

In der Ausgabe der Heimatzeitung vom 28.12.1999 heißt es zur Entwicklung des Kreises Groß-Gerau unter der Überschrift „Einwohnerzahlen gestiegen - fast eine Viertelmillion Menschen wohnen im Kreis Groß-Gerau“.

„Bald ist die Viertelmillion erreicht: Am 30. Juni 1999  lebten genau 248.501 Einwohnerinnen und Einwohner im Kreis Groß-Gerau,1002 Personen oder 0,4 Prozent mehr als Ende Dezember 1998. Die Frauen sind dabei in der Überzahl 124.582 (50,13 Prozent) Kreisbürgerinnen stehen 123.919 (49,87 Prozent) männliche Kreisbewohner gegenüber.“  Diese Zahlen hat das statistische Landesamt jetzt veröffentlicht.

Mit Abstand größte Stadt im Kreis bleibt Rüsselsheim, auch wenn sich in der Opelstadt der leichte Abwärtstrend in der Einwohnerzahl fortsetzte. 59.536 waren es Ende Juni, 317 weniger(0,53 Prozent) als ein halbes Jahr zuvor. Außer Rüsselsheim haben nur Kelsterbach( -0,2 %), Nauheim (-0,4 %) und Biebesheim (-0,63 %) weniger Einwohner zu verzeichnen als Ende 1998. Alle anderen Gemeinden können einen Bevölkerungszuwachs melden, von bescheidenen 0,1 % in Mörfelden –Walldorf bis zu 3,2 % in Gernsheim. 46.833 Kreisbewohner (18,8%) haben keinen deutschen Pass; damit leben im Kreis Groß-Gerau prozentual mehr Ausländer als in jedem anderen hessischen Landkreis. Spitzenreiter ist hier die Stadt Kelsterbach mit einem Anteil von 31,9%, während in Trebur nur 5,9% aller Einwohner keinen deutschen Pass besitzen.

Nach wie vor geht es in den Städten und Gemeinden an der Main-Schiene am engsten zu. In Bischofsheim (1.385), Ginsheim-Gustavsburg (1.144) und Rüsselsheim (1.021) leben über 1.000 Einwohner auf einem Quadratkilometer Gemarkungsfläche. Mehr Platz gibt es in Trebur(250 Einwohner je Quadratkilometer) und im Süden des Kreises, wo in Riedstadt  nur 274  und in Gernsheim gar nur 244 Menschen auf einem Quadratkilometer leben. Im Kreis Groß Gerau gibt es zum Jahreswechsel 2000 insgesamt 14 Gemeinden.

Anfang September 1968 zählte Nauheim  6.030 Einwohner. Dies bedeutete gegenüber dem 1. September 1950 mit 3.978 Einwohnern war dies eine Steigerung von 2.052 Einwohnern.

300 Spielleute konzertierten vor dem Rathaus:

Im Juni 1969 fand in Nauheim das 11. Landestreffen der Hessischen Turnerspielleute statt, das mit einer Sitzung des Landesausschusses  für das Spielmannswesen  im Hessischen Turnerverband, im kleinen Saal der SKV-Halle eröffnet wurde. Das Treffen wurde  von der Sport– und Kulturvereinigung Nauheim ausgerichtet. Hans Fuchs, Vorsitzender der SKV,  begrüßte besonders den siebenköpfigen Landesausschuss  in seinem Hause. Insgesamt 30 Musikzüge beteiligten sich an dem zweitägigen Treffen.

Der Erste Beigeordnete der Gemeinde Nauheim, Hermann Reitz, gab zu Ehren des Landesausschusses, einen Empfang im Rathaus und hieß die Gäste, auch im Namen des Bürgermeisters Dr. Herbert Fürbeth, herzlich willkommen. Reitz unterstrich in einem kurzen Überblick den musikverbundenen Charakter Nauheims und gab seiner Freude über die Durchführung dieses Treffens in der Musikgemeinde Nauheim  Ausdruck. Eigens zu dieser Veranstaltung wurde auf dem Gelände des Sportplatzes Nauheim ein Festzelt, für das zwei Tage dauernde Fest, errichtet. Auf dem Gelände der heutigen Tennisplätzen fand dann ein Wertungsspiel der Musikzüge statt, bei dem Wertungsrichter Georg Mischlich, mit zwei weiteren Wertungsrichtern des Landesverbandes, das Können der Musikzüge begutachtete. Es wurden Märsche und Lieder, aber auch überwiegend konzertante- oder Operettenmusik zu Gehör gebracht und bewertet. Am Abend fand dann vor dem Rathaus  ein Massenspiel von 300 Spielleuten, unter der Stabführung von Günter Thursar, vom TSV-Marburg-Ockershausen, statt. Alle Spielleute wurden in der Nauheimer Schule einquartiert. Am Abend des Samstags fand sodann im Festzelt ein Festkommers statt, bei dem der Musikzug der SKV-Nauheim ,unter der Stabführung von Hermann Blum, den Auftakt machte.Der 2. Vorsitzende der SKV, Ludwig Müller, begrüßte die Gäste zu Festkommers und der Bürgermeisterstellvertreter Reitz bezeichnete es nochmals als notwendig ,alle musikpflegenden Nauheimer Vereine intensiv zu fördern,um den Ruf als Musikgemeinde zu festigen.Beifall erhielt auch das Nauheimer Kinderblasorchester im BvD, für seine Musical-Melodien und auch Volkslieder, unter dem bekannten Dirigenten, Josef Dobner. Auch das Orchester des Musikvereins Nauheim unter der bewährten Führung des Dirigenten Georg Mischlich, verzauberte die Besucher.Das überwiegend musikalische Programm wurde umrahmt von den Kunstradvorführungen des hessischen Jugendmeisters Franz Kratochvil und des Vizemeisters Hans-Peter Mischlich, von den „Sandhasen“ im Rad- und Kraftfahrerbund Solidarität. Auch der TV 88/94 bereicherte den Festkommers mit ihren 6 anmutigen Mädchen der Tanzgruppe, die mit einem rythmischen„Tom-Cat“ sehr zu gefallen wussten. Mit dabei war aber auch der Männergesangverein Eintracht mit dem Dirigenten Walter Riedl. Mit der Abschlussmusik des Musikzuges der SKV,dem Kinderblasorchester und dem Musikverein Nauheim ging dann der Festkommers zu Ende. Für die Musikgemeinde Nauheim war dieses Wochenende wieder ein voller Erfolg um dem Namen“ Musikgemeinde“ gerecht zu werden.

Indienstnahme der renovierten evangelischen Kirche.

Am Sonntag,dem 8. Juni 1969, fand in der eveangelischen Kirche in Nauheim ein Festgottesdienst statt. Anlass hierzu war die Fertigstellung der Renovierung und die Indienstnahme der Kirche. Auch hier nahm in Vertretung des Bürgermeister der Erste Beigeordnete teil.

Das Verhältnis Nauheims zu seinen Nachbarn

Währendem das Verhältnis zur Kreisstadt Groß-Gerau, als etwas angespannt bezeichnet werden konnte, war man bestrebt ein gutes Verhältnis zu Rüssselsheim zu begründen. Die Gemeinde mit Bürgermeister Fürbeth erkannte, dass kommunale Zukunftsaufgaben nicht zuletzt nur im Rahmen von Regionalplanungen interkommunal bewältigt werden können. Es gab zu viele Berührungspunkte bei den Beschlussfassungen der Gemeinde, die letztlich auch die Interessen der umliegenden Gemeinden tangierte.

In Erkenntnis dieser Situation fand bereits im Oktober 1968 eine interkommunale Podiumsdiskussion mit dem Thema „Nauheim im Schatten von Rüsselsheim“ statt.

An der Podiumsdiskussion nahmen teil Bürgermeister und Ortsvereinsvorsitzender der SPD Nauheim, Dr. Herberth Fürbeth, Rüsselsheims Oberbürgermeister Dr. Karl-Heinz Storsberg und Hermann Reitz, in seiner Eigenschaft als Gesamtbetriebsratsvorsitzender der Adam Opel AG. Die Diskussionsleitung bei dem Gespräch hatte der  2. Nauheimer Ortsvereinsvorsitzende der SPD, Kurt Kaul. In der Diskussion bekräftigte Oberbürgermeister Storsberg das gute Verhältnis seiner Stadt zu Nauheim. Er bezahle gern den Gewerbesteuerausgleich für die 900 Nauheimer, die in Rüsselsheim ihrer Arbeit nachgehen. Er bemängelte, dass der gegenwärtige Satz von DM 130 zu niedrig sei und plädierte für eine Anhebung auf 175 DM, damit die Wohnsitzgemeinden ihren vielen Verpflichtungen besser nachkommen könnten. Storsberg schloss seine Ausführungen mit der Bemerkung, dass man auch in Zukunft gemeindliche Aufgaben besser gemeinsam lösen könne. Dabei denke er an die kommende Datenverarbeitung und bot der Gemeinde an, für die Sachgebiete wie Lohnberechnung, Gewerbesteuerberechnung und Meldewesen, diese rationelle Einrichtung der Stadt Rüsselsheim mitzubenutzen.  Hermann Reitz wies in seinem Beitrag auf die Notwendigkeit guter Beziehungen beider Gemeinden zum Wohle der Bürger hin und sah dies als eine unerlässliche Aufgabe der kommenden Gemeindevertretung an. Zum Thema selbst führte Reitz aus, dass Nauheim nicht im Schatten von Rüsselsheim stehe, sondern beide Gemeinden stünden im Schatten von Opel. Dort gelte es den Einfluss der Arbeitnehmer durch eine echte Mitbestimmung zu vergrößern, was sich dann auch auf kommunalen Sektor zum Wohle der Gesamtbevölkerung auswirken würde. Abschließend schlug er Nachbarschaftsräte der Gemeinden vor, zur Lösung gemeinsamer Probleme, zu bilden.

Viele Fragen warfen sich bei den teilnehmenden  Bürgern noch auf, wie:

Der Anschluss Nauheims an das Omnibusnetz von Rüsselsheim, die Frage zum Straßenbau Königstädten- West-Nauheim Ost, der Ausbau der Baustraßen im Baugebiet Ochsengrund und weitere Fragen zu einer evtl. kommunalen Zusammenarbeit. An diesem Bericht soll deutlich werden, dass die Gemeinde Nauheim schon früh die Notwendigkeit einer Kommunalen Zusammenarbeit und einer erforderlichen Erstellung einer regionalen Entwicklungsplanung, erkannte.

Noch im ersten Halbjahr 1969 fand im Juni ein erstes Gespräch, zunächst  geführt von Vorstand und Fraktion von SPD/BHE im Nauheimer  Rathaus, zu Fragen der gemeinschaftlichen Verwaltung mit Rüsselsheim statt. Gesprächspartner war der Oberbürgermeister von Rüsselsheim Dr. Karlheinz Storsberg. Dabei wurde auch erstmals über eine evtl. mögliche Eingemeindung der Gemeinde Nauheim nach Rüsselsheim gesprochen. Dabei betonte jedoch Dr. Storsberg, dass dieserhalb seitens der Stadt Rüsselsheim keine Initiative ausginge und die Stadt auch nicht die Eingemeindung Nauheims betreibe. Er warnte aber auch vor übereilten Beschlüssen, bevor sich Nauheim darüber entschieden habe ,welchen Platz es in der zukünftigen Raumordnung einnehmen wolle. Seitens der Nauheimer Vertreter wurde dann auch deutlich gemacht, dass man in vielen Fragen genauer prüfen müsse, um sich ein klares Bild über Vor- oder Nachteile einer Eingemeindung zu machen.

Die Bürgermeisterfrage - Wiederwahl oder Ausschreibung

Eine schwere Stunde für Bürgermeister Fürbeth war es, als am Freitag, dem 9. Mai 1969, sich, in der 5. Sitzung der Legislaturperiode 1968 –1972, die Gemeindevertreter für eine Ausschreibung der Bürgermeisterstelle entschieden.  Was war geschehen, wo doch Sozialdemokraten mit BHE eine Mehrheit hatten und sich für den Verbleib von Bürgermeister Fürbeth im Amt des Bürgermeisters für die nächste sechs Jahre aussprachen, während die Fraktion CDU/FDP für eine Ausschreibung der Bürgermeisterstelle plädierte und dies auch beantragte. Sie begründete ihren Antrag damit, dass Bürgermeister Fürbeth, der vor sechs Jahren von ihnen mitgewählt worden sei, die erforderliche Zusammenarbeit habe vermissen lassen, obwohl sie Dr. Fürbeth eine fachlich einwandfreie Arbeit als Bürgermeister bestätigten. Die menschliche  Seite der Zusammenarbeit jedoch habe man bei ihm vermisst, wobei die CDU auf die Vorkommnisse der letzten Kommunalwahl hinwies.

Die Ausschreibung der Bürgermeisterstelle konnte jedoch nur beschlossen werden, weil zwei Genossen der SPD dem Antrag der CDU/FDP zustimmten. Herbert Fürbeth wurde also, mit den Stimmen seiner eigenen Fraktion und der SPD in die Wüste geschickt, nur weil zwei Herren der SPD Fraktion, die persönliche Aversionen gegen die Person des Bürgermeisters hegten, nicht zwischen persönlichen Dingen und den Aufgaben und Pflichten eines Bürgermeisters in seinem Amt unterscheiden konnten. Bürgermeister Fürbeth, der sicherlich sein Bestes für diese Gemeinde gegeben hatte, verstand die Welt nicht mehr. Nach diesem Ereignis, das faktisch einer Abwahl gleichkam, ließ er sich nur noch sehr selten auf dem Rathaus sehen, sodass die Amtsgeschäfte bis zur Neuwahl eines Bürgermeisters, überwiegend von seinem Stellvertreter, dem Ersten Beigeordneten Hermann Reitz, wahrgenommen wurden.

Hermann Reitz, der zu dieser Zeit Gesamtbetriebsratsvorsitzender der fünf deutschen Werke der Adam Opel AG war, konnte im Gespräch mit der Geschäftsleitung von  Opel erreichen, dass er, nachdem er am 9. Juli 1969 zum hauptamtlichen Bürgermeister der Gemeinde Nauheim gewählt worden war, von seiner Tätigkeit bei Opel freigestellt wurde, um sich voll seiner Arbeit im Nauheimer Rathaus in der Interimszeit widmen zu können. Seine Aufgaben als Gesamtbetriebsratsvorsitzender jedoch nahm er so weit als möglich noch wahr.

Bürgermeister Dr. Herbert Fürbeth (von 1963 –1969)

Dr. Herbert Fürbeth verstarb am Montag dem 27. März 2000  im Alter von 79 Jahren.

In seine Amtszeit fiel die Planung für die Besiedlung des Wohngebietes.  Herbert Fürbeth, machte sich sofort daran, in Nauheim den erforderlichen Wohnraum zu schaffen. Viele Bürger warteten auf einen Bauplatz oder eine Wohnung in Nauheim.So bebaute er zunächst, nach den erforderlichen Planungen und Beschlüssen, das Baugebiet „Ochsengrund Nord und Süd“ und dessen teilweise Erschließung, wofür die Gemeindevertretung im Jahre 1966 den Flächennutzungsplan beschloss. Im gleichen Jahre wurde im Baugebiet „Wüste Wiese" die ersten Häuser errichtet. Der Beginn des Ausbaues des Sportplatzes, die Inangriffnahme der Vollkanalisation der Gemeinde, die Errichtung des Campingplatzes am Hegbachsee, mit all seinen anfänglichen Schwierigkeiten.

Weitere Aktivitäten waren der verstärkte Beginn des Straßenbaues, der Ausbau der Feldwege aus Mitteln des von der hessischen Landesregierung aufgelegten „Grünen Planes“,der Bau des Kindergartens in der Schulstraße,die Anlage der Kinderspielplätze in der Schillerstraße, der Sandbergstraße und der Waldstraße,der Bau der Rollschuhbahn an der Straße „Am Sportfeld“ integriert in die Sportanlagen und er betrieb mit seinen Bemühungen die Verschwisterung mit einer europäischen Gemeinde beim Rat der Gemeinden Europas.

Im Februar des Jahres 1965 verabschiedete die Nauheimer SPD, dessen Vorsitzender er war, eine bemerkenswerte Resolution gegen des Ausbau des Frankfurter Flughafens. In dem damals verabschiedeten Papier hieß es u.a. “Die Ausweitung des Flughafens muss ihre Grenzen finden, wo die Lebensgrundlagen der Bevölkerung bedroht sind“.

Dr. Herbert Fürbeth war von 1956 –1963 hauptamtlicher Stadtrat der Kreisstadt Groß-Gerau und hat in diesem Amt auf dem Gebiet der Jugendarbeit und der Ausweisung neuer Baugebiete (Auf Esch I) sich große Verdienste erworben. Nach seiner Bürgermeistertätigkeit in Nauheim war er noch bis zum Ausscheiden aus dem Arbeitsleben bei der FAG (Flughafen AG) in Frankfurt als  Vogelschlagbeauftragter tätig und hat auch bei der Fortentwicklung des Flughafens, sein Wissen und seinen Verstand mit großer Akribie eingebracht. Nach seiner Pensionierung war er noch weltweit auf Flughäfen als Berater und Gutachter zu Fragen des Vogelschlages tätig. Nach seinem Wegzug in Nauheim lebte er viele Jahre in Bad Schwalbach im Taunus, bis er dann aus gesundheitlichen Gründen im Jahres 1997, mit seiner zweiten Frau Doris, wieder in den Kreis Groß-Gerau nach Dornberg zog.

Herbert Fürbeth war für die Gemeinde Nauheim ein sehr guter Bürgermeister mit beachtlichem kommunalen Wissen. Er führte die Gemeinde mit starkem persönlichen Ehrgeiz und dem starken Willen der Modernisierung der Gemeindeverwaltung in die 70er Jahre. In den Jahren seiner Amtszeit begann Nauheim zu einer lebenswerten und aufstrebenden Gemeinde zu werden. Und wie Bürgermeister Fischer bei der Trauerfeier mit Recht ausführte, hat sich Dr. Herberth Fürbeth um die Gemeinde  Nauheim verdient gemacht.

Fortsetzung der Ortschronik 1970er Jahre